Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Norder-Licht.

Daß aber diese Gluth so schnell, so hefftig gehet,
Kommt sonder Zweifel wol daher,
Daß in dem grossen Raum, wo alles leer,
Nichts ihrem Triebe wiederftehet.

Wer weiß, ob aus dem Nord-Pol nicht
Ein Dufft-Fluß unaufhörlich bricht,
Und üm den Kreis der Erden fliesset?
Der (wie man am Magnete sieht,
Den man in Loder-Asche leget,
Um den die Asche sich beweget,
Und gleichsam Ost- und West-wärts flieht)
Beständig Ost- und West-wärts schiesset;
Und daß, nur zu gewisser Zeit,
Und Umständ, in der Lufft, der Dufft zur Sichtbarkeit,
Durchs Sonnen-Licht bestrahlt, gelange.
Aufs mindste giebt es uns mit Recht zu überlegen,
Was für Verändrungen, was für Bewegen
Offt in der Lufft gewircket werden müssen,
Wovon wir hier nicht das geringste wissen.
Jedoch, es sey auch was es sey,
Hat iemand bessere Gedancken,
So stimm' ich ihnen gerne bey:
Es ist mein End-Zweck nicht, zu zancken;
Rein, sondern aus dem Glantz, dem wir im Nord-Licht
schauen,

Nebst andern, mich, zum Ruhm des Schöpfers, zu er-
bauen.
Unglaublich ist, was diese Norder-Fluth
Für Nutzen und für Dienst, im duncklen Norden thut.
Da
C c 3

Das Norder-Licht.

Daß aber dieſe Gluth ſo ſchnell, ſo hefftig gehet,
Kommt ſonder Zweifel wol daher,
Daß in dem groſſen Raum, wo alles leer,
Nichts ihrem Triebe wiederftehet.

Wer weiß, ob aus dem Nord-Pol nicht
Ein Dufft-Fluß unaufhoͤrlich bricht,
Und uͤm den Kreis der Erden flieſſet?
Der (wie man am Magnete ſieht,
Den man in Loder-Aſche leget,
Um den die Aſche ſich beweget,
Und gleichſam Oſt- und Weſt-waͤrts flieht)
Beſtaͤndig Oſt- und Weſt-waͤrts ſchieſſet;
Und daß, nur zu gewiſſer Zeit,
Und Umſtaͤnd, in der Lufft, der Dufft zur Sichtbarkeit,
Durchs Sonnen-Licht beſtrahlt, gelange.
Aufs mindſte giebt es uns mit Recht zu uͤberlegen,
Was fuͤr Veraͤndrungen, was fuͤr Bewegen
Offt in der Lufft gewircket werden muͤſſen,
Wovon wir hier nicht das geringſte wiſſen.
Jedoch, es ſey auch was es ſey,
Hat iemand beſſere Gedancken,
So ſtimm’ ich ihnen gerne bey:
Es iſt mein End-Zweck nicht, zu zancken;
Rein, ſondern aus dem Glantz, dem wir im Nord-Licht
ſchauen,

Nebſt andern, mich, zum Ruhm des Schoͤpfers, zu er-
bauen.
Unglaublich iſt, was dieſe Norder-Fluth
Fuͤr Nutzen und fuͤr Dienſt, im duncklen Norden thut.
Da
C c 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="7">
              <l>
                <pb facs="#f0437" n="405"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das Norder-Licht.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Daß aber die&#x017F;e Gluth &#x017F;o &#x017F;chnell, &#x017F;o hefftig gehet,</l><lb/>
              <l>Kommt &#x017F;onder Zweifel wol daher,</l><lb/>
              <l>Daß in dem gro&#x017F;&#x017F;en Raum, wo alles leer,</l><lb/>
              <l>Nichts ihrem Triebe wiederftehet.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Wer weiß, ob aus dem Nord-Pol nicht</l><lb/>
              <l>Ein Dufft-Fluß unaufho&#x0364;rlich bricht,</l><lb/>
              <l>Und u&#x0364;m den Kreis der Erden flie&#x017F;&#x017F;et?</l><lb/>
              <l>Der (wie man am Magnete &#x017F;ieht,</l><lb/>
              <l>Den man in Loder-A&#x017F;che leget,</l><lb/>
              <l>Um den die A&#x017F;che &#x017F;ich beweget,</l><lb/>
              <l>Und gleich&#x017F;am O&#x017F;t- und We&#x017F;t-wa&#x0364;rts flieht)</l><lb/>
              <l>Be&#x017F;ta&#x0364;ndig O&#x017F;t- und We&#x017F;t-wa&#x0364;rts &#x017F;chie&#x017F;&#x017F;et;</l><lb/>
              <l>Und daß, nur zu gewi&#x017F;&#x017F;er Zeit,</l><lb/>
              <l>Und Um&#x017F;ta&#x0364;nd, in der Lufft, der Dufft zur Sichtbarkeit,</l><lb/>
              <l>Durchs Sonnen-Licht be&#x017F;trahlt, gelange.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="9">
              <l>Aufs mind&#x017F;te giebt es uns mit Recht zu u&#x0364;berlegen,</l><lb/>
              <l>Was fu&#x0364;r Vera&#x0364;ndrungen, was fu&#x0364;r Bewegen</l><lb/>
              <l>Offt in der Lufft gewircket werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Wovon wir hier nicht das gering&#x017F;te wi&#x017F;&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>Jedoch, es &#x017F;ey auch was es &#x017F;ey,</l><lb/>
              <l>Hat iemand be&#x017F;&#x017F;ere Gedancken,</l><lb/>
              <l>So &#x017F;timm&#x2019; ich ihnen gerne bey:</l><lb/>
              <l>Es i&#x017F;t mein End-Zweck nicht, zu zancken;</l><lb/>
              <l>Rein, &#x017F;ondern aus dem Glantz, dem wir im Nord-Licht<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chauen,</hi></l><lb/>
              <l>Neb&#x017F;t andern, mich, zum Ruhm des Scho&#x0364;pfers, zu er-<lb/><hi rendition="#et">bauen.</hi></l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l>Unglaublich i&#x017F;t, was die&#x017F;e Norder-Fluth</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;r Nutzen und fu&#x0364;r Dien&#x017F;t, im duncklen Norden thut.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[405/0437] Das Norder-Licht. Daß aber dieſe Gluth ſo ſchnell, ſo hefftig gehet, Kommt ſonder Zweifel wol daher, Daß in dem groſſen Raum, wo alles leer, Nichts ihrem Triebe wiederftehet. Wer weiß, ob aus dem Nord-Pol nicht Ein Dufft-Fluß unaufhoͤrlich bricht, Und uͤm den Kreis der Erden flieſſet? Der (wie man am Magnete ſieht, Den man in Loder-Aſche leget, Um den die Aſche ſich beweget, Und gleichſam Oſt- und Weſt-waͤrts flieht) Beſtaͤndig Oſt- und Weſt-waͤrts ſchieſſet; Und daß, nur zu gewiſſer Zeit, Und Umſtaͤnd, in der Lufft, der Dufft zur Sichtbarkeit, Durchs Sonnen-Licht beſtrahlt, gelange. Aufs mindſte giebt es uns mit Recht zu uͤberlegen, Was fuͤr Veraͤndrungen, was fuͤr Bewegen Offt in der Lufft gewircket werden muͤſſen, Wovon wir hier nicht das geringſte wiſſen. Jedoch, es ſey auch was es ſey, Hat iemand beſſere Gedancken, So ſtimm’ ich ihnen gerne bey: Es iſt mein End-Zweck nicht, zu zancken; Rein, ſondern aus dem Glantz, dem wir im Nord-Licht ſchauen, Nebſt andern, mich, zum Ruhm des Schoͤpfers, zu er- bauen. Unglaublich iſt, was dieſe Norder-Fluth Fuͤr Nutzen und fuͤr Dienſt, im duncklen Norden thut. Da C c 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/437
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/437>, abgerufen am 22.11.2024.