Die Sonnen-Bluhm', in gleichfalls güldner Zier, Die kamen mir, Als ich sie übersah, fast gleichsam vor, Als wie ein Schlaff-Rock von Drap d'or, Jn welchem die Natur, eh sie zur langen Ruh Die müden Glieder neigte, Annoch zu guter letzt sich halb entkleidet zeigte. Damit der Schlaff-Rock auch nicht gar einfärbig schien, War auch demselbigen nicht nur noch etwas grün, Nein, auch von Farben Wunder-schön, Ein Winter-Rosen-Busch noch hier und dort zu sehn, An deren feurigem Rubinen-gleichen Prangen Das menschliche Gesicht, fast wider willen, hangen, Und, fast gezwungen, kleben bleibt.
Dergleichen angenehmer Schertz Der lieblich spielenden Gedancken Erfüllte mein gerührtes Hertz. Die Trauben-reiche Reben-Rancken Vergnügten mich zugleich im hellen Sonnen-Schein, Und fiel mir, in der Lust und Anmuth, dieses ein:
"Ewigs, Selbständigs, Allmächtiges Wesen, "Der Du, aus nimmer erschöpflicher Huld, "Menschen, Dein Werck zu bewundern, erlesen! "Laß uns die Schönheit der Erden betrachten; "Deine Geschöpfe nicht ferner verachten: "Laß uns, in Deinen so herrlichen Wercken, "Allmacht und Weisheit und Liebe bemercken. "Welches, in Andacht und wahrem Vertrauen, "Dich in der himmlischen Klarheit zu schauen, "Uns schon auf Erden, vom himmlischen Leben, "Einen verhimmelnden Vorschmack wird geben.
Vie-
Herbſt-Gedancken.
Die Sonnen-Bluhm’, in gleichfalls guͤldner Zier, Die kamen mir, Als ich ſie uͤberſah, faſt gleichſam vor, Als wie ein Schlaff-Rock von Drap d’or, Jn welchem die Natur, eh ſie zur langen Ruh Die muͤden Glieder neigte, Annoch zu guter letzt ſich halb entkleidet zeigte. Damit der Schlaff-Rock auch nicht gar einfaͤrbig ſchien, War auch demſelbigen nicht nur noch etwas gruͤn, Nein, auch von Farben Wunder-ſchoͤn, Ein Winter-Roſen-Buſch noch hier und dort zu ſehn, An deren feurigem Rubinen-gleichen Prangen Das menſchliche Geſicht, faſt wider willen, hangen, Und, faſt gezwungen, kleben bleibt.
Dergleichen angenehmer Schertz Der lieblich ſpielenden Gedancken Erfuͤllte mein geruͤhrtes Hertz. Die Trauben-reiche Reben-Rancken Vergnuͤgten mich zugleich im hellen Sonnen-Schein, Und fiel mir, in der Luſt und Anmuth, dieſes ein:
„Ewigs, Selbſtaͤndigs, Allmaͤchtiges Weſen, „Der Du, aus nimmer erſchoͤpflicher Huld, „Menſchen, Dein Werck zu bewundern, erleſen! „Laß uns die Schoͤnheit der Erden betrachten; „Deine Geſchoͤpfe nicht ferner verachten: „Laß uns, in Deinen ſo herrlichen Wercken, „Allmacht und Weisheit und Liebe bemercken. „Welches, in Andacht und wahrem Vertrauen, „Dich in der himmliſchen Klarheit zu ſchauen, „Uns ſchon auf Erden, vom himmliſchen Leben, „Einen verhimmelnden Vorſchmack wird geben.
Vie-
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Herbſt-Gedancken.
Die Sonnen-Bluhm’, in gleichfalls guͤldner Zier,
Die kamen mir,
Als ich ſie uͤberſah, faſt gleichſam vor,
Als wie ein Schlaff-Rock von Drap d’or,
Jn welchem die Natur, eh ſie zur langen Ruh
Die muͤden Glieder neigte,
Annoch zu guter letzt ſich halb entkleidet zeigte.
Damit der Schlaff-Rock auch nicht gar einfaͤrbig ſchien,
War auch demſelbigen nicht nur noch etwas gruͤn,
Nein, auch von Farben Wunder-ſchoͤn,
Ein Winter-Roſen-Buſch noch hier und dort zu ſehn,
An deren feurigem Rubinen-gleichen Prangen
Das menſchliche Geſicht, faſt wider willen, hangen,
Und, faſt gezwungen, kleben bleibt.
Dergleichen angenehmer Schertz
Der lieblich ſpielenden Gedancken
Erfuͤllte mein geruͤhrtes Hertz.
Die Trauben-reiche Reben-Rancken
Vergnuͤgten mich zugleich im hellen Sonnen-Schein,
Und fiel mir, in der Luſt und Anmuth, dieſes ein:
„Ewigs, Selbſtaͤndigs, Allmaͤchtiges Weſen,
„Der Du, aus nimmer erſchoͤpflicher Huld,
„Menſchen, Dein Werck zu bewundern, erleſen!
„Laß uns die Schoͤnheit der Erden betrachten;
„Deine Geſchoͤpfe nicht ferner verachten:
„Laß uns, in Deinen ſo herrlichen Wercken,
„Allmacht und Weisheit und Liebe bemercken.
„Welches, in Andacht und wahrem Vertrauen,
„Dich in der himmliſchen Klarheit zu ſchauen,
„Uns ſchon auf Erden, vom himmliſchen Leben,
„Einen verhimmelnden Vorſchmack wird geben.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/410>, abgerufen am 23.07.2024.
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