Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Vergnügliche Betrachtung Vergnügliche Betrachtung eines gegen meiner Wohnung über stehenden schönen Linden-Baums. Pracht der kühlen Grünen Strasse! Lust- und Schatten- reiche Linde, Woran ich noch mehr Vergnügen, als du Blätter trägest, finde! Seh' ich deine grüne Schönheit mit Verwunderung von oben, Reitzet mich die holde Pracht, Den, der sie gemacht, zu oben. Schau ich mitten in die Zweige, wie in einen Wald, hinein, Laß ich sie, als eine Laube, meiner Blicke Ruh-Platz seyn. Seh ich dich von unten an, wird durchs hole Blätter-Zelt Ein Gewölb', als wie ein Bergwerck von Smaragd, mir vor- gestellt. Dein durch Licht bestrahltes Grün dringet mir durchs Aug' ins Hertze: Ebenfalls dringt in die Seele deiner Schatten grüne Schwärtze. Beide zeugen, durch die Lust, einen Trieb zur Danckbarkeit, Den in Andacht zu besingen, der mir solche Freude schencket, Welche meinen Leib vergnügt, und den Geist zum Schöpfer lencket. Beides muß zusammen seyn, wo wir unsers GOttes Willen, Und den Endzweck Seiner Absicht, da er Menschen schuff, erfüllen, Und als Menschen leben wollen. Sprecht, ob sonsten wol ein Thier Minder einem Schöpfer dienen, und Jhn ehren kann, als wir. Wir
Vergnuͤgliche Betrachtung Vergnuͤgliche Betrachtung eines gegen meiner Wohnung uͤber ſtehenden ſchoͤnen Linden-Baums. Pracht der kuͤhlen Gruͤnen Straſſe! Luſt- und Schatten- reiche Linde, Woran ich noch mehr Vergnuͤgen, als du Blaͤtter traͤgeſt, finde! Seh’ ich deine gruͤne Schoͤnheit mit Verwunderung von oben, Reitzet mich die holde Pracht, Den, der ſie gemacht, zu oben. Schau ich mitten in die Zweige, wie in einen Wald, hinein, Laß ich ſie, als eine Laube, meiner Blicke Ruh-Platz ſeyn. Seh ich dich von unten an, wird durchs hole Blaͤtter-Zelt Ein Gewoͤlb’, als wie ein Bergwerck von Smaragd, mir vor- geſtellt. Dein durch Licht beſtrahltes Gruͤn dringet mir durchs Aug’ ins Hertze: Ebenfalls dringt in die Seele deiner Schatten gruͤne Schwaͤrtze. Beide zeugen, durch die Luſt, einen Trieb zur Danckbarkeit, Den in Andacht zu beſingen, der mir ſolche Freude ſchencket, Welche meinen Leib vergnuͤgt, und den Geiſt zum Schoͤpfer lencket. Beides muß zuſam̃en ſeyn, wo wir unſers GOttes Willen, Und den Endzweck Seiner Abſicht, da er Menſchen ſchuff, erfuͤllen, Und als Menſchen leben wollen. Sprecht, ob ſonſten wol ein Thier Minder einem Schoͤpfer dienen, und Jhn ehren kann, als wir. Wir
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Vergnuͤgliche Betrachtung
Vergnuͤgliche Betrachtung eines gegen
meiner Wohnung uͤber ſtehenden ſchoͤnen
Linden-Baums.
Pracht der kuͤhlen Gruͤnen Straſſe! Luſt- und Schatten-
reiche Linde,
Woran ich noch mehr Vergnuͤgen, als du Blaͤtter traͤgeſt,
finde!
Seh’ ich deine gruͤne Schoͤnheit mit Verwunderung von
oben,
Reitzet mich die holde Pracht, Den, der ſie gemacht, zu
oben.
Schau ich mitten in die Zweige, wie in einen Wald, hinein,
Laß ich ſie, als eine Laube, meiner Blicke Ruh-Platz ſeyn.
Seh ich dich von unten an, wird durchs hole Blaͤtter-Zelt
Ein Gewoͤlb’, als wie ein Bergwerck von Smaragd, mir vor-
geſtellt.
Dein durch Licht beſtrahltes Gruͤn dringet mir durchs Aug’
ins Hertze:
Ebenfalls dringt in die Seele deiner Schatten gruͤne
Schwaͤrtze.
Beide zeugen, durch die Luſt, einen Trieb zur Danckbarkeit,
Den in Andacht zu beſingen, der mir ſolche Freude ſchencket,
Welche meinen Leib vergnuͤgt, und den Geiſt zum Schoͤpfer
lencket.
Beides muß zuſam̃en ſeyn, wo wir unſers GOttes Willen,
Und den Endzweck Seiner Abſicht, da er Menſchen ſchuff,
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Und als Menſchen leben wollen. Sprecht, ob ſonſten wol
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