Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.eines Linden Baums. Ein zu uns gekehrter Ort lässt die Strahlen rückwärtsprallen, Wann von denen hangenden oder weggekehrten Seiten Die dadurch geschwächten Strahlen auch mit ihnen abwärts gleiten, Und so starck nicht, doch auch schön, uns durchs Aug' ins Hertze fallen. Halbe Lichter spielen hier, halbe Schatten schertzen dort. Wann in einem gantzen Licht, an den gantz bestrahlten Zwei- gen, Die illuminirte Blätter tausend grüne Wunder zeigen; Zeigen sich im halben Glantz halb verklärt an jenem Ort Tausend Wunder, die nicht minder, als das allerhellste Licht Durch ein süß gemildert Feur, und durch einen sanften Schein Einem menschlichen Gemüthe, durchs betrachtende Gesicht, Angenehm, vergnüglich, lieblich, lustig und erfreulich seyn. Ja so gar die duncklen Tieffen, die dem angestrahlten grünen, Durch den Gegen-Satz die Schönheit und den Glantz noch mehren, dienen Uns die Anmuth auch zu mehren. Diese grüne Dunckel- heit Lasst uns öffters deutlicher, als man sie sonst sähe, sehn, Wie mit froher Gauckeley, und besondrer Schnelligkeit, Bunte Fliegen hin und wieder, mit sanft sumsendem Gethön Schertzen, schwärmen, schweben, fliegen, offt im fliegen stille stehn, Daß die mindeste Bewegung nicht in ihrem Flug zu sehn, Offt mit so geschwindem Schuß, daß sie zu verschwinden scheinen, Die J 2
eines Linden Baums. Ein zu uns gekehrter Ort laͤſſt die Strahlen ruͤckwaͤrtsprallen, Wann von denen hangenden oder weggekehrten Seiten Die dadurch geſchwaͤchten Strahlen auch mit ihnen abwaͤrts gleiten, Und ſo ſtarck nicht, doch auch ſchoͤn, uns durchs Aug’ ins Hertze fallen. Halbe Lichter ſpielen hier, halbe Schatten ſchertzen dort. Wann in einem gantzen Licht, an den gantz beſtrahlten Zwei- gen, Die illuminirte Blaͤtter tauſend gruͤne Wunder zeigen; Zeigen ſich im halben Glantz halb verklaͤrt an jenem Ort Tauſend Wunder, die nicht minder, als das allerhellſte Licht Durch ein ſuͤß gemildert Feur, und durch einen ſanften Schein Einem menſchlichen Gemuͤthe, durchs betrachtende Geſicht, Angenehm, vergnuͤglich, lieblich, luſtig und erfreulich ſeyn. Ja ſo gar die duncklen Tieffen, die dem angeſtrahlten gruͤnen, Durch den Gegen-Satz die Schoͤnheit und den Glantz noch mehren, dienen Uns die Anmuth auch zu mehren. Dieſe gruͤne Dunckel- heit Laſſt uns oͤffters deutlicher, als man ſie ſonſt ſaͤhe, ſehn, Wie mit froher Gauckeley, und beſondrer Schnelligkeit, Bunte Fliegen hin und wieder, mit ſanft ſumſendem Gethoͤn Schertzen, ſchwaͤrmen, ſchweben, fliegen, offt im fliegen ſtille ſtehn, Daß die mindeſte Bewegung nicht in ihrem Flug zu ſehn, Offt mit ſo geſchwindem Schuß, daß ſie zu verſchwinden ſcheinen, Die J 2
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eines Linden Baums.
Ein zu uns gekehrter Ort laͤſſt die Strahlen ruͤckwaͤrts
prallen,
Wann von denen hangenden oder weggekehrten Seiten
Die dadurch geſchwaͤchten Strahlen auch mit ihnen abwaͤrts
gleiten,
Und ſo ſtarck nicht, doch auch ſchoͤn, uns durchs Aug’ ins
Hertze fallen.
Halbe Lichter ſpielen hier, halbe Schatten ſchertzen dort.
Wann in einem gantzen Licht, an den gantz beſtrahlten Zwei-
gen,
Die illuminirte Blaͤtter tauſend gruͤne Wunder zeigen;
Zeigen ſich im halben Glantz halb verklaͤrt an jenem Ort
Tauſend Wunder, die nicht minder, als das allerhellſte Licht
Durch ein ſuͤß gemildert Feur, und durch einen ſanften
Schein
Einem menſchlichen Gemuͤthe, durchs betrachtende Geſicht,
Angenehm, vergnuͤglich, lieblich, luſtig und erfreulich ſeyn.
Ja ſo gar die duncklen Tieffen, die dem angeſtrahlten
gruͤnen,
Durch den Gegen-Satz die Schoͤnheit und den Glantz noch
mehren, dienen
Uns die Anmuth auch zu mehren. Dieſe gruͤne Dunckel-
heit
Laſſt uns oͤffters deutlicher, als man ſie ſonſt ſaͤhe, ſehn,
Wie mit froher Gauckeley, und beſondrer Schnelligkeit,
Bunte Fliegen hin und wieder, mit ſanft ſumſendem Gethoͤn
Schertzen, ſchwaͤrmen, ſchweben, fliegen, offt im fliegen ſtille
ſtehn,
Daß die mindeſte Bewegung nicht in ihrem Flug zu ſehn,
Offt mit ſo geſchwindem Schuß, daß ſie zu verſchwinden
ſcheinen,
Die
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Zitationshilfe: | Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/163>, abgerufen am 23.07.2024. |