Das nicht zu seiner Lust bestimmet, Das er nicht fühlen kann, das er nicht immer fühlt, Das nicht auch mit auf seine Freude zielt. Wie unbegreifflich wird die Lust, die allgemein, Die aus unzählbaren Vergnügungen bestehen, Die alle fühlbar sind, und tieff aus Hertze gehen; Jn ihrem gäntzlichen Zusammenhang nicht seyn!
Auf Erden ist der Menschen Lust So eng' verschrenckt, daß unsre Brust Aus einer Sache nur auf einmahl Freud' empfindet, Und solches nur auf kurtze Zeit: Dort aber wird die Seel', und zwar in Ewigkeit, Mit einer tausendfachen Krafft, Mit einer gleichsam nicht umschränckten Eigenschafft, Die Göttlichen Geschöpffe zu begreiffen, Die Fähigkeit noch immer häuffen. Die Seel' ist ja schon hier geschickt sich auszubreiten, Jn unterschiednen Fähigkeiten. Sie kan verlangen, lieben, sehn, Empfinden, froh seyn und verstehn: Was sie nun einzeln hier und nicht auf einmahl kann, Das wird vermuthlich dort vereint, verbunden, Jn vollenkomm'ner Lust, zugleich von ihr empfunden. Ja, wie die Vorwürff auf der Erden, Wodurch die Sinnen hier vergnügt beschäfftigt werden, Ohn Ende fast und sonder Zahl; So können auch durch GOTT viel tausend, tausendmahl Die Fähigkeiten selbst sich mehren, Die alle wiederum, die Seel'gen zu vergnügen, Unzählbar schöne Vorwürff kriegen.
Jndem
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Das nicht zu ſeiner Luſt beſtimmet, Das er nicht fuͤhlen kann, das er nicht immer fuͤhlt, Das nicht auch mit auf ſeine Freude zielt. Wie unbegreifflich wird die Luſt, die allgemein, Die aus unzaͤhlbaren Vergnuͤgungen beſtehen, Die alle fuͤhlbar ſind, und tieff aus Hertze gehen; Jn ihrem gaͤntzlichen Zuſammenhang nicht ſeyn!
Auf Erden iſt der Menſchen Luſt So eng’ verſchrenckt, daß unſre Bruſt Aus einer Sache nur auf einmahl Freud’ empfindet, Und ſolches nur auf kurtze Zeit: Dort aber wird die Seel’, und zwar in Ewigkeit, Mit einer tauſendfachen Krafft, Mit einer gleichſam nicht umſchraͤnckten Eigenſchafft, Die Goͤttlichen Geſchoͤpffe zu begreiffen, Die Faͤhigkeit noch immer haͤuffen. Die Seel’ iſt ja ſchon hier geſchickt ſich auszubreiten, Jn unterſchiednen Faͤhigkeiten. Sie kan verlangen, lieben, ſehn, Empfinden, froh ſeyn und verſtehn: Was ſie nun einzeln hier und nicht auf einmahl kann, Das wird vermuthlich dort vereint, verbunden, Jn vollenkomm’ner Luſt, zugleich von ihr empfunden. Ja, wie die Vorwuͤrff auf der Erden, Wodurch die Sinnen hier vergnuͤgt beſchaͤfftigt werden, Ohn Ende faſt und ſonder Zahl; So koͤnnen auch durch GOTT viel tauſend, tauſendmahl Die Faͤhigkeiten ſelbſt ſich mehren, Die alle wiederum, die Seel’gen zu vergnuͤgen, Unzaͤhlbar ſchoͤne Vorwuͤrff kriegen.
Jndem
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Das nicht zu ſeiner Luſt beſtimmet,
Das er nicht fuͤhlen kann, das er nicht immer fuͤhlt,
Das nicht auch mit auf ſeine Freude zielt.
Wie unbegreifflich wird die Luſt, die allgemein,
Die aus unzaͤhlbaren Vergnuͤgungen beſtehen,
Die alle fuͤhlbar ſind, und tieff aus Hertze gehen;
Jn ihrem gaͤntzlichen Zuſammenhang nicht ſeyn!
Auf Erden iſt der Menſchen Luſt
So eng’ verſchrenckt, daß unſre Bruſt
Aus einer Sache nur auf einmahl Freud’ empfindet,
Und ſolches nur auf kurtze Zeit:
Dort aber wird die Seel’, und zwar in Ewigkeit,
Mit einer tauſendfachen Krafft,
Mit einer gleichſam nicht umſchraͤnckten Eigenſchafft,
Die Goͤttlichen Geſchoͤpffe zu begreiffen,
Die Faͤhigkeit noch immer haͤuffen.
Die Seel’ iſt ja ſchon hier geſchickt ſich auszubreiten,
Jn unterſchiednen Faͤhigkeiten.
Sie kan verlangen, lieben, ſehn,
Empfinden, froh ſeyn und verſtehn:
Was ſie nun einzeln hier und nicht auf einmahl kann,
Das wird vermuthlich dort vereint, verbunden,
Jn vollenkomm’ner Luſt, zugleich von ihr empfunden.
Ja, wie die Vorwuͤrff auf der Erden,
Wodurch die Sinnen hier vergnuͤgt beſchaͤfftigt werden,
Ohn Ende faſt und ſonder Zahl;
So koͤnnen auch durch GOTT viel tauſend, tauſendmahl
Die Faͤhigkeiten ſelbſt ſich mehren,
Die alle wiederum, die Seel’gen zu vergnuͤgen,
Unzaͤhlbar ſchoͤne Vorwuͤrff kriegen.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/689>, abgerufen am 16.02.2025.
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