Kann durch den schwartzen Dunst der schnöden Lügen sehn! Gieb, daß ich offt den Zweck von meinem Amt ermesse, Und nie der Billigkeit und meiner Pflicht vergesse; Die Frommen nemlich zu beschützen, Die Bösen, kann es seyn, zur Besserung zu leiten, Und die Grund-Bösen auszureuten!
Ach laß mir kein Geschenck die reine Hand beschmitzen! Laß keine Menschen-Furcht bey mir das Recht verdrehn, Um etwan die Person im Richten anzusehn! Laß mich mit Redlichkeit und Treu mein Amt verwalten, Und Reich-und Armen gleich, der Wage Zünglein halten!
Ach HERR! ach laß es nicht geschehn, Daß, durch Affecten weggerissen, Jch übereilet, mich im Urtheln mag vergehn! Ach gieb mir Wissen und Gewissen! Gieb mir Geduld, bedächtlich anzuhören, Und laß nie Ungeduld gerechte Klagen stöhren! Ach mache mein Gedächtniß kräfftig! Ach schärfft mir den denckenden Verstand! Ach mache mir das rechte Recht bekannt! Mein Wille sey nie träg! vielmehr geschäfftig! Laß mich aus Leidenschafft doch keine frembde Sachen Zu meiner Sache machen! Laß mich, aus Ungunst, Haß und Neid, Am höchsten Recht zu starck nicht kleben, Auch niemand etwas Unrechts geben, Aus ungegründeter Barmhertzigkeit! Wenn meine Zung' ein Urtheil spricht, Sey es dem Redlichen ergötzlich. Ach HERR! es sey mir Dein Gericht, Mehr, als den Streitenden, entsetzlich.
Denn
Kann durch den ſchwartzen Dunſt der ſchnoͤden Luͤgen ſehn! Gieb, daß ich offt den Zweck von meinem Amt ermeſſe, Und nie der Billigkeit und meiner Pflicht vergeſſe; Die Frommen nemlich zu beſchuͤtzen, Die Boͤſen, kann es ſeyn, zur Beſſerung zu leiten, Und die Grund-Boͤſen auszureuten!
Ach laß mir kein Geſchenck die reine Hand beſchmitzen! Laß keine Menſchen-Furcht bey mir das Recht verdrehn, Um etwan die Perſon im Richten anzuſehn! Laß mich mit Redlichkeit und Treu mein Amt verwalten, Und Reich-und Armen gleich, der Wage Zuͤnglein halten!
Ach HERR! ach laß es nicht geſchehn, Daß, durch Affecten weggeriſſen, Jch uͤbereilet, mich im Urtheln mag vergehn! Ach gieb mir Wiſſen und Gewiſſen! Gieb mir Geduld, bedaͤchtlich anzuhoͤren, Und laß nie Ungeduld gerechte Klagen ſtoͤhren! Ach mache mein Gedaͤchtniß kraͤfftig! Ach ſchaͤrfft mir den denckenden Verſtand! Ach mache mir das rechte Recht bekannt! Mein Wille ſey nie traͤg! vielmehr geſchaͤfftig! Laß mich aus Leidenſchafft doch keine frembde Sachen Zu meiner Sache machen! Laß mich, aus Ungunſt, Haß und Neid, Am hoͤchſten Recht zu ſtarck nicht kleben, Auch niemand etwas Unrechts geben, Aus ungegruͤndeter Barmhertzigkeit! Wenn meine Zung’ ein Urtheil ſpricht, Sey es dem Redlichen ergoͤtzlich. Ach HERR! es ſey mir Dein Gericht, Mehr, als den Streitenden, entſetzlich.
Denn
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Kann durch den ſchwartzen Dunſt der ſchnoͤden Luͤgen
ſehn!
Gieb, daß ich offt den Zweck von meinem Amt ermeſſe,
Und nie der Billigkeit und meiner Pflicht vergeſſe;
Die Frommen nemlich zu beſchuͤtzen,
Die Boͤſen, kann es ſeyn, zur Beſſerung zu leiten,
Und die Grund-Boͤſen auszureuten!
Ach laß mir kein Geſchenck die reine Hand beſchmitzen!
Laß keine Menſchen-Furcht bey mir das Recht verdrehn,
Um etwan die Perſon im Richten anzuſehn!
Laß mich mit Redlichkeit und Treu mein Amt verwalten,
Und Reich-und Armen gleich, der Wage Zuͤnglein halten!
Ach HERR! ach laß es nicht geſchehn,
Daß, durch Affecten weggeriſſen,
Jch uͤbereilet, mich im Urtheln mag vergehn!
Ach gieb mir Wiſſen und Gewiſſen!
Gieb mir Geduld, bedaͤchtlich anzuhoͤren,
Und laß nie Ungeduld gerechte Klagen ſtoͤhren!
Ach mache mein Gedaͤchtniß kraͤfftig!
Ach ſchaͤrfft mir den denckenden Verſtand!
Ach mache mir das rechte Recht bekannt!
Mein Wille ſey nie traͤg! vielmehr geſchaͤfftig!
Laß mich aus Leidenſchafft doch keine frembde Sachen
Zu meiner Sache machen!
Laß mich, aus Ungunſt, Haß und Neid,
Am hoͤchſten Recht zu ſtarck nicht kleben,
Auch niemand etwas Unrechts geben,
Aus ungegruͤndeter Barmhertzigkeit!
Wenn meine Zung’ ein Urtheil ſpricht,
Sey es dem Redlichen ergoͤtzlich.
Ach HERR! es ſey mir Dein Gericht,
Mehr, als den Streitenden, entſetzlich.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 690. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/720>, abgerufen am 16.07.2024.
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