Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Seele nun sich wird begabet finden
Mit solcher dauernden Beschaffenheit,
Mit so geschäff tigen und reinen Lebens-Geistern;
Wie aufgeklärt, wie lebhafft werden nicht
Derselben Kräffte seyn? Als wie ein schnelles Licht,
Wird sie die dickste Dunckelheit
Des Zweifels schnell durchdringen und bemeistern.
Es wird des Geistes Fähigkeit
Um desto mehr erhöht, gestärcket und erweitert,
Vermehrt und ausgeheitert,
Je hurtiger, subtiler und geschwinder,
Die Werckzeug' ihrer Handlung seyn.
Es dringt der Geist in alles schnell hinein,
Es mögen sich die Schwürigkeiten häuffen;
Er ist geschickt sie alle zu begreiffen.
Er kan geschwind und richtig schliessen,
Wie Sachen aus einander fliessen.
Es öffnet sich vor ihm die Wahrheit.
Gedächtniß nebst der Phantasey,
Sind in viel grössrer Stärck und Klarheit,
Als sie auf Erden
Bey Sterblichen gefunden werden.
Am meisten schien bey uns der Seelen vorgeschrieben,
Jm Tugend-Pfad einher zu gehn,
Sich in unsträfflichen Verrichtungen zu üben,
Und nicht so sehr auf Wissenschafft zu sehn:
Dort aber, in der Seeligkeit,
Wird sie sich immer höher schwingen,
Und, sonder Unvollkommenheit,
Die allertieffste Wissenschafft,
Die allerdunckelsten Geheimnisse durchdringen.
Welch
S s 4
Die Seele nun ſich wird begabet finden
Mit ſolcher dauernden Beſchaffenheit,
Mit ſo geſchaͤff tigen und reinen Lebens-Geiſtern;
Wie aufgeklaͤrt, wie lebhafft werden nicht
Derſelben Kraͤffte ſeyn? Als wie ein ſchnelles Licht,
Wird ſie die dickſte Dunckelheit
Des Zweifels ſchnell durchdringen und bemeiſtern.
Es wird des Geiſtes Faͤhigkeit
Um deſto mehr erhoͤht, geſtaͤrcket und erweitert,
Vermehrt und ausgeheitert,
Je hurtiger, ſubtiler und geſchwinder,
Die Werckzeug’ ihrer Handlung ſeyn.
Es dringt der Geiſt in alles ſchnell hinein,
Es moͤgen ſich die Schwuͤrigkeiten haͤuffen;
Er iſt geſchickt ſie alle zu begreiffen.
Er kan geſchwind und richtig ſchlieſſen,
Wie Sachen aus einander flieſſen.
Es oͤffnet ſich vor ihm die Wahrheit.
Gedaͤchtniß nebſt der Phantaſey,
Sind in viel groͤſſrer Staͤrck und Klarheit,
Als ſie auf Erden
Bey Sterblichen gefunden werden.
Am meiſten ſchien bey uns der Seelen vorgeſchrieben,
Jm Tugend-Pfad einher zu gehn,
Sich in unſtraͤfflichen Verrichtungen zu uͤben,
Und nicht ſo ſehr auf Wiſſenſchafft zu ſehn:
Dort aber, in der Seeligkeit,
Wird ſie ſich immer hoͤher ſchwingen,
Und, ſonder Unvollkommenheit,
Die allertieffſte Wiſſenſchafft,
Die allerdunckelſten Geheimniſſe durchdringen.
Welch
S s 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0677" n="647"/>
            <l>Die Seele nun &#x017F;ich wird begabet finden</l><lb/>
            <l>Mit &#x017F;olcher dauernden Be&#x017F;chaffenheit,</l><lb/>
            <l>Mit &#x017F;o ge&#x017F;cha&#x0364;ff tigen und reinen Lebens-Gei&#x017F;tern;</l><lb/>
            <l>Wie aufgekla&#x0364;rt, wie lebhafft werden nicht</l><lb/>
            <l>Der&#x017F;elben Kra&#x0364;ffte &#x017F;eyn? Als wie ein &#x017F;chnelles Licht,</l><lb/>
            <l>Wird &#x017F;ie die dick&#x017F;te Dunckelheit</l><lb/>
            <l>Des Zweifels &#x017F;chnell durchdringen und bemei&#x017F;tern.</l><lb/>
            <l>Es wird des Gei&#x017F;tes Fa&#x0364;higkeit</l><lb/>
            <l>Um de&#x017F;to mehr erho&#x0364;ht, ge&#x017F;ta&#x0364;rcket und erweitert,</l><lb/>
            <l>Vermehrt und ausgeheitert,</l><lb/>
            <l>Je hurtiger, &#x017F;ubtiler und ge&#x017F;chwinder,</l><lb/>
            <l>Die Werckzeug&#x2019; ihrer Handlung &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Es dringt der Gei&#x017F;t in alles &#x017F;chnell hinein,</l><lb/>
            <l>Es mo&#x0364;gen &#x017F;ich die Schwu&#x0364;rigkeiten ha&#x0364;uffen;</l><lb/>
            <l>Er i&#x017F;t ge&#x017F;chickt &#x017F;ie alle zu begreiffen.</l><lb/>
            <l>Er kan ge&#x017F;chwind und richtig &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Wie Sachen aus einander flie&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
            <l>Es o&#x0364;ffnet &#x017F;ich vor ihm die Wahrheit.</l><lb/>
            <l>Geda&#x0364;chtniß neb&#x017F;t der Phanta&#x017F;ey,</l><lb/>
            <l>Sind in viel gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;rer Sta&#x0364;rck und Klarheit,</l><lb/>
            <l>Als &#x017F;ie auf Erden</l><lb/>
            <l>Bey Sterblichen gefunden werden.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Am mei&#x017F;ten &#x017F;chien bey uns der Seelen vorge&#x017F;chrieben,</l><lb/>
            <l>Jm Tugend-Pfad einher zu gehn,</l><lb/>
            <l>Sich in un&#x017F;tra&#x0364;fflichen Verrichtungen zu u&#x0364;ben,</l><lb/>
            <l>Und nicht &#x017F;o &#x017F;ehr auf Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft zu &#x017F;ehn:</l><lb/>
            <l>Dort aber, in der Seeligkeit,</l><lb/>
            <l>Wird &#x017F;ie &#x017F;ich immer ho&#x0364;her &#x017F;chwingen,</l><lb/>
            <l>Und, &#x017F;onder Unvollkommenheit,</l><lb/>
            <l>Die allertieff&#x017F;te Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft,</l><lb/>
            <l>Die allerdunckel&#x017F;ten Geheimni&#x017F;&#x017F;e durchdringen.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">S s 4</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Welch</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[647/0677] Die Seele nun ſich wird begabet finden Mit ſolcher dauernden Beſchaffenheit, Mit ſo geſchaͤff tigen und reinen Lebens-Geiſtern; Wie aufgeklaͤrt, wie lebhafft werden nicht Derſelben Kraͤffte ſeyn? Als wie ein ſchnelles Licht, Wird ſie die dickſte Dunckelheit Des Zweifels ſchnell durchdringen und bemeiſtern. Es wird des Geiſtes Faͤhigkeit Um deſto mehr erhoͤht, geſtaͤrcket und erweitert, Vermehrt und ausgeheitert, Je hurtiger, ſubtiler und geſchwinder, Die Werckzeug’ ihrer Handlung ſeyn. Es dringt der Geiſt in alles ſchnell hinein, Es moͤgen ſich die Schwuͤrigkeiten haͤuffen; Er iſt geſchickt ſie alle zu begreiffen. Er kan geſchwind und richtig ſchlieſſen, Wie Sachen aus einander flieſſen. Es oͤffnet ſich vor ihm die Wahrheit. Gedaͤchtniß nebſt der Phantaſey, Sind in viel groͤſſrer Staͤrck und Klarheit, Als ſie auf Erden Bey Sterblichen gefunden werden. Am meiſten ſchien bey uns der Seelen vorgeſchrieben, Jm Tugend-Pfad einher zu gehn, Sich in unſtraͤfflichen Verrichtungen zu uͤben, Und nicht ſo ſehr auf Wiſſenſchafft zu ſehn: Dort aber, in der Seeligkeit, Wird ſie ſich immer hoͤher ſchwingen, Und, ſonder Unvollkommenheit, Die allertieffſte Wiſſenſchafft, Die allerdunckelſten Geheimniſſe durchdringen. Welch S s 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/677
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 647. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/677>, abgerufen am 16.07.2024.