Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Erwegung einiger Mit noch vergrössertem Vergnügen unsrer Brust,Wann man sein Mittags-Mahl verzehrt, Vervielfacht und vermehrt. Nur zu bedauren ists, daß wir, was GOTT ins Essen Für eine Lust gesenckt, nicht achten, nicht ermessen. Erstaunens wehrt ist ja des Schmeckens Krafft, Erstaunens wehrt der Zungen Eigenschafft, Erstaunens wehrt, wie viel, wie mancherley Veränderung, Empfindlichkeit, Vergnügen, Jn so verschiednen Cörpern liegen, Und wie so Gaum als Zahn formiret sey, Durch ein Zermalmen, pressen, drücken, Uns zuzueignen, zu entdecken Die Säffte, die in Cörpern stecken; Und die, wann wir den Magen füllen, Nicht nur den Durst und Hunger stillen; Nein, die zugleich (o Wunder!) uns erquicken, Und in so sehr verschiednem schmecken, Uns so verschiedne Lust erwecken. Ein Handwercks-Mann sollt hier absonderlich be- dencken Die weise Gütigkeit des Schöpfers, der nicht nur Den Reichen solche Lust gewürdiget zu schencken, Daß sie, durch den Gebrauch so mancher Creatur, Und tausendfach gewürtzte Speise, Absonderlich vergnüget werden; Ach nein! er wird vergnügt auf gleiche Weise, Jndem der Hunger ja, wie die Erfahrung lehrt, Das niedlichste Gewürtz, der beste Koch auf Erden. Nach
Erwegung einiger Mit noch vergroͤſſertem Vergnuͤgen unſrer Bruſt,Wann man ſein Mittags-Mahl verzehrt, Vervielfacht und vermehrt. Nur zu bedauren iſts, daß wir, was GOTT ins Eſſen Fuͤr eine Luſt geſenckt, nicht achten, nicht ermeſſen. Erſtaunens wehrt iſt ja des Schmeckens Krafft, Erſtaunens wehrt der Zungen Eigenſchafft, Erſtaunens wehrt, wie viel, wie mancherley Veraͤnderung, Empfindlichkeit, Vergnuͤgen, Jn ſo verſchiednen Coͤrpern liegen, Und wie ſo Gaum als Zahn formiret ſey, Durch ein Zermalmen, preſſen, druͤcken, Uns zuzueignen, zu entdecken Die Saͤffte, die in Coͤrpern ſtecken; Und die, wann wir den Magen fuͤllen, Nicht nur den Durſt und Hunger ſtillen; Nein, die zugleich (o Wunder!) uns erquicken, Und in ſo ſehr verſchiednem ſchmecken, Uns ſo verſchiedne Luſt erwecken. Ein Handwercks-Mann ſollt hier abſonderlich be- dencken Die weiſe Guͤtigkeit des Schoͤpfers, der nicht nur Den Reichen ſolche Luſt gewuͤrdiget zu ſchencken, Daß ſie, durch den Gebrauch ſo mancher Creatur, Und tauſendfach gewuͤrtzte Speiſe, Abſonderlich vergnuͤget werden; Ach nein! er wird vergnuͤgt auf gleiche Weiſe, Jndem der Hunger ja, wie die Erfahrung lehrt, Das niedlichſte Gewuͤrtz, der beſte Koch auf Erden. Nach
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Erwegung einiger
Mit noch vergroͤſſertem Vergnuͤgen unſrer Bruſt,
Wann man ſein Mittags-Mahl verzehrt,
Vervielfacht und vermehrt.
Nur zu bedauren iſts, daß wir, was GOTT ins Eſſen
Fuͤr eine Luſt geſenckt, nicht achten, nicht ermeſſen.
Erſtaunens wehrt iſt ja des Schmeckens Krafft,
Erſtaunens wehrt der Zungen Eigenſchafft,
Erſtaunens wehrt, wie viel, wie mancherley
Veraͤnderung, Empfindlichkeit, Vergnuͤgen,
Jn ſo verſchiednen Coͤrpern liegen,
Und wie ſo Gaum als Zahn formiret ſey,
Durch ein Zermalmen, preſſen, druͤcken,
Uns zuzueignen, zu entdecken
Die Saͤffte, die in Coͤrpern ſtecken;
Und die, wann wir den Magen fuͤllen,
Nicht nur den Durſt und Hunger ſtillen;
Nein, die zugleich (o Wunder!) uns erquicken,
Und in ſo ſehr verſchiednem ſchmecken,
Uns ſo verſchiedne Luſt erwecken.
Ein Handwercks-Mann ſollt hier abſonderlich be-
dencken
Die weiſe Guͤtigkeit des Schoͤpfers, der nicht nur
Den Reichen ſolche Luſt gewuͤrdiget zu ſchencken,
Daß ſie, durch den Gebrauch ſo mancher Creatur,
Und tauſendfach gewuͤrtzte Speiſe,
Abſonderlich vergnuͤget werden;
Ach nein! er wird vergnuͤgt auf gleiche Weiſe,
Jndem der Hunger ja, wie die Erfahrung lehrt,
Das niedlichſte Gewuͤrtz, der beſte Koch auf Erden.
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