Die durch den schnellen Druck beschäumte Wellen theilen, Und öffters, wie ein Pfeil, bey mir vorüber eilen. Jch dachte: Grosser GOTT! wie scharff ist der Ver- stand, Wie groß die sinnende Beschaffenheit, Wie groß die Fähigkeit, Die mit dem menschlichen Geschlecht, bloß durch Dein Wort, Sich füget und verband; Daß wir so ungeheure Lasten, Mit hohlen Segeln, hohen Masten, Von einem zu dem andern Ort, So leicht, bequem, geschwinde, Durch Hülffe wolgetheilter Winde, So füglich fortzubringen wissen; Daß offt ein einzger Mann Mit einer Hand das Schiff regieren kann, Und wär' es noch so groß. Dies zeiget eine Gröss' in unserm Geist, Die wunderbar, die nicht begreifflich ist.
Jndem mein Geist nun dieses recht ermisst, Und diese Hoheit der Gedancken Mich fast der Menschlichkeit entreisst; So lenckt' ein anderer mich wieder Jn die uns zugemessne Schrancken.
Er zeigte mir, indem die Menschen weder Wind, Noch Wetter, im geringsten nicht Zu ändern mächtig sind; Wie wir zugleich so schwach, so klein, Bey der geglaubten Grösse, seyn.
Jn-
Die Schiff-Fahrt.
Die durch den ſchnellen Druck beſchaͤumte Wellen theilen, Und oͤffters, wie ein Pfeil, bey mir voruͤber eilen. Jch dachte: Groſſer GOTT! wie ſcharff iſt der Ver- ſtand, Wie groß die ſinnende Beſchaffenheit, Wie groß die Faͤhigkeit, Die mit dem menſchlichen Geſchlecht, bloß durch Dein Wort, Sich fuͤget und verband; Daß wir ſo ungeheure Laſten, Mit hohlen Segeln, hohen Maſten, Von einem zu dem andern Ort, So leicht, bequem, geſchwinde, Durch Huͤlffe wolgetheilter Winde, So fuͤglich fortzubringen wiſſen; Daß offt ein einzger Mann Mit einer Hand das Schiff regieren kann, Und waͤr’ es noch ſo groß. Dies zeiget eine Groͤſſ’ in unſerm Geiſt, Die wunderbar, die nicht begreifflich iſt.
Jndem mein Geiſt nun dieſes recht ermiſſt, Und dieſe Hoheit der Gedancken Mich faſt der Menſchlichkeit entreiſſt; So lenckt’ ein anderer mich wieder Jn die uns zugemeſſne Schrancken.
Er zeigte mir, indem die Menſchen weder Wind, Noch Wetter, im geringſten nicht Zu aͤndern maͤchtig ſind; Wie wir zugleich ſo ſchwach, ſo klein, Bey der geglaubten Groͤſſe, ſeyn.
Jn-
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Die Schiff-Fahrt.
Die durch den ſchnellen Druck beſchaͤumte Wellen theilen,
Und oͤffters, wie ein Pfeil, bey mir voruͤber eilen.
Jch dachte: Groſſer GOTT! wie ſcharff iſt der Ver-
ſtand,
Wie groß die ſinnende Beſchaffenheit,
Wie groß die Faͤhigkeit,
Die mit dem menſchlichen Geſchlecht, bloß durch Dein Wort,
Sich fuͤget und verband;
Daß wir ſo ungeheure Laſten,
Mit hohlen Segeln, hohen Maſten,
Von einem zu dem andern Ort,
So leicht, bequem, geſchwinde,
Durch Huͤlffe wolgetheilter Winde,
So fuͤglich fortzubringen wiſſen;
Daß offt ein einzger Mann
Mit einer Hand das Schiff regieren kann,
Und waͤr’ es noch ſo groß.
Dies zeiget eine Groͤſſ’ in unſerm Geiſt,
Die wunderbar, die nicht begreifflich iſt.
Jndem mein Geiſt nun dieſes recht ermiſſt,
Und dieſe Hoheit der Gedancken
Mich faſt der Menſchlichkeit entreiſſt;
So lenckt’ ein anderer mich wieder
Jn die uns zugemeſſne Schrancken.
Er zeigte mir, indem die Menſchen weder Wind,
Noch Wetter, im geringſten nicht
Zu aͤndern maͤchtig ſind;
Wie wir zugleich ſo ſchwach, ſo klein,
Bey der geglaubten Groͤſſe, ſeyn.
Jn-
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/221>, abgerufen am 16.02.2025.
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