Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

Ergetz- und Bequemlichkeiten.
Jn dieser Gab' allein ist, wenn mans recht bedencket,
Uns ein unschätzbar Gut und grosser Schatz geschencket.

Die Sinnen sind, wann sie der Schlaf erquickt,
Aufs neu gestärckt, und mehr, als wie vorhin, geschickt,
Die Creatur, die durch das Morgen-Licht
Zugleich verschönert wird, zu sehn und zu betrachten.
Ach mögten wir dieselbigen nur nicht
So klein, und unsers Blicks nicht würdig achten!
Da die Gewohnheit sonst durch ihre strenge Macht
Uns alles Gute raubt; so wird durch Tag und Nacht
Die schädliche Gewalt derselben unterbrochen.
Jhr Wechsel giebt und nimmt, und zwingt uns fast, von
neuen,

Der Schönheit, die bald kommt, bald weicht, uns zu er-
freuen.
Bey vielen geht hierauf nun zwar die Arbeit an,
Die mancher wol nicht allezeit
Für einen Zeit-Vertreib und Anmuth halten kann;
Doch, ausser daß sie ihn ernehret,
Jst sie auch mehrentheils von der Beschaffenheit,
Daß sie die Essens-Lust vermehret.
Da schmeckt das Morgen-Brodt. Jst dieses keine Lust?
Fürwahr, wer es erwegt,
Wie in den Appetit so Nutzen als Ergetzen
Von GOTT so wunderbar gelegt,
Wird diese Zungen-Lust nicht so geringe schätzen.
Hat ihm der Morgen nun, der unsers Tages Lentzen,
Ein' angenehme Freud' im Anbiß erst beschehrt;
So wird noch eine grössre Lust,
Wann erst des Mittags Strahlen gläutzen,
Mit

Ergetz- und Bequemlichkeiten.
Jn dieſer Gab’ allein iſt, wenn mans recht bedencket,
Uns ein unſchaͤtzbar Gut und groſſer Schatz geſchencket.

Die Sinnen ſind, wann ſie der Schlaf erquickt,
Aufs neu geſtaͤrckt, und mehr, als wie vorhin, geſchickt,
Die Creatur, die durch das Morgen-Licht
Zugleich verſchoͤnert wird, zu ſehn und zu betrachten.
Ach moͤgten wir dieſelbigen nur nicht
So klein, und unſers Blicks nicht wuͤrdig achten!
Da die Gewohnheit ſonſt durch ihre ſtrenge Macht
Uns alles Gute raubt; ſo wird durch Tag und Nacht
Die ſchaͤdliche Gewalt derſelben unterbrochen.
Jhr Wechſel giebt und nimmt, und zwingt uns faſt, von
neuen,

Der Schoͤnheit, die bald kommt, bald weicht, uns zu er-
freuen.
Bey vielen geht hierauf nun zwar die Arbeit an,
Die mancher wol nicht allezeit
Fuͤr einen Zeit-Vertreib und Anmuth halten kann;
Doch, auſſer daß ſie ihn ernehret,
Jſt ſie auch mehrentheils von der Beſchaffenheit,
Daß ſie die Eſſens-Luſt vermehret.
Da ſchmeckt das Morgen-Brodt. Jſt dieſes keine Luſt?
Fuͤrwahr, wer es erwegt,
Wie in den Appetit ſo Nutzen als Ergetzen
Von GOTT ſo wunderbar gelegt,
Wird dieſe Zungen-Luſt nicht ſo geringe ſchaͤtzen.
Hat ihm der Morgen nun, der unſers Tages Lentzen,
Ein’ angenehme Freud’ im Anbiß erſt beſchehrt;
So wird noch eine groͤſſre Luſt,
Wann erſt des Mittags Strahlen glaͤutzen,
Mit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="3">
              <pb facs="#f0271" n="239"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Ergetz- und Bequemlichkeiten.</hi> </fw><lb/>
              <l>Jn die&#x017F;er Gab&#x2019; allein i&#x017F;t, wenn mans recht bedencket,</l><lb/>
              <l>Uns ein un&#x017F;cha&#x0364;tzbar Gut und gro&#x017F;&#x017F;er Schatz ge&#x017F;chencket.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Die Sinnen &#x017F;ind, wann &#x017F;ie der Schlaf erquickt,</l><lb/>
              <l>Aufs neu ge&#x017F;ta&#x0364;rckt, und mehr, als wie vorhin, ge&#x017F;chickt,</l><lb/>
              <l>Die Creatur, die durch das Morgen-Licht</l><lb/>
              <l>Zugleich ver&#x017F;cho&#x0364;nert wird, zu &#x017F;ehn und zu betrachten.</l><lb/>
              <l>Ach mo&#x0364;gten wir die&#x017F;elbigen nur nicht</l><lb/>
              <l>So klein, und un&#x017F;ers Blicks nicht wu&#x0364;rdig achten!</l><lb/>
              <l>Da die Gewohnheit &#x017F;on&#x017F;t durch ihre &#x017F;trenge Macht</l><lb/>
              <l>Uns alles Gute raubt; &#x017F;o wird durch Tag und Nacht</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;cha&#x0364;dliche Gewalt der&#x017F;elben unterbrochen.</l><lb/>
              <l>Jhr Wech&#x017F;el giebt und nimmt, und zwingt uns fa&#x017F;t, von<lb/><hi rendition="#et">neuen,</hi></l><lb/>
              <l>Der Scho&#x0364;nheit, die bald kommt, bald weicht, uns zu er-<lb/><hi rendition="#et">freuen.</hi></l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Bey vielen geht hierauf nun zwar die Arbeit an,</l><lb/>
              <l>Die mancher wol nicht allezeit</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;r einen Zeit-Vertreib und Anmuth halten kann;</l><lb/>
              <l>Doch, au&#x017F;&#x017F;er daß &#x017F;ie ihn ernehret,</l><lb/>
              <l>J&#x017F;t &#x017F;ie auch mehrentheils von der Be&#x017F;chaffenheit,</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;ie die E&#x017F;&#x017F;ens-Lu&#x017F;t vermehret.</l><lb/>
              <l>Da &#x017F;chmeckt das Morgen-Brodt. J&#x017F;t die&#x017F;es keine Lu&#x017F;t?</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;rwahr, wer es erwegt,</l><lb/>
              <l>Wie in den Appetit &#x017F;o Nutzen als Ergetzen</l><lb/>
              <l>Von GOTT &#x017F;o wunderbar gelegt,</l><lb/>
              <l>Wird die&#x017F;e Zungen-Lu&#x017F;t nicht &#x017F;o geringe &#x017F;cha&#x0364;tzen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Hat ihm der Morgen nun, der un&#x017F;ers Tages Lentzen,</l><lb/>
              <l>Ein&#x2019; angenehme Freud&#x2019; im Anbiß er&#x017F;t be&#x017F;chehrt;</l><lb/>
              <l>So wird noch eine gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;re Lu&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Wann er&#x017F;t des Mittags Strahlen gla&#x0364;utzen,</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Mit</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0271] Ergetz- und Bequemlichkeiten. Jn dieſer Gab’ allein iſt, wenn mans recht bedencket, Uns ein unſchaͤtzbar Gut und groſſer Schatz geſchencket. Die Sinnen ſind, wann ſie der Schlaf erquickt, Aufs neu geſtaͤrckt, und mehr, als wie vorhin, geſchickt, Die Creatur, die durch das Morgen-Licht Zugleich verſchoͤnert wird, zu ſehn und zu betrachten. Ach moͤgten wir dieſelbigen nur nicht So klein, und unſers Blicks nicht wuͤrdig achten! Da die Gewohnheit ſonſt durch ihre ſtrenge Macht Uns alles Gute raubt; ſo wird durch Tag und Nacht Die ſchaͤdliche Gewalt derſelben unterbrochen. Jhr Wechſel giebt und nimmt, und zwingt uns faſt, von neuen, Der Schoͤnheit, die bald kommt, bald weicht, uns zu er- freuen. Bey vielen geht hierauf nun zwar die Arbeit an, Die mancher wol nicht allezeit Fuͤr einen Zeit-Vertreib und Anmuth halten kann; Doch, auſſer daß ſie ihn ernehret, Jſt ſie auch mehrentheils von der Beſchaffenheit, Daß ſie die Eſſens-Luſt vermehret. Da ſchmeckt das Morgen-Brodt. Jſt dieſes keine Luſt? Fuͤrwahr, wer es erwegt, Wie in den Appetit ſo Nutzen als Ergetzen Von GOTT ſo wunderbar gelegt, Wird dieſe Zungen-Luſt nicht ſo geringe ſchaͤtzen. Hat ihm der Morgen nun, der unſers Tages Lentzen, Ein’ angenehme Freud’ im Anbiß erſt beſchehrt; So wird noch eine groͤſſre Luſt, Wann erſt des Mittags Strahlen glaͤutzen, Mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/271
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/271>, abgerufen am 23.11.2024.