Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Von GOTT.


Wie kan man doch die ew'ge Weisheit schliessen,
Jn eine niedrige Gleichgültigkeit,
Jn eine schimpfliche Vergessenheit?
Kan Jhr, von Arbeit matt, zu würcken je verdrüßen?
GOTT will. Den Augenblick ist alles schon vollbracht;
Es ist JHM alles leicht, nichts hemmet Seine Macht,
Und nichts verheelt dem heitren Weisheits-Licht
Die Ordnung, die ES Selbst erricht't.
Hat in der Unermäßlichkeit,
Die ewig fruchtbar ist, die nichts erfüllen
Und nichts umschräncken kan, es seinem Willen
Gar keine Müh' gemacht, die Welt hervor zu führen:
Sollt' es JHM Mühe seyn, dieselbe zu regieren?


Allein,
Lasst uns die Geister nur, die nicht zu biegen seyn,
Jn ihrem schändlichen und groben Jrrthum lassen!
Wir können unsern Grund durch andre Proben fassen.
Die Proben geben uns das grosse Wesen,
So durch die Sinne nicht zu fassen ist, zu lesen.
Wir wollen anfangs sehn in Einfalt einerley,
Was die Materie, was die Bewegung sey.
Wenn wir verspüren,
Daß Vorwürff' uns umgeben, die uns rühren;
Was können doch für Eigenschafften,
Nach unserem Begriff', an selben hafften,
Wodurch sich in dem Sinn so manche Würckung prägt?
Was können wir vom Stoff, was von der Dehnung
dencken?
Als daß sie sind gebildet und bewegt;
Wir
E 3
Von GOTT.


Wie kan man doch die ew’ge Weisheit ſchlieſſen,
Jn eine niedrige Gleichguͤltigkeit,
Jn eine ſchimpfliche Vergeſſenheit?
Kan Jhr, von Arbeit matt, zu wuͤrcken je verdruͤßen?
GOTT will. Den Augenblick iſt alles ſchon vollbracht;
Es iſt JHM alles leicht, nichts hemmet Seine Macht,
Und nichts verheelt dem heitren Weisheits-Licht
Die Ordnung, die ES Selbſt erricht’t.
Hat in der Unermaͤßlichkeit,
Die ewig fruchtbar iſt, die nichts erfuͤllen
Und nichts umſchraͤncken kan, es ſeinem Willen
Gar keine Muͤh’ gemacht, die Welt hervor zu fuͤhren:
Sollt’ es JHM Muͤhe ſeyn, dieſelbe zu regieren?


Allein,
Laſſt uns die Geiſter nur, die nicht zu biegen ſeyn,
Jn ihrem ſchaͤndlichen und groben Jrrthum laſſen!
Wir koͤnnen unſern Grund durch andre Proben faſſen.
Die Proben geben uns das groſſe Weſen,
So durch die Sinne nicht zu faſſen iſt, zu leſen.
Wir wollen anfangs ſehn in Einfalt einerley,
Was die Materie, was die Bewegung ſey.
Wenn wir verſpuͤren,
Daß Vorwuͤrff’ uns umgeben, die uns ruͤhren;
Was koͤnnen doch fuͤr Eigenſchafften,
Nach unſerem Begriff’, an ſelben hafften,
Wodurch ſich in dem Sinn ſo manche Wuͤrckung praͤgt?
Was koͤnnen wir vom Stoff, was von der Dehnung
dencken?
Als daß ſie ſind gebildet und bewegt;
Wir
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0099" n="69"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von GOTT.</hi> </fw><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">W</hi>ie kan man doch die <hi rendition="#fr">ew&#x2019;ge Weisheit</hi> &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
                <l>Jn eine niedrige Gleichgu&#x0364;ltigkeit,</l><lb/>
                <l>Jn eine &#x017F;chimpfliche Verge&#x017F;&#x017F;enheit?</l><lb/>
                <l>Kan Jhr, von Arbeit matt, zu wu&#x0364;rcken je verdru&#x0364;ßen?</l><lb/>
                <l>GOTT <hi rendition="#fr">will.</hi> Den Augenblick i&#x017F;t alles &#x017F;chon vollbracht;</l><lb/>
                <l>Es i&#x017F;t JHM alles leicht, nichts hemmet Seine Macht,</l><lb/>
                <l>Und nichts verheelt dem heitren Weisheits-Licht</l><lb/>
                <l>Die Ordnung, die ES <hi rendition="#fr">Selb&#x017F;t</hi> erricht&#x2019;t.</l><lb/>
                <l>Hat in der Unerma&#x0364;ßlichkeit,</l><lb/>
                <l>Die ewig fruchtbar i&#x017F;t, die nichts erfu&#x0364;llen</l><lb/>
                <l>Und nichts um&#x017F;chra&#x0364;ncken kan, es &#x017F;einem Willen</l><lb/>
                <l>Gar keine Mu&#x0364;h&#x2019; gemacht, die Welt hervor zu fu&#x0364;hren:</l><lb/>
                <l>Sollt&#x2019; es JHM Mu&#x0364;he &#x017F;eyn, die&#x017F;elbe zu regieren?</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">A</hi>llein,</l><lb/>
                <l>La&#x017F;&#x017F;t uns die Gei&#x017F;ter nur, die nicht zu biegen &#x017F;eyn,</l><lb/>
                <l>Jn ihrem &#x017F;cha&#x0364;ndlichen und groben Jrrthum la&#x017F;&#x017F;en!</l><lb/>
                <l>Wir ko&#x0364;nnen un&#x017F;ern Grund durch andre Proben fa&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
                <l>Die Proben geben uns das <hi rendition="#fr">gro&#x017F;&#x017F;e We&#x017F;en,</hi></l><lb/>
                <l>So durch die Sinne nicht zu fa&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, zu le&#x017F;en.</l><lb/>
                <l>Wir wollen anfangs &#x017F;ehn in Einfalt einerley,</l><lb/>
                <l>Was die <hi rendition="#fr">Materie,</hi> was die <hi rendition="#fr">Bewegung</hi> &#x017F;ey.</l><lb/>
                <l>Wenn wir ver&#x017F;pu&#x0364;ren,</l><lb/>
                <l>Daß Vorwu&#x0364;rff&#x2019; uns umgeben, die uns ru&#x0364;hren;</l><lb/>
                <l>Was ko&#x0364;nnen doch fu&#x0364;r Eigen&#x017F;chafften,</l><lb/>
                <l>Nach un&#x017F;erem Begriff&#x2019;, an &#x017F;elben hafften,</l><lb/>
                <l>Wodurch &#x017F;ich in dem Sinn &#x017F;o manche Wu&#x0364;rckung pra&#x0364;gt?</l><lb/>
                <l>Was ko&#x0364;nnen wir vom <hi rendition="#fr">Stoff,</hi> was von der <hi rendition="#fr">Dehnung</hi></l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">dencken?</hi> </l><lb/>
                <l>Als daß &#x017F;ie &#x017F;ind <hi rendition="#fr">gebildet</hi> und <hi rendition="#fr">bewegt;</hi></l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">E 3</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Wir</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0099] Von GOTT. Wie kan man doch die ew’ge Weisheit ſchlieſſen, Jn eine niedrige Gleichguͤltigkeit, Jn eine ſchimpfliche Vergeſſenheit? Kan Jhr, von Arbeit matt, zu wuͤrcken je verdruͤßen? GOTT will. Den Augenblick iſt alles ſchon vollbracht; Es iſt JHM alles leicht, nichts hemmet Seine Macht, Und nichts verheelt dem heitren Weisheits-Licht Die Ordnung, die ES Selbſt erricht’t. Hat in der Unermaͤßlichkeit, Die ewig fruchtbar iſt, die nichts erfuͤllen Und nichts umſchraͤncken kan, es ſeinem Willen Gar keine Muͤh’ gemacht, die Welt hervor zu fuͤhren: Sollt’ es JHM Muͤhe ſeyn, dieſelbe zu regieren? Allein, Laſſt uns die Geiſter nur, die nicht zu biegen ſeyn, Jn ihrem ſchaͤndlichen und groben Jrrthum laſſen! Wir koͤnnen unſern Grund durch andre Proben faſſen. Die Proben geben uns das groſſe Weſen, So durch die Sinne nicht zu faſſen iſt, zu leſen. Wir wollen anfangs ſehn in Einfalt einerley, Was die Materie, was die Bewegung ſey. Wenn wir verſpuͤren, Daß Vorwuͤrff’ uns umgeben, die uns ruͤhren; Was koͤnnen doch fuͤr Eigenſchafften, Nach unſerem Begriff’, an ſelben hafften, Wodurch ſich in dem Sinn ſo manche Wuͤrckung praͤgt? Was koͤnnen wir vom Stoff, was von der Dehnung dencken? Als daß ſie ſind gebildet und bewegt; Wir E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/99
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/99>, abgerufen am 22.11.2024.