Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Der Mensch. Der Mensch. Beym Eintritt in die Zeitlichkeit, Jst, an Verstand, ein neu gebohren Kind, Fast mehr, als andre Thiere, blind. Darauf verspielet es die bald verspielte Zeit. Beym Fortgang wächset zwar sein Leib und sein Verstand Doch ieder hat sein Ziel. Nichts ist ihm recht bekannt, Von allem, was Natur, was Geist und Cörper heisset, Wie sehr er sich zerdenckt, wie sehr er sich befleisset. Es will kein Element, es will kein Körnchen Sand Von ihm sich recht begreiffen lassen. Selbst das, was in ihm denckt, womit er alles fassen Und gründlich kennen will, ist ihm so wenig kund, Als alles, was er sucht. Er, dessen Hertz ein Tempel Des Schöpfers sollte seyn, ein Wohn-Platz Seiner Ehr, Folgt, wann er älter wird, dem sträfflichen Exempel Der gantz verderbten Welt, betritt ie mehr und mehr Die freche Laster-Bahn, macht gleichsam einen Bund, Zu thun, was er nicht soll, und was er soll, zu lassen, Zu lieben, was nicht gut, was liebens wehrt, zu hassen. Dann, kommt sein Leib und Geist zu etwas mehrern Kräfften Stat daß er im Geschöpf den Schöpfer finden sollt, So überhäufft er sich mit eitelen Geschäfften. Sein Ziel, sein einzger Wunsch, sein Herr, sein Gott, Gold. Wann
Der Menſch. Der Menſch. Beym Eintritt in die Zeitlichkeit, Jſt, an Verſtand, ein neu gebohren Kind, Faſt mehr, als andre Thiere, blind. Darauf verſpielet es die bald verſpielte Zeit. Beym Fortgang waͤchſet zwar ſein Leib und ſein Verſtand Doch ieder hat ſein Ziel. Nichts iſt ihm recht bekannt, Von allem, was Natur, was Geiſt und Coͤrper heiſſet, Wie ſehr er ſich zerdenckt, wie ſehr er ſich befleiſſet. Es will kein Element, es will kein Koͤrnchen Sand Von ihm ſich recht begreiffen laſſen. Selbſt das, was in ihm denckt, womit er alles faſſen Und gruͤndlich kennen will, iſt ihm ſo wenig kund, Als alles, was er ſucht. Er, deſſen Hertz ein Tempel Des Schoͤpfers ſollte ſeyn, ein Wohn-Platz Seiner Ehr, Folgt, wann er aͤlter wird, dem ſtraͤfflichen Exempel Der gantz verderbten Welt, betritt ie mehr und mehr Die freche Laſter-Bahn, macht gleichſam einen Bund, Zu thun, was er nicht ſoll, und was er ſoll, zu laſſen, Zu lieben, was nicht gut, was liebens wehrt, zu haſſen. Dann, kommt ſein Leib und Geiſt zu etwas mehrern Kraͤfften Stat daß er im Geſchoͤpf den Schoͤpfer finden ſollt, So uͤberhaͤufft er ſich mit eitelen Geſchaͤfften. Sein Ziel, ſein einzger Wunſch, ſein Herr, ſein Gott, Gold. Wann
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Der Menſch.
Der Menſch.
Beym Eintritt in die Zeitlichkeit,
Jſt, an Verſtand, ein neu gebohren Kind,
Faſt mehr, als andre Thiere, blind.
Darauf verſpielet es die bald verſpielte Zeit.
Beym Fortgang waͤchſet zwar ſein Leib und ſein Verſtand
Doch ieder hat ſein Ziel. Nichts iſt ihm recht bekannt,
Von allem, was Natur, was Geiſt und Coͤrper heiſſet,
Wie ſehr er ſich zerdenckt, wie ſehr er ſich befleiſſet.
Es will kein Element, es will kein Koͤrnchen Sand
Von ihm ſich recht begreiffen laſſen.
Selbſt das, was in ihm denckt, womit er alles faſſen
Und gruͤndlich kennen will, iſt ihm ſo wenig kund,
Als alles, was er ſucht. Er, deſſen Hertz ein Tempel
Des Schoͤpfers ſollte ſeyn, ein Wohn-Platz Seiner Ehr,
Folgt, wann er aͤlter wird, dem ſtraͤfflichen Exempel
Der gantz verderbten Welt, betritt ie mehr und mehr
Die freche Laſter-Bahn, macht gleichſam einen Bund,
Zu thun, was er nicht ſoll, und was er ſoll, zu laſſen,
Zu lieben, was nicht gut, was liebens wehrt, zu haſſen.
Dann, kommt ſein Leib und Geiſt zu etwas mehrern Kraͤfften
Stat daß er im Geſchoͤpf den Schoͤpfer finden ſollt,
So uͤberhaͤufft er ſich mit eitelen Geſchaͤfften.
Sein Ziel, ſein einzger Wunſch, ſein Herr, ſein Gott,
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