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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

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Der Stengel.
Der Stengel.
Bewundre, lieber Mensch, mit mir
Die schlancke, risch- und glatte Zier
Nur bloß vom Stengel einer Bluhme!
Mich deucht, daß, unserm GOTT zum Ruhme,
Jch viel verwunderlichs iu dessen Läng' und Ründe,
Die beide sonder Fehler, finde.
Es streckt ein Stengel sich recht nach der Linie,
(Nur daß er oberwerts, zu grössrer Zierlichkeit,

Ein wenig sich verdünnet) in die Höh,
Gleich einer wol geformten Seule.
Die biegsame Beschaffenheit,
Das schlancke Wesen ihrer Theile,
Erhält sie, daß auch starcke Winde
Sie nicht zerknicken,
Nicht zerstücken.
So nützt nicht weniger die vollenkommne Ründe
Dazu, daß nichts sich an sie setzen,
Nichts an sie hafften, sie verletzen,
Und Feuchtigkeit sie nicht zur Fäulniß bringen kann.
Absonderlich seh ich die Stell' erstaunet an,
Woselbst die Bluhme sich mit ihm verbindet,
Jndem man kein Gelenck, wie sehr man suchet, findet,
Durch welche sie verknüpft. Wer fasst, auf welche Weise
Die Blätter, deren Zahl meist sechs in einem Kreise,
So schnell daselbst entstehn?
Wer fasset, wie es möglich sey,
Daß ein so schönes Grün daselbst in roth, in weiß,
Jn gelb, in blau, und in so mancherley
Auf
Der Stengel.
Der Stengel.
Bewundre, lieber Menſch, mit mir
Die ſchlancke, riſch- und glatte Zier
Nur bloß vom Stengel einer Bluhme!
Mich deucht, daß, unſerm GOTT zum Ruhme,
Jch viel verwunderlichs iu deſſen Laͤng’ und Ruͤnde,
Die beide ſonder Fehler, finde.
Es ſtreckt ein Stengel ſich recht nach der Linie,
(Nur daß er oberwerts, zu groͤſſrer Zierlichkeit,

Ein wenig ſich verduͤnnet) in die Hoͤh,
Gleich einer wol geformten Seule.
Die biegſame Beſchaffenheit,
Das ſchlancke Weſen ihrer Theile,
Erhaͤlt ſie, daß auch ſtarcke Winde
Sie nicht zerknicken,
Nicht zerſtuͤcken.
So nuͤtzt nicht weniger die vollenkommne Ruͤnde
Dazu, daß nichts ſich an ſie ſetzen,
Nichts an ſie hafften, ſie verletzen,
Und Feuchtigkeit ſie nicht zur Faͤulniß bringen kann.
Abſonderlich ſeh ich die Stell’ erſtaunet an,
Woſelbſt die Bluhme ſich mit ihm verbindet,
Jndem man kein Gelenck, wie ſehr man ſuchet, findet,
Durch welche ſie verknuͤpft. Wer faſſt, auf welche Weiſe
Die Blaͤtter, deren Zahl meiſt ſechs in einem Kreiſe,
So ſchnell daſelbſt entſtehn?
Wer faſſet, wie es moͤglich ſey,
Daß ein ſo ſchoͤnes Gruͤn daſelbſt in roth, in weiß,
Jn gelb, in blau, und in ſo mancherley
Auf
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[48/0080] Der Stengel. Der Stengel. Bewundre, lieber Menſch, mit mir Die ſchlancke, riſch- und glatte Zier Nur bloß vom Stengel einer Bluhme! Mich deucht, daß, unſerm GOTT zum Ruhme, Jch viel verwunderlichs iu deſſen Laͤng’ und Ruͤnde, Die beide ſonder Fehler, finde. Es ſtreckt ein Stengel ſich recht nach der Linie, (Nur daß er oberwerts, zu groͤſſrer Zierlichkeit, Ein wenig ſich verduͤnnet) in die Hoͤh, Gleich einer wol geformten Seule. Die biegſame Beſchaffenheit, Das ſchlancke Weſen ihrer Theile, Erhaͤlt ſie, daß auch ſtarcke Winde Sie nicht zerknicken, Nicht zerſtuͤcken. So nuͤtzt nicht weniger die vollenkommne Ruͤnde Dazu, daß nichts ſich an ſie ſetzen, Nichts an ſie hafften, ſie verletzen, Und Feuchtigkeit ſie nicht zur Faͤulniß bringen kann. Abſonderlich ſeh ich die Stell’ erſtaunet an, Woſelbſt die Bluhme ſich mit ihm verbindet, Jndem man kein Gelenck, wie ſehr man ſuchet, findet, Durch welche ſie verknuͤpft. Wer faſſt, auf welche Weiſe Die Blaͤtter, deren Zahl meiſt ſechs in einem Kreiſe, So ſchnell daſelbſt entſtehn? Wer faſſet, wie es moͤglich ſey, Daß ein ſo ſchoͤnes Gruͤn daſelbſt in roth, in weiß, Jn gelb, in blau, und in ſo mancherley Auf

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/80>, abgerufen am 23.11.2024.