Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Frosch.
Solch eine Schaar bestand aus mehr
Als zehn mahl hundert tausend Seelen,
Die alle, zu des Schöpfers Ehr,
Jn ihrer Lust, die Macht und Lieb erzehlen,
Die täg-ja stündlich sich bey ihnen noch vermehrt.
Hierüber wacht ich auf. Und ob mir gleich die Pracht
So vieler Schön- und Seltenheiten,
So ungemeiner Herrlichkeiten,
Lust, Anmuth und Vergnügen bracht;
So war ich doch von der Durchdringlichkeit
Der dort gesehnen Creaturen
Noch mehr, als den vortrefflichen Figuren,
Recht inniglich gerührt. Wie die Beschaffenheit,
Daß sie nicht fühlbar sind, nicht nur ein klares Zeichen
Von ihrer steten Daur, (da blos dadurch allein,
Daß hier die Cörper fest und undurchdringlich seyn,
Sie den Verändrungen fast unaufhörlich
Sind ausgesetzt, und ihnen müssen weichen,
Einfolglich stets vergänglich und zerstörlich,
Und unbeständig sind:) so zeigt es gleichfalls an,
Daß, wie man ja nicht leugnen kann,
Dergleichen Wesen seyn und leben müssen,
Wir auch daher nicht unwahrscheinlich schliessen,
Daß man vielleicht auch schon in diesem Leben
Mit Creaturen sey ümgeben,
Die so, wie jene dort, nicht fühlbar, aber doch
Nicht minder würcklich sind.
Dieß war zuerst, was ich aus meinem Traum gedachte,
Bis er mich ferner noch auf die Gedancken brachte:
Jch
G
Der Froſch.
Solch eine Schaar beſtand aus mehr
Als zehn mahl hundert tauſend Seelen,
Die alle, zu des Schoͤpfers Ehr,
Jn ihrer Luſt, die Macht und Lieb erzehlen,
Die taͤg-ja ſtuͤndlich ſich bey ihnen noch vermehrt.
Hieruͤber wacht ich auf. Und ob mir gleich die Pracht
So vieler Schoͤn- und Seltenheiten,
So ungemeiner Herrlichkeiten,
Luſt, Anmuth und Vergnuͤgen bracht;
So war ich doch von der Durchdringlichkeit
Der dort geſehnen Creaturen
Noch mehr, als den vortrefflichen Figuren,
Recht inniglich geruͤhrt. Wie die Beſchaffenheit,
Daß ſie nicht fuͤhlbar ſind, nicht nur ein klares Zeichen
Von ihrer ſteten Daur, (da blos dadurch allein,
Daß hier die Coͤrper feſt und undurchdringlich ſeyn,
Sie den Veraͤndrungen faſt unaufhoͤrlich
Sind ausgeſetzt, und ihnen muͤſſen weichen,
Einfolglich ſtets vergaͤnglich und zerſtoͤrlich,
Und unbeſtaͤndig ſind:) ſo zeigt es gleichfalls an,
Daß, wie man ja nicht leugnen kann,
Dergleichen Weſen ſeyn und leben muͤſſen,
Wir auch daher nicht unwahrſcheinlich ſchlieſſen,
Daß man vielleicht auch ſchon in dieſem Leben
Mit Creaturen ſey uͤmgeben,
Die ſo, wie jene dort, nicht fuͤhlbar, aber doch
Nicht minder wuͤrcklich ſind.
Dieß war zuerſt, was ich aus meinem Traum gedachte,
Bis er mich ferner noch auf die Gedancken brachte:
Jch
G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0129" n="97"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Fro&#x017F;ch.</hi> </fw><lb/>
            <lg n="25">
              <l>Solch eine Schaar be&#x017F;tand aus mehr</l><lb/>
              <l>Als zehn mahl hundert tau&#x017F;end Seelen,</l><lb/>
              <l>Die alle, zu des Scho&#x0364;pfers Ehr,</l><lb/>
              <l>Jn ihrer Lu&#x017F;t, die Macht und Lieb erzehlen,</l><lb/>
              <l>Die ta&#x0364;g-ja &#x017F;tu&#x0364;ndlich &#x017F;ich bey ihnen noch vermehrt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="26">
              <l>Hieru&#x0364;ber wacht ich auf. Und ob mir gleich die Pracht</l><lb/>
              <l>So vieler Scho&#x0364;n- und Seltenheiten,</l><lb/>
              <l>So ungemeiner Herrlichkeiten,</l><lb/>
              <l>Lu&#x017F;t, Anmuth und Vergnu&#x0364;gen bracht;</l><lb/>
              <l>So war ich doch von der Durchdringlichkeit</l><lb/>
              <l>Der dort ge&#x017F;ehnen Creaturen</l><lb/>
              <l>Noch mehr, als den vortrefflichen Figuren,</l><lb/>
              <l>Recht inniglich geru&#x0364;hrt. Wie die Be&#x017F;chaffenheit,</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;ie nicht fu&#x0364;hlbar &#x017F;ind, nicht nur ein klares Zeichen</l><lb/>
              <l>Von ihrer &#x017F;teten Daur, (da blos dadurch allein,</l><lb/>
              <l>Daß hier die Co&#x0364;rper fe&#x017F;t und undurchdringlich &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>Sie den Vera&#x0364;ndrungen fa&#x017F;t unaufho&#x0364;rlich</l><lb/>
              <l>Sind ausge&#x017F;etzt, und ihnen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en weichen,</l><lb/>
              <l>Einfolglich &#x017F;tets verga&#x0364;nglich und zer&#x017F;to&#x0364;rlich,</l><lb/>
              <l>Und unbe&#x017F;ta&#x0364;ndig &#x017F;ind:) &#x017F;o zeigt es gleichfalls an,</l><lb/>
              <l>Daß, wie man ja nicht leugnen kann,</l><lb/>
              <l>Dergleichen We&#x017F;en &#x017F;eyn und leben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Wir auch daher nicht unwahr&#x017F;cheinlich &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Daß man vielleicht auch &#x017F;chon in die&#x017F;em Leben</l><lb/>
              <l>Mit Creaturen &#x017F;ey u&#x0364;mgeben,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;o, wie jene dort, nicht fu&#x0364;hlbar, aber doch</l><lb/>
              <l>Nicht minder wu&#x0364;rcklich &#x017F;ind.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="27">
              <l>Dieß war zuer&#x017F;t, was ich aus meinem Traum gedachte,</l><lb/>
              <l>Bis er mich ferner noch auf die Gedancken brachte:</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">G</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0129] Der Froſch. Solch eine Schaar beſtand aus mehr Als zehn mahl hundert tauſend Seelen, Die alle, zu des Schoͤpfers Ehr, Jn ihrer Luſt, die Macht und Lieb erzehlen, Die taͤg-ja ſtuͤndlich ſich bey ihnen noch vermehrt. Hieruͤber wacht ich auf. Und ob mir gleich die Pracht So vieler Schoͤn- und Seltenheiten, So ungemeiner Herrlichkeiten, Luſt, Anmuth und Vergnuͤgen bracht; So war ich doch von der Durchdringlichkeit Der dort geſehnen Creaturen Noch mehr, als den vortrefflichen Figuren, Recht inniglich geruͤhrt. Wie die Beſchaffenheit, Daß ſie nicht fuͤhlbar ſind, nicht nur ein klares Zeichen Von ihrer ſteten Daur, (da blos dadurch allein, Daß hier die Coͤrper feſt und undurchdringlich ſeyn, Sie den Veraͤndrungen faſt unaufhoͤrlich Sind ausgeſetzt, und ihnen muͤſſen weichen, Einfolglich ſtets vergaͤnglich und zerſtoͤrlich, Und unbeſtaͤndig ſind:) ſo zeigt es gleichfalls an, Daß, wie man ja nicht leugnen kann, Dergleichen Weſen ſeyn und leben muͤſſen, Wir auch daher nicht unwahrſcheinlich ſchlieſſen, Daß man vielleicht auch ſchon in dieſem Leben Mit Creaturen ſey uͤmgeben, Die ſo, wie jene dort, nicht fuͤhlbar, aber doch Nicht minder wuͤrcklich ſind. Dieß war zuerſt, was ich aus meinem Traum gedachte, Bis er mich ferner noch auf die Gedancken brachte: Jch G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/129
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/129>, abgerufen am 25.11.2024.