Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Die Stille. Nunmehr, seit so viel tausend Jahren,Jst Dein allgegenwärtger Wille, Dein Wincken, ihr Gesetz. Ein ehrerbietigs schweigen Pflegt hier, bey Königen, die Demuth anzuzeigen: So deucht mich, daß auch hier der Himmel tieffe Stille Die Gegenwart des Schöpfers aller Welt, Nebst ihrer Ehr-Furcht, uns vor Augen stellt. Jch blieb, bey dieser Still' in tieffer Stille stehn, Und dachte der so schnell- und dennoch sanften Weise, Jn welcher sich so ungemeßne Kreise, Ja gar die Himmel selber drehn, Mit stiller Seele nach: Bis unverhofft ein lärmendes Gewäsche, Ein wild verwirrt Gequack der Frösche, Mein stilles dencken unterbrach. Ja, dacht ich, hiedurch kann der Erden Unnützes eiteles Getümmel Mit jener sanften Still' am Himmel Jn einen Gegen-Satz gesetzet werden. Man handelt hier, man wandelt, rennt und läufft, Man lacht, man weint, man liebt, man keifft, Man siehet ein verwirrtes schwärmen, Man hört ein unnütz mühsam lärmen, Und alles ist dennoch, wie ein Geschrey, Wann man ein jegliches für sich erwegt, vorbey. Der König stirbt: es stirbt der Baur imgleichen, Die Armen sterben, nebst den Reichen, Und ihr Gewühl ist mit den Lebens-Stunden, So wie der Tag, der gestern war, verschwunden. Ein-
Die Stille. Nunmehr, ſeit ſo viel tauſend Jahren,Jſt Dein allgegenwaͤrtger Wille, Dein Wincken, ihr Geſetz. Ein ehrerbietigs ſchweigen Pflegt hier, bey Koͤnigen, die Demuth anzuzeigen: So deucht mich, daß auch hier der Himmel tieffe Stille Die Gegenwart des Schoͤpfers aller Welt, Nebſt ihrer Ehr-Furcht, uns vor Augen ſtellt. Jch blieb, bey dieſer Still’ in tieffer Stille ſtehn, Und dachte der ſo ſchnell- und dennoch ſanften Weiſe, Jn welcher ſich ſo ungemeßne Kreiſe, Ja gar die Himmel ſelber drehn, Mit ſtiller Seele nach: Bis unverhofft ein laͤrmendes Gewaͤſche, Ein wild verwirrt Gequack der Froͤſche, Mein ſtilles dencken unterbrach. Ja, dacht ich, hiedurch kann der Erden Unnuͤtzes eiteles Getuͤmmel Mit jener ſanften Still’ am Himmel Jn einen Gegen-Satz geſetzet werden. Man handelt hier, man wandelt, rennt und laͤufft, Man lacht, man weint, man liebt, man keifft, Man ſiehet ein verwirrtes ſchwaͤrmen, Man hoͤrt ein unnuͤtz muͤhſam laͤrmen, Und alles iſt dennoch, wie ein Geſchrey, Wann man ein jegliches fuͤr ſich erwegt, vorbey. Der Koͤnig ſtirbt: es ſtirbt der Baur imgleichen, Die Armen ſterben, nebſt den Reichen, Und ihr Gewuͤhl iſt mit den Lebens-Stunden, So wie der Tag, der geſtern war, verſchwunden. Ein-
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Die Stille.
Nunmehr, ſeit ſo viel tauſend Jahren,
Jſt Dein allgegenwaͤrtger Wille,
Dein Wincken, ihr Geſetz. Ein ehrerbietigs ſchweigen
Pflegt hier, bey Koͤnigen, die Demuth anzuzeigen:
So deucht mich, daß auch hier der Himmel tieffe Stille
Die Gegenwart des Schoͤpfers aller Welt,
Nebſt ihrer Ehr-Furcht, uns vor Augen ſtellt.
Jch blieb, bey dieſer Still’ in tieffer Stille ſtehn,
Und dachte der ſo ſchnell- und dennoch ſanften Weiſe,
Jn welcher ſich ſo ungemeßne Kreiſe,
Ja gar die Himmel ſelber drehn,
Mit ſtiller Seele nach:
Bis unverhofft ein laͤrmendes Gewaͤſche,
Ein wild verwirrt Gequack der Froͤſche,
Mein ſtilles dencken unterbrach.
Ja, dacht ich, hiedurch kann der Erden
Unnuͤtzes eiteles Getuͤmmel
Mit jener ſanften Still’ am Himmel
Jn einen Gegen-Satz geſetzet werden.
Man handelt hier, man wandelt, rennt und laͤufft,
Man lacht, man weint, man liebt, man keifft,
Man ſiehet ein verwirrtes ſchwaͤrmen,
Man hoͤrt ein unnuͤtz muͤhſam laͤrmen,
Und alles iſt dennoch, wie ein Geſchrey,
Wann man ein jegliches fuͤr ſich erwegt, vorbey.
Der Koͤnig ſtirbt: es ſtirbt der Baur imgleichen,
Die Armen ſterben, nebſt den Reichen,
Und ihr Gewuͤhl iſt mit den Lebens-Stunden,
So wie der Tag, der geſtern war, verſchwunden.
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