Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Das Vergangene, Schau, was selbst in der Schrift hievon für Gründ stecken. Jch weiß nicht, ob beym künfftigen Gericht Die aufzuthunde Bücher, nicht Die Wahrheit deutlicher, als man vermeint, entdecken: Jndem ein ieder deutlich sieht, Daß sich die Schrift daselbst bemüht, Nur im verblühmten Sinn, so wie ihr öffters eigen, Die Dauer des, so hier geschehn, zu zeigen. Denn grosse Bücher in der That, So wie man sie alhier auf Erden hat, Jm Himmel, wircklich glauben wollen; Jst, deucht mich, nicht gedacht, wie wir gedencken sollen. Erinnerst du dich nicht, was dort Johannes sprach: Die Wercke folgen ihnen nach. Ja kommet dieß dir fremde für, Daß etwas, so nicht mehr, noch seyn soll; scheint es mir Vielleicht nicht unrecht fremd, wenn von der Gottheit man Solch einen winzigen Begriff sich machen kann; Wodurch wir ja, wofern wir dieses glauben, Daß, wenn, für uns, ein Ding vergangen und vorbey Auf gleiche Weis' es auch für GOtt vergangen sey; Dem Ansehn nach, der Gottheit etwas rauben. Ach lasset uns vielmehr mit Ehr-Furcht dieß ermessen: Die Gottheit kann ja nicht, wie Menschen, was vergessen; Wol aber ists gewiß, daß was, für uns, nicht mehr, Doch wenigstens in Göttlicher Jdee, Jn einer Wircklichkeit noch gegenwärtig stehe. Hier
Das Vergangene, Schau, was ſelbſt in der Schrift hievon fuͤr Gruͤnd ſtecken. Jch weiß nicht, ob beym kuͤnfftigen Gericht Die aufzuthunde Buͤcher, nicht Die Wahrheit deutlicher, als man vermeint, entdecken: Jndem ein ieder deutlich ſieht, Daß ſich die Schrift daſelbſt bemuͤht, Nur im verbluͤhmten Sinn, ſo wie ihr oͤffters eigen, Die Dauer des, ſo hier geſchehn, zu zeigen. Denn groſſe Buͤcher in der That, So wie man ſie alhier auf Erden hat, Jm Himmel, wircklich glauben wollen; Jſt, deucht mich, nicht gedacht, wie wir gedencken ſollen. Erinnerſt du dich nicht, was dort Johannes ſprach: Die Wercke folgen ihnen nach. Ja kommet dieß dir fremde fuͤr, Daß etwas, ſo nicht mehr, noch ſeyn ſoll; ſcheint es mir Vielleicht nicht unrecht fremd, wenn von der Gottheit man Solch einen winzigen Begriff ſich machen kann; Wodurch wir ja, wofern wir dieſes glauben, Daß, wenn, fuͤr uns, ein Ding vergangen und vorbey Auf gleiche Weiſ’ es auch fuͤr GOtt vergangen ſey; Dem Anſehn nach, der Gottheit etwas rauben. Ach laſſet uns vielmehr mit Ehr-Furcht dieß ermeſſen: Die Gottheit kann ja nicht, wie Menſchen, was vergeſſen; Wol aber iſts gewiß, daß was, fuͤr uns, nicht mehr, Doch wenigſtens in Goͤttlicher Jdee, Jn einer Wircklichkeit noch gegenwaͤrtig ſtehe. Hier
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Das Vergangene,
Schau, was ſelbſt in der Schrift hievon fuͤr Gruͤnd
ſtecken.
Jch weiß nicht, ob beym kuͤnfftigen Gericht
Die aufzuthunde Buͤcher, nicht
Die Wahrheit deutlicher, als man vermeint, entdecken:
Jndem ein ieder deutlich ſieht,
Daß ſich die Schrift daſelbſt bemuͤht,
Nur im verbluͤhmten Sinn, ſo wie ihr oͤffters eigen,
Die Dauer des, ſo hier geſchehn, zu zeigen.
Denn groſſe Buͤcher in der That,
So wie man ſie alhier auf Erden hat,
Jm Himmel, wircklich glauben wollen;
Jſt, deucht mich, nicht gedacht, wie wir gedencken ſollen.
Erinnerſt du dich nicht, was dort Johannes ſprach:
Die Wercke folgen ihnen nach.
Ja kommet dieß dir fremde fuͤr,
Daß etwas, ſo nicht mehr, noch ſeyn ſoll; ſcheint es mir
Vielleicht nicht unrecht fremd, wenn von der Gottheit man
Solch einen winzigen Begriff ſich machen kann;
Wodurch wir ja, wofern wir dieſes glauben,
Daß, wenn, fuͤr uns, ein Ding vergangen und vorbey
Auf gleiche Weiſ’ es auch fuͤr GOtt vergangen ſey;
Dem Anſehn nach, der Gottheit etwas rauben.
Ach laſſet uns vielmehr mit Ehr-Furcht dieß ermeſſen:
Die Gottheit kann ja nicht, wie Menſchen, was vergeſſen;
Wol aber iſts gewiß, daß was, fuͤr uns, nicht mehr,
Doch wenigſtens in Goͤttlicher Jdee,
Jn einer Wircklichkeit noch gegenwaͤrtig ſtehe.
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Zitationshilfe: | Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/478>, abgerufen am 23.07.2024. |