Und dachte: sollt ein Mensch nur eine Viertel-Stunde Jn diesem Grentzen-losen Meere Der Tieffen, die unendlich, sehn Wie Flammen-reich der Himmels-Cörper Heere Daselbst so schrecklich schnell hell durch einander gehn; Wie alles sonder Ruh und doch in Ordnung schwebe, Wie so viel Welte sich in solcher Eile lencken, Und wirbelnd durch einander schwencken; Unmöglich könnt er anders dencken, Als daß der gantze Himmel lebe.
Fast halb entzückt durch die verhimmelnde Gedancken Zieht gleichsam sich mein Geist aus seines Cörpers Schran- cken, Und wagt es, sich mit allem dencken Jns tieffen Himmels tieffste Tieffe, So tieff ihm möglich, einzusencken.
Jetzt bin ich da. Mein GOtt! welch eine Schaar Von leuchtenden Planeten, welche sich So lieblich hell, als schnell und fürchterlich, Bewegen, drehn, und ohn verweilen Wie Blitze durch einander eilen, Wird mein erstaunter Geist gewahr! Welch ein entsetzlich grosses Gantz, Gefügt von Strahlen, Licht und Glantz, Stellt meiner Seelen Blick sich dar!
O GOtt! wie wird, bey solcher regen Glut, Mir doch zu Muht! Ob diesen herrlichen Jdeen, Die mir hiebey in meiner Seel' entstehen,
Und
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Die Bewegung der Sternen.
Und dachte: ſollt ein Menſch nur eine Viertel-Stunde Jn dieſem Grentzen-loſen Meere Der Tieffen, die unendlich, ſehn Wie Flammen-reich der Himmels-Coͤrper Heere Daſelbſt ſo ſchrecklich ſchnell hell durch einander gehn; Wie alles ſonder Ruh und doch in Ordnung ſchwebe, Wie ſo viel Welte ſich in ſolcher Eile lencken, Und wirbelnd durch einander ſchwencken; Unmoͤglich koͤnnt er anders dencken, Als daß der gantze Himmel lebe.
Faſt halb entzuͤckt durch die verhimmelnde Gedancken Zieht gleichſam ſich mein Geiſt aus ſeines Coͤrpers Schran- cken, Und wagt es, ſich mit allem dencken Jns tieffen Himmels tieffſte Tieffe, So tieff ihm moͤglich, einzuſencken.
Jetzt bin ich da. Mein GOtt! welch eine Schaar Von leuchtenden Planeten, welche ſich So lieblich hell, als ſchnell und fuͤrchterlich, Bewegen, drehn, und ohn verweilen Wie Blitze durch einander eilen, Wird mein erſtaunter Geiſt gewahr! Welch ein entſetzlich groſſes Gantz, Gefuͤgt von Strahlen, Licht und Glantz, Stellt meiner Seelen Blick ſich dar!
O GOtt! wie wird, bey ſolcher regen Glut, Mir doch zu Muht! Ob dieſen herrlichen Jdeen, Die mir hiebey in meiner Seel’ entſtehen,
Und
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Die Bewegung der Sternen.
Und dachte: ſollt ein Menſch nur eine Viertel-Stunde
Jn dieſem Grentzen-loſen Meere
Der Tieffen, die unendlich, ſehn
Wie Flammen-reich der Himmels-Coͤrper Heere
Daſelbſt ſo ſchrecklich ſchnell hell durch einander gehn;
Wie alles ſonder Ruh und doch in Ordnung ſchwebe,
Wie ſo viel Welte ſich in ſolcher Eile lencken,
Und wirbelnd durch einander ſchwencken;
Unmoͤglich koͤnnt er anders dencken,
Als daß der gantze Himmel lebe.
Faſt halb entzuͤckt durch die verhimmelnde Gedancken
Zieht gleichſam ſich mein Geiſt aus ſeines Coͤrpers Schran-
cken,
Und wagt es, ſich mit allem dencken
Jns tieffen Himmels tieffſte Tieffe,
So tieff ihm moͤglich, einzuſencken.
Jetzt bin ich da. Mein GOtt! welch eine Schaar
Von leuchtenden Planeten, welche ſich
So lieblich hell, als ſchnell und fuͤrchterlich,
Bewegen, drehn, und ohn verweilen
Wie Blitze durch einander eilen,
Wird mein erſtaunter Geiſt gewahr!
Welch ein entſetzlich groſſes Gantz,
Gefuͤgt von Strahlen, Licht und Glantz,
Stellt meiner Seelen Blick ſich dar!
O GOtt! wie wird, bey ſolcher regen Glut,
Mir doch zu Muht!
Ob dieſen herrlichen Jdeen,
Die mir hiebey in meiner Seel’ entſtehen,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/39>, abgerufen am 23.07.2024.
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