Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Lammes-Kopf.
Und wie so sehr würd' einer nicht in seiner Meinung
sich vergehn,

Der, weil er etwan solche Dinge von Menschen niemahls
machen sehn,

Daß sie gewachsen wären, glaubte? darüm ist dieses auch
vielleicht

Noch lange nicht so ungereimt, als wie es etwa manchem
deucht.
Jedoch, da unser Wissen hier nur Stück-Werck; soll
auch meine Lehre

Dem, der mir bessre Gründe bringt, nicht widersinnig wie-
derstehn.

Laß dir zugleich, geliebter Leser, was wir von solchen Gei-
stern meinen,

Nicht eine neuerliche Lehre, nicht fremd und nicht gefährlich
scheinen.

Vielleicht sind wir nicht unterschieden, vielleicht ist es fast
einerley,

Ob, was ich Geister nenne, kräfftig; ob, was du Krafft heist,
geistig sey.

Denn wir begreiffen ja so wenig, was eigentlich dergleichen
Krafft,

Als was von Geistern, welche bilden, recht eigentlich die Ei-
genschaft.
Genug iedoch, wenn wir hiedurch von der Gewohnheit
uns entfernen,

Und GOttes künstliche Geschöpfe mehr achten und bewun-
dern lernen.

Dieß ist mein Endzweck hier gewesen, erbaue dich nebst mir
daran,

Daß uns zur Demuth und zur Andacht so gar ein Lamms-
Kopf leiten kann.


Einige
Der Lammes-Kopf.
Und wie ſo ſehr wuͤrd’ einer nicht in ſeiner Meinung
ſich vergehn,

Der, weil er etwan ſolche Dinge von Menſchen niemahls
machen ſehn,

Daß ſie gewachſen waͤren, glaubte? daruͤm iſt dieſes auch
vielleicht

Noch lange nicht ſo ungereimt, als wie es etwa manchem
deucht.
Jedoch, da unſer Wiſſen hier nur Stuͤck-Werck; ſoll
auch meine Lehre

Dem, der mir beſſre Gruͤnde bringt, nicht widerſinnig wie-
derſtehn.

Laß dir zugleich, geliebter Leſer, was wir von ſolchen Gei-
ſtern meinen,

Nicht eine neuerliche Lehre, nicht fremd und nicht gefaͤhrlich
ſcheinen.

Vielleicht ſind wir nicht unterſchieden, vielleicht iſt es faſt
einerley,

Ob, was ich Geiſter nenne, kraͤfftig; ob, was du Krafft heiſt,
geiſtig ſey.

Denn wir begreiffen ja ſo wenig, was eigentlich dergleichen
Krafft,

Als was von Geiſtern, welche bilden, recht eigentlich die Ei-
genſchaft.
Genug iedoch, wenn wir hiedurch von der Gewohnheit
uns entfernen,

Und GOttes kuͤnſtliche Geſchoͤpfe mehr achten und bewun-
dern lernen.

Dieß iſt mein Endzweck hier geweſen, erbaue dich nebſt mir
daran,

Daß uns zur Demuth und zur Andacht ſo gar ein Lamms-
Kopf leiten kann.


Einige
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0300" n="268"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Lammes-Kopf.</hi> </fw><lb/>
            <lg n="9">
              <l>Und wie &#x017F;o &#x017F;ehr wu&#x0364;rd&#x2019; einer nicht in &#x017F;einer Meinung<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ich vergehn,</hi></l><lb/>
              <l>Der, weil er etwan &#x017F;olche Dinge von Men&#x017F;chen niemahls<lb/><hi rendition="#et">machen &#x017F;ehn,</hi></l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;ie gewach&#x017F;en wa&#x0364;ren, glaubte? daru&#x0364;m i&#x017F;t die&#x017F;es auch<lb/><hi rendition="#et">vielleicht</hi></l><lb/>
              <l>Noch lange nicht &#x017F;o ungereimt, als wie es etwa manchem<lb/><hi rendition="#et">deucht.</hi></l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>Jedoch, da un&#x017F;er Wi&#x017F;&#x017F;en hier nur Stu&#x0364;ck-Werck; &#x017F;oll<lb/><hi rendition="#et">auch meine Lehre</hi></l><lb/>
              <l>Dem, der mir be&#x017F;&#x017F;re Gru&#x0364;nde bringt, nicht wider&#x017F;innig wie-<lb/><hi rendition="#et">der&#x017F;tehn.</hi></l><lb/>
              <l>Laß dir zugleich, geliebter Le&#x017F;er, was wir von &#x017F;olchen Gei-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tern meinen,</hi></l><lb/>
              <l>Nicht eine neuerliche Lehre, nicht fremd und nicht gefa&#x0364;hrlich<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;cheinen.</hi></l><lb/>
              <l>Vielleicht &#x017F;ind wir nicht unter&#x017F;chieden, vielleicht i&#x017F;t es fa&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">einerley,</hi></l><lb/>
              <l>Ob, was ich Gei&#x017F;ter nenne, kra&#x0364;fftig; ob, was du Krafft hei&#x017F;t,<lb/><hi rendition="#et">gei&#x017F;tig &#x017F;ey.</hi></l><lb/>
              <l>Denn wir begreiffen ja &#x017F;o wenig, was eigentlich dergleichen<lb/><hi rendition="#et">Krafft,</hi></l><lb/>
              <l>Als was von Gei&#x017F;tern, welche bilden, recht eigentlich die Ei-<lb/><hi rendition="#et">gen&#x017F;chaft.</hi></l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l>Genug iedoch, wenn wir hiedurch von der Gewohnheit<lb/><hi rendition="#et">uns entfernen,</hi></l><lb/>
              <l>Und GOttes ku&#x0364;n&#x017F;tliche Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe mehr achten und bewun-<lb/><hi rendition="#et">dern lernen.</hi></l><lb/>
              <l>Dieß i&#x017F;t mein Endzweck hier gewe&#x017F;en, erbaue dich neb&#x017F;t mir<lb/><hi rendition="#et">daran,</hi></l><lb/>
              <l>Daß uns zur Demuth und zur Andacht &#x017F;o gar ein Lamms-<lb/><hi rendition="#et">Kopf leiten kann.</hi></l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Einige</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0300] Der Lammes-Kopf. Und wie ſo ſehr wuͤrd’ einer nicht in ſeiner Meinung ſich vergehn, Der, weil er etwan ſolche Dinge von Menſchen niemahls machen ſehn, Daß ſie gewachſen waͤren, glaubte? daruͤm iſt dieſes auch vielleicht Noch lange nicht ſo ungereimt, als wie es etwa manchem deucht. Jedoch, da unſer Wiſſen hier nur Stuͤck-Werck; ſoll auch meine Lehre Dem, der mir beſſre Gruͤnde bringt, nicht widerſinnig wie- derſtehn. Laß dir zugleich, geliebter Leſer, was wir von ſolchen Gei- ſtern meinen, Nicht eine neuerliche Lehre, nicht fremd und nicht gefaͤhrlich ſcheinen. Vielleicht ſind wir nicht unterſchieden, vielleicht iſt es faſt einerley, Ob, was ich Geiſter nenne, kraͤfftig; ob, was du Krafft heiſt, geiſtig ſey. Denn wir begreiffen ja ſo wenig, was eigentlich dergleichen Krafft, Als was von Geiſtern, welche bilden, recht eigentlich die Ei- genſchaft. Genug iedoch, wenn wir hiedurch von der Gewohnheit uns entfernen, Und GOttes kuͤnſtliche Geſchoͤpfe mehr achten und bewun- dern lernen. Dieß iſt mein Endzweck hier geweſen, erbaue dich nebſt mir daran, Daß uns zur Demuth und zur Andacht ſo gar ein Lamms- Kopf leiten kann. Einige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/300
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/300>, abgerufen am 22.11.2024.