Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.bey dem 1729. Jahres-Wechsel etc. Wie überzeuglich wahr auch dieser Schluß dir scheinet, Und wie gewiß man alles dieses meinet, So zeiget dir dennoch, was ich einst von der Zeit, Zehn Jahre sind es, schrieb; Daß, da die Ewigkeit Ununterbrochen währt, die Zeit, ein leeres Wort, Kein wahres Wesen sey: so daß ihr deutlich sehet, Daß wircklich keine Zeit vergehet. Denn lasst uns, mit Aufmercksamkeit, Ein Stück der so genannten Zeit, Den Tag der gestern war, betrachten. Wenn wir den wahren Unterscheid, Der zwischen ihn, und den, der heut, Mit rechtem Fleiß, mit rechtem Ernst beachten; So sind ich anderst nichts, als daß die Lufft Sey minder oder mehr, von einem trüben Dufft, Als etwa geftern, heut erfüllet: So, daß dadurch der Sonnen-Licht Bald mehr, bald weniger verhüllet: Daß es ein wenig mehr, ein wenig minder kalt, Und daß inzwischen uns einmahl der Erde drehen Gehindert, in der Nacht der Sonnen-Glantz zu sehen. Dieß ist der Unterschied allein, Und anders sind ich nichts. Es stehet die Natur Jn allen sest. Die Creaturen nur Verändern sich. Daß es uns anders scheinet, Entstehet bloß daher allein, Weil alle Dinge, die wir sehen, Jn, üm, und neben uns, sich ändern, und vielleicht Den folgenden nur aus dem Wege gehen. Jn-
bey dem 1729. Jahres-Wechſel ꝛc. Wie uͤberzeuglich wahr auch dieſer Schluß dir ſcheinet, Und wie gewiß man alles dieſes meinet, So zeiget dir dennoch, was ich einſt von der Zeit, Zehn Jahre ſind es, ſchrieb; Daß, da die Ewigkeit Ununterbrochen waͤhrt, die Zeit, ein leeres Wort, Kein wahres Weſen ſey: ſo daß ihr deutlich ſehet, Daß wircklich keine Zeit vergehet. Denn laſſt uns, mit Aufmerckſamkeit, Ein Stuͤck der ſo genannten Zeit, Den Tag der geſtern war, betrachten. Wenn wir den wahren Unterſcheid, Der zwiſchen ihn, und den, der heut, Mit rechtem Fleiß, mit rechtem Ernſt beachten; So ſind ich anderſt nichts, als daß die Lufft Sey minder oder mehr, von einem truͤben Dufft, Als etwa geftern, heut erfuͤllet: So, daß dadurch der Sonnen-Licht Bald mehr, bald weniger verhuͤllet: Daß es ein wenig mehr, ein wenig minder kalt, Und daß inzwiſchen uns einmahl der Erde drehen Gehindert, in der Nacht der Sonnen-Glantz zu ſehen. Dieß iſt der Unterſchied allein, Und anders ſind ich nichts. Es ſtehet die Natur Jn allen ſeſt. Die Creaturen nur Veraͤndern ſich. Daß es uns anders ſcheinet, Entſtehet bloß daher allein, Weil alle Dinge, die wir ſehen, Jn, uͤm, und neben uns, ſich aͤndern, und vielleicht Den folgenden nur aus dem Wege gehen. Jn-
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bey dem 1729. Jahres-Wechſel ꝛc.
Wie uͤberzeuglich wahr auch dieſer Schluß dir ſcheinet,
Und wie gewiß man alles dieſes meinet,
So zeiget dir dennoch, was ich einſt von der Zeit,
Zehn Jahre ſind es, ſchrieb; Daß, da die Ewigkeit
Ununterbrochen waͤhrt, die Zeit, ein leeres Wort,
Kein wahres Weſen ſey: ſo daß ihr deutlich ſehet,
Daß wircklich keine Zeit vergehet.
Denn laſſt uns, mit Aufmerckſamkeit,
Ein Stuͤck der ſo genannten Zeit,
Den Tag der geſtern war, betrachten.
Wenn wir den wahren Unterſcheid,
Der zwiſchen ihn, und den, der heut,
Mit rechtem Fleiß, mit rechtem Ernſt beachten;
So ſind ich anderſt nichts, als daß die Lufft
Sey minder oder mehr, von einem truͤben Dufft,
Als etwa geftern, heut erfuͤllet:
So, daß dadurch der Sonnen-Licht
Bald mehr, bald weniger verhuͤllet:
Daß es ein wenig mehr, ein wenig minder kalt,
Und daß inzwiſchen uns einmahl der Erde drehen
Gehindert, in der Nacht der Sonnen-Glantz zu ſehen.
Dieß iſt der Unterſchied allein,
Und anders ſind ich nichts. Es ſtehet die Natur
Jn allen ſeſt. Die Creaturen nur
Veraͤndern ſich. Daß es uns anders ſcheinet,
Entſtehet bloß daher allein,
Weil alle Dinge, die wir ſehen,
Jn, uͤm, und neben uns, ſich aͤndern, und vielleicht
Den folgenden nur aus dem Wege gehen.
Jn-
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