Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Die Glocken-Bluhme hängt am Schnee-Balls-Bluhmen-Throne, Bey gelber Rosen Gold gläntzt Veris Primula. Erst siehst Du überhaupt den prächtig bunten Schein, Du lässt der Augen Strahl vor- seit- und rückwärts fliegen, Der Schönheit süsser Sturm will, kan dein Hertz besiegen, Die Anmuth thut es auf, so zieht die Andacht ein. Du riechst den holden Dufft, der Lufft und Hirn erfüllt, e) p. 50. 51. Du ziehst ihn ein und lechzst: was Huld hat GOtt erwiesen! Du hauchst ihn aus und seufzst: O! Geber, sey gepriesen, Daß Dufft und Danck zugleich aus Bluhm und Seele quillt. Du siehest ferner noch der Bluhmen schönstes Heer, Du spührst ein buntes Feur auf klaren Blättern glühen, f) p. 101. Und wie ein Freuden-Feur, ihr funckeln Funcken sprühen; Doch spielt Dein reges Hertz im Freuden-Feur noch mehr. Von GOtt gestärckter Geist, was kan Dein Auge sehn? Kannst Du von GOttes Gröss' in Bluhmen Lettern lesen? Du liesest: GOtt ist groß! So giebt dieß grosse Wesen Sich seinem Freunde recht im Wercke zu verstehn. Allein die Gottheit macht sich Dir noch mehr bewust: Du siehst Sie im Geschöpf auch wircklich gegenwärtig, Wie Allmacht, Weisheit, Huld uns zu vergnügen fertig, Dieß dehnt Dein Hertze weit, und füllet es mit Lust. Du siehest, wie Natur so viele Kinder zeugt, h) p. 46. Soll Dein vernünftger Geist dem Geist der Erden weichen? Ach nein! Du wilt der Erd' an fruchtbarn Zeugen gleichen, Da ein Gedancken-Heer voll Dancks zur Höhe steigt. Jetzt eilst du Bluhmen zu, und bleibst bey ieder stehn, Besiehst mit froher Lust, mit emsigem Erwegen, Brichst Bluhmen, schaust genug, und wilt sie niederlegen; Doch nein! Betrachtung muß des Stengels Seul' erst sehn. i) p. 48. g) p. 44 45. Gleich
Die Glocken-Bluhme haͤngt am Schnee-Balls-Bluhmen-Throne, Bey gelber Roſen Gold glaͤntzt Veris Primula. Erſt ſiehſt Du uͤberhaupt den praͤchtig bunten Schein, Du laͤſſt der Augen Strahl vor- ſeit- und ruͤckwaͤrts fliegen, Der Schoͤnheit ſuͤſſer Sturm will, kan dein Hertz beſiegen, Die Anmuth thut es auf, ſo zieht die Andacht ein. Du riechſt den holden Dufft, der Lufft und Hirn erfuͤllt, e) p. 50. 51. Du ziehſt ihn ein und lechzſt: was Huld hat GOtt erwieſen! Du hauchſt ihn aus und ſeufzſt: O! Geber, ſey geprieſen, Daß Dufft und Danck zugleich aus Bluhm und Seele quillt. Du ſieheſt ferner noch der Bluhmen ſchoͤnſtes Heer, Du ſpuͤhrſt ein buntes Feur auf klaren Blaͤttern gluͤhen, f) p. 101. Und wie ein Freuden-Feur, ihr funckeln Funcken ſpruͤhen; Doch ſpielt Dein reges Hertz im Freuden-Feur noch mehr. Von GOtt geſtaͤrckter Geiſt, was kan Dein Auge ſehn? Kannſt Du von GOttes Groͤſſ’ in Bluhmen Lettern leſen? Du lieſeſt: GOtt iſt groß! So giebt dieß groſſe Weſen Sich ſeinem Freunde recht im Wercke zu verſtehn. Allein die Gottheit macht ſich Dir noch mehr bewuſt: Du ſiehſt Sie im Geſchoͤpf auch wircklich gegenwaͤrtig, Wie Allmacht, Weisheit, Huld uns zu vergnuͤgen fertig, Dieß dehnt Dein Hertze weit, und fuͤllet es mit Luſt. Du ſieheſt, wie Natur ſo viele Kinder zeugt, h) p. 46. Soll Dein vernuͤnftger Geiſt dem Geiſt der Erden weichen? Ach nein! Du wilt der Erd’ an fruchtbarn Zeugen gleichen, Da ein Gedancken-Heer voll Dancks zur Hoͤhe ſteigt. Jetzt eilſt du Bluhmen zu, und bleibſt bey ieder ſtehn, Beſiehſt mit froher Luſt, mit emſigem Erwegen, Brichſt Bluhmen, ſchauſt genug, und wilt ſie niederlegen; Doch nein! Betrachtung muß des Stengels Seul’ erſt ſehn. i) p. 48. g) p. 44 45. Gleich
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Bey gelber Roſen Gold glaͤntzt Veris Primula.
Erſt ſiehſt Du uͤberhaupt den praͤchtig bunten Schein,
Du laͤſſt der Augen Strahl vor- ſeit- und ruͤckwaͤrts fliegen,
Der Schoͤnheit ſuͤſſer Sturm will, kan dein Hertz beſiegen,
Die Anmuth thut es auf, ſo zieht die Andacht ein.
Du riechſt den holden Dufft, der Lufft und Hirn erfuͤllt,
e⁾ p. 50. 51.
Du ziehſt ihn ein und lechzſt: was Huld hat GOtt erwieſen!
Du hauchſt ihn aus und ſeufzſt: O! Geber, ſey geprieſen,
Daß Dufft und Danck zugleich aus Bluhm und Seele quillt.
Du ſieheſt ferner noch der Bluhmen ſchoͤnſtes Heer,
Du ſpuͤhrſt ein buntes Feur auf klaren Blaͤttern gluͤhen,
f⁾ p. 101.
Und wie ein Freuden-Feur, ihr funckeln Funcken ſpruͤhen;
Doch ſpielt Dein reges Hertz im Freuden-Feur noch mehr.
Von GOtt geſtaͤrckter Geiſt, was kan Dein Auge ſehn?
Kannſt Du von GOttes Groͤſſ’ in Bluhmen Lettern leſen?
Du lieſeſt: GOtt iſt groß! So giebt dieß groſſe Weſen
Sich ſeinem Freunde recht im Wercke zu verſtehn.
Allein die Gottheit macht ſich Dir noch mehr bewuſt:
Du ſiehſt Sie im Geſchoͤpf auch wircklich gegenwaͤrtig,
Wie Allmacht, Weisheit, Huld uns zu vergnuͤgen fertig,
Dieß dehnt Dein Hertze weit, und fuͤllet es mit Luſt.
Du ſieheſt, wie Natur ſo viele Kinder zeugt,
h⁾ p. 46.
Soll Dein vernuͤnftger Geiſt dem Geiſt der Erden weichen?
Ach nein! Du wilt der Erd’ an fruchtbarn Zeugen gleichen,
Da ein Gedancken-Heer voll Dancks zur Hoͤhe ſteigt.
Jetzt eilſt du Bluhmen zu, und bleibſt bey ieder ſtehn,
Beſiehſt mit froher Luſt, mit emſigem Erwegen,
Brichſt Bluhmen, ſchauſt genug, und wilt ſie niederlegen;
Doch nein! Betrachtung muß des Stengels Seul’ erſt ſehn.
i⁾ p. 48.
Gleich
g⁾ p. 44 45.
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