Offt hab' ich bey mir überleget, Was der Verstand doch eigentlich, Wodurch die Menschheit sich Auf eine andre Art, als wie ein Vieh, beträget.
Jch stelle denn, nach langem dencken, mir Denselbigen nicht anders für, Als etwa wie ein reines Licht, Das im Gehirn, als seinem Sitz, vereinet, Von wannen es mit regen Strahlen bricht, Und unsern gantzen Leib durchscheinet: Da denn, wenn dieß in Ruh, und ungehemmt, geschicht, Ein heitrer Zustand, eine Stille, Vergnügung und Gelassenheit Jn uns mit Lust entsteht. Jn muntrer Fröhlichkeit Schwimmt gleichsam unser froher Wille, Zum GOttes-Dienst, zur Danckbarkeit Zur Nächsten-Lieb' und Tugenden bereit.
Wann aber, durch der Leidenschaften Dufft (Als wie durch Nebel, Dunst und Wolcken in der Lufft Der Sonnen Licht) das Licht der Seele Benebelt und gehemmt, da nemlich die Canäle Jm Cörper sich verstopfft, so daß die reine Glut Die sonst in uns die vielen Wunder thut,
Durch
Der Verſtand.
Der Verſtand.
Offt hab’ ich bey mir uͤberleget, Was der Verſtand doch eigentlich, Wodurch die Menſchheit ſich Auf eine andre Art, als wie ein Vieh, betraͤget.
Jch ſtelle denn, nach langem dencken, mir Denſelbigen nicht anders fuͤr, Als etwa wie ein reines Licht, Das im Gehirn, als ſeinem Sitz, vereinet, Von wannen es mit regen Strahlen bricht, Und unſern gantzen Leib durchſcheinet: Da denn, wenn dieß in Ruh, und ungehemmt, geſchicht, Ein heitrer Zuſtand, eine Stille, Vergnuͤgung und Gelaſſenheit Jn uns mit Luſt entſteht. Jn muntrer Froͤhlichkeit Schwimmt gleichſam unſer froher Wille, Zum GOttes-Dienſt, zur Danckbarkeit Zur Naͤchſten-Lieb’ und Tugenden bereit.
Wann aber, durch der Leidenſchaften Dufft (Als wie durch Nebel, Dunſt und Wolcken in der Lufft Der Sonnen Licht) das Licht der Seele Benebelt und gehemmt, da nemlich die Canaͤle Jm Coͤrper ſich verſtopfft, ſo daß die reine Glut Die ſonſt in uns die vielen Wunder thut,
Durch
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0396"n="364"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der Verſtand.</hi></fw><lb/><divn="2"><lgtype="poem"><head><hirendition="#b">Der Verſtand.</hi></head><lb/><lgn="1"><l><hirendition="#in">O</hi>fft hab’ ich bey mir uͤberleget,</l><lb/><l>Was der Verſtand doch eigentlich,</l><lb/><l>Wodurch die Menſchheit ſich</l><lb/><l>Auf eine andre Art, als wie ein Vieh, betraͤget.</l></lg><lb/><lgn="2"><l>Jch ſtelle denn, nach langem dencken, mir</l><lb/><l>Denſelbigen nicht anders fuͤr,</l><lb/><l>Als etwa wie ein reines Licht,</l><lb/><l>Das im Gehirn, als ſeinem Sitz, vereinet,</l><lb/><l>Von wannen es mit regen Strahlen bricht,</l><lb/><l>Und unſern gantzen Leib durchſcheinet:</l><lb/><l>Da denn, wenn dieß in Ruh, und ungehemmt, geſchicht,</l><lb/><l>Ein heitrer Zuſtand, eine Stille,</l><lb/><l>Vergnuͤgung und Gelaſſenheit</l><lb/><l>Jn uns mit Luſt entſteht. Jn muntrer Froͤhlichkeit</l><lb/><l>Schwimmt gleichſam unſer froher Wille,</l><lb/><l>Zum GOttes-Dienſt, zur Danckbarkeit</l><lb/><l>Zur Naͤchſten-Lieb’ und Tugenden bereit.</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Wann aber, durch der Leidenſchaften Dufft<lb/>
(Als wie durch Nebel, Dunſt und Wolcken in der Lufft</l><lb/><l>Der Sonnen Licht) das Licht der Seele</l><lb/><l>Benebelt und gehemmt, da nemlich die Canaͤle</l><lb/><l>Jm Coͤrper ſich verſtopfft, ſo daß die reine Glut</l><lb/><l>Die ſonſt in uns die vielen Wunder thut,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Durch</fw><lb/></l></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[364/0396]
Der Verſtand.
Der Verſtand.
Offt hab’ ich bey mir uͤberleget,
Was der Verſtand doch eigentlich,
Wodurch die Menſchheit ſich
Auf eine andre Art, als wie ein Vieh, betraͤget.
Jch ſtelle denn, nach langem dencken, mir
Denſelbigen nicht anders fuͤr,
Als etwa wie ein reines Licht,
Das im Gehirn, als ſeinem Sitz, vereinet,
Von wannen es mit regen Strahlen bricht,
Und unſern gantzen Leib durchſcheinet:
Da denn, wenn dieß in Ruh, und ungehemmt, geſchicht,
Ein heitrer Zuſtand, eine Stille,
Vergnuͤgung und Gelaſſenheit
Jn uns mit Luſt entſteht. Jn muntrer Froͤhlichkeit
Schwimmt gleichſam unſer froher Wille,
Zum GOttes-Dienſt, zur Danckbarkeit
Zur Naͤchſten-Lieb’ und Tugenden bereit.
Wann aber, durch der Leidenſchaften Dufft
(Als wie durch Nebel, Dunſt und Wolcken in der Lufft
Der Sonnen Licht) das Licht der Seele
Benebelt und gehemmt, da nemlich die Canaͤle
Jm Coͤrper ſich verſtopfft, ſo daß die reine Glut
Die ſonſt in uns die vielen Wunder thut,
Durch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/396>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.