Bey Träumen sich geschäfftig weist, Da wir im Traum offt ernsthafft disputiren, Und, wie bereits gesagt, auch gar poetisiren.
So wie die Cörper Cörper zeugen; So ist es unsern Seelen eigen, Gedancken aus sich selbst hervor zu bringen: Die Kinder nun, die aus der Seel' entspringen, Sind auch im Traum so gar ein Theil von unsrer Seelen, Wie man ja dieses deutlich spürt, Wird unsre Seele nicht in Träumen starck gerührt, Verursacht ihr ein Traum nicht ein empfindlichs Quälen? Wird sie nicht auch gar offt in Traum ergötzt? Kann nicht ein Traum ihr Angst und Grauen, Furcht und Schrecken, Und solche Leidenschafft und Regungen erwecken, Daß sie dadurch gantz aus sich selbst gesetzt, Das Blut in Adern treibt, Schweiß aus dem Cörper preßt, Und wahre Thränen fliessen lässt.
Dies kann uns nun zugleich entdecken, Wie sehr die Seele auch in Traum, durch Gram und Pein, Offt sehr bewegt, offt sehr empfindlich seyn. Entsetzlich ist die Angst, unleidlich ist der Schmertz, So uns ein schwerer Traum erwecken, Und in uns würcken kann. Wenn das beklemmte Hertz, Von banger Furcht erfüllt, blutgier'ge Räuber schrecken, Die in geschwärtzten Mörder-Hölen, Uns zu zersleischen, zu entseelen, Mit Stahl und Flammen drohn. Wenn aufgesperrte Ra- chen, Von Tigern, Basilisken, Drachen, Um uns zu würgen, zu zersticken,
Den
Bey Traͤumen ſich geſchaͤfftig weiſt, Da wir im Traum offt ernſthafft diſputiren, Und, wie bereits geſagt, auch gar poetiſiren.
So wie die Coͤrper Coͤrper zeugen; So iſt es unſern Seelen eigen, Gedancken aus ſich ſelbſt hervor zu bringen: Die Kinder nun, die aus der Seel’ entſpringen, Sind auch im Traum ſo gar ein Theil von unſrer Seelen, Wie man ja dieſes deutlich ſpuͤrt, Wird unſre Seele nicht in Traͤumen ſtarck geruͤhrt, Verurſacht ihr ein Traum nicht ein empfindlichs Quaͤlen? Wird ſie nicht auch gar offt in Traum ergoͤtzt? Kann nicht ein Traum ihr Angſt und Grauen, Furcht und Schrecken, Und ſolche Leidenſchafft und Regungen erwecken, Daß ſie dadurch gantz aus ſich ſelbſt geſetzt, Das Blut in Adern treibt, Schweiß aus dem Coͤrper preßt, Und wahre Thraͤnen flieſſen laͤſſt.
Dies kann uns nun zugleich entdecken, Wie ſehr die Seele auch in Traum, durch Gram und Pein, Offt ſehr bewegt, offt ſehr empfindlich ſeyn. Entſetzlich iſt die Angſt, unleidlich iſt der Schmertz, So uns ein ſchwerer Traum erwecken, Und in uns wuͤrcken kann. Wenn das beklemmte Hertz, Von banger Furcht erfuͤllt, blutgier’ge Raͤuber ſchrecken, Die in geſchwaͤrtzten Moͤrder-Hoͤlen, Uns zu zerſleiſchen, zu entſeelen, Mit Stahl und Flammen drohn. Wenn aufgeſperrte Ra- chen, Von Tigern, Baſilisken, Drachen, Um uns zu wuͤrgen, zu zerſticken,
Den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0712"n="682"/><l>Bey Traͤumen ſich geſchaͤfftig weiſt,</l><lb/><l>Da wir im Traum offt ernſthafft diſputiren,</l><lb/><l>Und, wie bereits geſagt, auch gar poetiſiren.</l></lg><lb/><lgtype="poem"><l>So wie die Coͤrper Coͤrper zeugen;</l><lb/><l>So iſt es unſern Seelen eigen,</l><lb/><l>Gedancken aus ſich ſelbſt hervor zu bringen:</l><lb/><l>Die Kinder nun, die aus der Seel’ entſpringen,</l><lb/><l>Sind auch im Traum ſo gar ein Theil von unſrer Seelen,</l><lb/><l>Wie man ja dieſes deutlich ſpuͤrt,</l><lb/><l>Wird unſre Seele nicht in Traͤumen ſtarck geruͤhrt,</l><lb/><l>Verurſacht ihr ein Traum nicht ein empfindlichs Quaͤlen?</l><lb/><l>Wird ſie nicht auch gar offt in Traum ergoͤtzt?</l><lb/><l>Kann nicht ein Traum ihr Angſt und Grauen, Furcht und</l><lb/><l><hirendition="#et">Schrecken,</hi></l><lb/><l>Und ſolche Leidenſchafft und Regungen erwecken,</l><lb/><l>Daß ſie dadurch gantz aus ſich ſelbſt geſetzt,</l><lb/><l>Das Blut in Adern treibt, Schweiß aus dem Coͤrper preßt,</l><lb/><l>Und wahre Thraͤnen flieſſen laͤſſt.</l></lg><lb/><lgtype="poem"><l>Dies kann uns nun zugleich entdecken,</l><lb/><l>Wie ſehr die Seele auch in Traum, durch Gram und Pein,</l><lb/><l>Offt ſehr bewegt, offt ſehr empfindlich ſeyn.</l><lb/><l>Entſetzlich iſt die Angſt, unleidlich iſt der Schmertz,</l><lb/><l>So uns ein ſchwerer Traum erwecken,</l><lb/><l>Und in uns wuͤrcken kann. Wenn das beklemmte Hertz,</l><lb/><l>Von banger Furcht erfuͤllt, blutgier’ge Raͤuber ſchrecken,</l><lb/><l>Die in geſchwaͤrtzten Moͤrder-Hoͤlen,</l><lb/><l>Uns zu zerſleiſchen, zu entſeelen,</l><lb/><l>Mit Stahl und Flammen drohn. Wenn aufgeſperrte Ra-</l><lb/><l><hirendition="#et">chen,</hi></l><lb/><l>Von Tigern, Baſilisken, Drachen,</l><lb/><l>Um uns zu wuͤrgen, zu zerſticken,</l><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Den</fw><lb/></lg></div></div></body></text></TEI>
[682/0712]
Bey Traͤumen ſich geſchaͤfftig weiſt,
Da wir im Traum offt ernſthafft diſputiren,
Und, wie bereits geſagt, auch gar poetiſiren.
So wie die Coͤrper Coͤrper zeugen;
So iſt es unſern Seelen eigen,
Gedancken aus ſich ſelbſt hervor zu bringen:
Die Kinder nun, die aus der Seel’ entſpringen,
Sind auch im Traum ſo gar ein Theil von unſrer Seelen,
Wie man ja dieſes deutlich ſpuͤrt,
Wird unſre Seele nicht in Traͤumen ſtarck geruͤhrt,
Verurſacht ihr ein Traum nicht ein empfindlichs Quaͤlen?
Wird ſie nicht auch gar offt in Traum ergoͤtzt?
Kann nicht ein Traum ihr Angſt und Grauen, Furcht und
Schrecken,
Und ſolche Leidenſchafft und Regungen erwecken,
Daß ſie dadurch gantz aus ſich ſelbſt geſetzt,
Das Blut in Adern treibt, Schweiß aus dem Coͤrper preßt,
Und wahre Thraͤnen flieſſen laͤſſt.
Dies kann uns nun zugleich entdecken,
Wie ſehr die Seele auch in Traum, durch Gram und Pein,
Offt ſehr bewegt, offt ſehr empfindlich ſeyn.
Entſetzlich iſt die Angſt, unleidlich iſt der Schmertz,
So uns ein ſchwerer Traum erwecken,
Und in uns wuͤrcken kann. Wenn das beklemmte Hertz,
Von banger Furcht erfuͤllt, blutgier’ge Raͤuber ſchrecken,
Die in geſchwaͤrtzten Moͤrder-Hoͤlen,
Uns zu zerſleiſchen, zu entſeelen,
Mit Stahl und Flammen drohn. Wenn aufgeſperrte Ra-
chen,
Von Tigern, Baſilisken, Drachen,
Um uns zu wuͤrgen, zu zerſticken,
Den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/712>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.