Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Grösse der Seelen. Grösse der Seelen. Nachdem, mit Dunckelheit, die falben Schatten Den Kreis der Welt bereits bedecket hatten; Befand ich neulich mich auf einer Höhe. Jndem ich nun allein bald hie bald dahin gehe, Seh ich von selbiger, in einer grossen Weite, Und eben ja so grossen Breite, Nicht ohn empfindliches Vergnügen, Den fernen Horizont im halben Circkel liegen. Der Himmel schien dadurch, als hätt' er runde Grenzen. Jndem ich nun, üm der Gestirne Glänzen Bewundernd anzusehn, den Scheitel gantz zurücke Die Augen aufwärts kehrt', und meine Blicke Jn solchem Stand ein wenig abwärts senckte, Sie üm der Ründ an den Gesichts-Kreis lenckte, Und, wie der Kreis es gab, zuletzt sie aufwärts zog; So kam dadurch der ganze Himmel mir Als ein unmeßbar O, in runder Oeffnung, für. Es senckte sich mein Aug' in diese Tieff' hinein, So weit ich sehen kunt; allein Die Seele senckte sich weit tieffer; und das Heer Der in dem hohlen Raum verhandnen Sternen Erfüllte meinen Geist noch mehr. Denn da in dieser Tieff', ohn Ende, keine Schrancken, Auch ewig sinckenden Gedancken, Zu finden, möglich sind, Und aller Zahlen Heer der Sternen Meng' und Zahlen Nicht vorzustellen, abzumahlen, Und
Groͤſſe der Seelen. Groͤſſe der Seelen. Nachdem, mit Dunckelheit, die falben Schatten Den Kreis der Welt bereits bedecket hatten; Befand ich neulich mich auf einer Hoͤhe. Jndem ich nun allein bald hie bald dahin gehe, Seh ich von ſelbiger, in einer groſſen Weite, Und eben ja ſo groſſen Breite, Nicht ohn empfindliches Vergnuͤgen, Den fernen Horizont im halben Circkel liegen. Der Himmel ſchien dadurch, als haͤtt’ er runde Grenzen. Jndem ich nun, uͤm der Geſtirne Glaͤnzen Bewundernd anzuſehn, den Scheitel gantz zuruͤcke Die Augen aufwaͤrts kehrt’, und meine Blicke Jn ſolchem Stand ein wenig abwaͤrts ſenckte, Sie uͤm der Ruͤnd an den Geſichts-Kreis lenckte, Und, wie der Kreis es gab, zuletzt ſie aufwaͤrts zog; So kam dadurch der ganze Himmel mir Als ein unmeßbar O, in runder Oeffnung, fuͤr. Es ſenckte ſich mein Aug’ in dieſe Tieff’ hinein, So weit ich ſehen kunt; allein Die Seele ſenckte ſich weit tieffer; und das Heer Der in dem hohlen Raum verhandnen Sternen Erfuͤllte meinen Geiſt noch mehr. Denn da in dieſer Tieff’, ohn Ende, keine Schrancken, Auch ewig ſinckenden Gedancken, Zu finden, moͤglich ſind, Und aller Zahlen Heer der Sternen Meng’ und Zahlen Nicht vorzuſtellen, abzumahlen, Und
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Groͤſſe der Seelen.
Groͤſſe der Seelen.
Nachdem, mit Dunckelheit, die falben Schatten
Den Kreis der Welt bereits bedecket hatten;
Befand ich neulich mich auf einer Hoͤhe.
Jndem ich nun allein bald hie bald dahin gehe,
Seh ich von ſelbiger, in einer groſſen Weite,
Und eben ja ſo groſſen Breite,
Nicht ohn empfindliches Vergnuͤgen,
Den fernen Horizont im halben Circkel liegen.
Der Himmel ſchien dadurch, als haͤtt’ er runde Grenzen.
Jndem ich nun, uͤm der Geſtirne Glaͤnzen
Bewundernd anzuſehn, den Scheitel gantz zuruͤcke
Die Augen aufwaͤrts kehrt’, und meine Blicke
Jn ſolchem Stand ein wenig abwaͤrts ſenckte,
Sie uͤm der Ruͤnd an den Geſichts-Kreis lenckte,
Und, wie der Kreis es gab, zuletzt ſie aufwaͤrts zog;
So kam dadurch der ganze Himmel mir
Als ein unmeßbar O, in runder Oeffnung, fuͤr.
Es ſenckte ſich mein Aug’ in dieſe Tieff’ hinein,
So weit ich ſehen kunt; allein
Die Seele ſenckte ſich weit tieffer; und das Heer
Der in dem hohlen Raum verhandnen Sternen
Erfuͤllte meinen Geiſt noch mehr.
Denn da in dieſer Tieff’, ohn Ende, keine Schrancken,
Auch ewig ſinckenden Gedancken,
Zu finden, moͤglich ſind,
Und aller Zahlen Heer der Sternen Meng’ und Zahlen
Nicht vorzuſtellen, abzumahlen,
Und
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