Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Bewegung der Sternen.

Und dachte: sollt ein Mensch nur eine Viertel-Stunde
Jn diesem Grentzen-losen Meere
Der Tieffen, die unendlich, sehn
Wie Flammen-reich der Himmels-Cörper Heere
Daselbst so schrecklich schnell hell durch einander gehn;
Wie alles sonder Ruh und doch in Ordnung schwebe,
Wie so viel Welte sich in solcher Eile lencken,
Und wirbelnd durch einander schwencken;
Unmöglich könnt er anders dencken,
Als daß der gantze Himmel lebe.

Fast halb entzückt durch die verhimmelnde Gedancken
Zieht gleichsam sich mein Geist aus seines Cörpers Schran-
cken,

Und wagt es, sich mit allem dencken
Jns tieffen Himmels tieffste Tieffe,
So tieff ihm möglich, einzusencken.
Jetzt bin ich da. Mein GOtt! welch eine Schaar
Von leuchtenden Planeten, welche sich
So lieblich hell, als schnell und fürchterlich,
Bewegen, drehn, und ohn verweilen
Wie Blitze durch einander eilen,
Wird mein erstaunter Geist gewahr!
Welch ein entsetzlich grosses Gantz,
Gefügt von Strahlen, Licht und Glantz,
Stellt meiner Seelen Blick sich dar!
O GOtt! wie wird, bey solcher regen Glut,
Mir doch zu Muht!
Ob diesen herrlichen Jdeen,
Die mir hiebey in meiner Seel' entstehen,
Und
A 4

Die Bewegung der Sternen.

Und dachte: ſollt ein Menſch nur eine Viertel-Stunde
Jn dieſem Grentzen-loſen Meere
Der Tieffen, die unendlich, ſehn
Wie Flammen-reich der Himmels-Coͤrper Heere
Daſelbſt ſo ſchrecklich ſchnell hell durch einander gehn;
Wie alles ſonder Ruh und doch in Ordnung ſchwebe,
Wie ſo viel Welte ſich in ſolcher Eile lencken,
Und wirbelnd durch einander ſchwencken;
Unmoͤglich koͤnnt er anders dencken,
Als daß der gantze Himmel lebe.

Faſt halb entzuͤckt durch die verhimmelnde Gedancken
Zieht gleichſam ſich mein Geiſt aus ſeines Coͤrpers Schran-
cken,

Und wagt es, ſich mit allem dencken
Jns tieffen Himmels tieffſte Tieffe,
So tieff ihm moͤglich, einzuſencken.
Jetzt bin ich da. Mein GOtt! welch eine Schaar
Von leuchtenden Planeten, welche ſich
So lieblich hell, als ſchnell und fuͤrchterlich,
Bewegen, drehn, und ohn verweilen
Wie Blitze durch einander eilen,
Wird mein erſtaunter Geiſt gewahr!
Welch ein entſetzlich groſſes Gantz,
Gefuͤgt von Strahlen, Licht und Glantz,
Stellt meiner Seelen Blick ſich dar!
O GOtt! wie wird, bey ſolcher regen Glut,
Mir doch zu Muht!
Ob dieſen herrlichen Jdeen,
Die mir hiebey in meiner Seel’ entſtehen,
Und
A 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>
                <pb facs="#f0039" n="7"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Bewegung der Sternen.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Und dachte: &#x017F;ollt ein Men&#x017F;ch nur eine Viertel-Stunde</l><lb/>
              <l>Jn die&#x017F;em Grentzen-lo&#x017F;en Meere</l><lb/>
              <l>Der Tieffen, die unendlich, &#x017F;ehn</l><lb/>
              <l>Wie Flammen-reich der Himmels-Co&#x0364;rper Heere</l><lb/>
              <l>Da&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;chrecklich &#x017F;chnell hell durch einander gehn;</l><lb/>
              <l>Wie alles &#x017F;onder Ruh und doch in Ordnung &#x017F;chwebe,</l><lb/>
              <l>Wie &#x017F;o viel Welte &#x017F;ich in &#x017F;olcher Eile lencken,</l><lb/>
              <l>Und wirbelnd durch einander &#x017F;chwencken;</l><lb/>
              <l>Unmo&#x0364;glich ko&#x0364;nnt er anders dencken,</l><lb/>
              <l>Als daß der gantze Himmel lebe.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Fa&#x017F;t halb entzu&#x0364;ckt durch die verhimmelnde Gedancken</l><lb/>
              <l>Zieht gleich&#x017F;am &#x017F;ich mein Gei&#x017F;t aus &#x017F;eines Co&#x0364;rpers Schran-<lb/><hi rendition="#et">cken,</hi></l><lb/>
              <l>Und wagt es, &#x017F;ich mit allem dencken</l><lb/>
              <l>Jns tieffen Himmels tieff&#x017F;te Tieffe,</l><lb/>
              <l>So tieff ihm mo&#x0364;glich, einzu&#x017F;encken.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Jetzt bin ich da. Mein GOtt! welch eine Schaar</l><lb/>
              <l>Von leuchtenden Planeten, welche &#x017F;ich</l><lb/>
              <l>So lieblich hell, als &#x017F;chnell und fu&#x0364;rchterlich,</l><lb/>
              <l>Bewegen, drehn, und ohn verweilen</l><lb/>
              <l>Wie Blitze durch einander eilen,</l><lb/>
              <l>Wird mein er&#x017F;taunter Gei&#x017F;t gewahr!</l><lb/>
              <l>Welch ein ent&#x017F;etzlich gro&#x017F;&#x017F;es Gantz,</l><lb/>
              <l>Gefu&#x0364;gt von Strahlen, Licht und Glantz,</l><lb/>
              <l>Stellt meiner Seelen Blick &#x017F;ich dar!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>O GOtt! wie wird, bey &#x017F;olcher regen Glut,</l><lb/>
              <l>Mir doch zu Muht!</l><lb/>
              <l>Ob die&#x017F;en herrlichen Jdeen,</l><lb/>
              <l>Die mir hiebey in meiner Seel&#x2019; ent&#x017F;tehen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0039] Die Bewegung der Sternen. Und dachte: ſollt ein Menſch nur eine Viertel-Stunde Jn dieſem Grentzen-loſen Meere Der Tieffen, die unendlich, ſehn Wie Flammen-reich der Himmels-Coͤrper Heere Daſelbſt ſo ſchrecklich ſchnell hell durch einander gehn; Wie alles ſonder Ruh und doch in Ordnung ſchwebe, Wie ſo viel Welte ſich in ſolcher Eile lencken, Und wirbelnd durch einander ſchwencken; Unmoͤglich koͤnnt er anders dencken, Als daß der gantze Himmel lebe. Faſt halb entzuͤckt durch die verhimmelnde Gedancken Zieht gleichſam ſich mein Geiſt aus ſeines Coͤrpers Schran- cken, Und wagt es, ſich mit allem dencken Jns tieffen Himmels tieffſte Tieffe, So tieff ihm moͤglich, einzuſencken. Jetzt bin ich da. Mein GOtt! welch eine Schaar Von leuchtenden Planeten, welche ſich So lieblich hell, als ſchnell und fuͤrchterlich, Bewegen, drehn, und ohn verweilen Wie Blitze durch einander eilen, Wird mein erſtaunter Geiſt gewahr! Welch ein entſetzlich groſſes Gantz, Gefuͤgt von Strahlen, Licht und Glantz, Stellt meiner Seelen Blick ſich dar! O GOtt! wie wird, bey ſolcher regen Glut, Mir doch zu Muht! Ob dieſen herrlichen Jdeen, Die mir hiebey in meiner Seel’ entſtehen, Und A 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/39
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/39>, abgerufen am 11.12.2024.