Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Die sie bisher gar offt zu foltern pflegen, Dahin, verschwunden und vergangen, Da sie nunmehr die Ehren-Kron empfangen, Und also sicher sind, sie nimmer zu verlieren. Welch ein entzückend Feur der Anmuth muß sie rühren! Welch ein verwunderndes und fröliches Bewegen Muß sich im gantzen Wesen regen! Welch überschwengliches und innerlichs Ergetzen Muß sie von süsser Lieb in frohe Brunst versetzen! Wie groß allein ist nicht das Glück, von Kummer, Leiden, Von Noth, Verdrießlichkeit, von Schmertzen, Plag und Pein, Auf einmal frey, erlös't, ja gar in ew'gen Freuden, Ohn End' und ewiglich versetzt zu seyn! Es ist nicht nur Furcht, Zweifel, Angst und Quälen, Sammt allen Widrigen, was sie auf Erden nagte, Und allen Schröcklichen, was sie auf Erden plagte, Sodann als wie ein Dunst, verschwunden und dahin; Verspottung, Tyranney, Beschimpffung, Zanck und Neid, Verfolgung, Lästerung, Verleumdung, Haß und Streit Zerfoltern ferner nicht dem immer heitern Sinn. Von dem nichtswerthem Theil der Menschen sind sie nun, Umringt von seel'ger Ruh, erfüllt mit ew'gen Frieden, Durch eine grosse Klufft geschieden: Mit niemand haben sie nunmehr zu thun, Als bloß allein mit solchen Seelen, Die auch, wie sie, befreyt von allen Quälen, Mit ihnen einen Zweck und eine Neigung hegen. Die Unsrigen, die wir Mit grosser Zärtlichkeit allhier Geliebet, wird man dort, Nach einem langen Scheiden, Mit
Die ſie bisher gar offt zu foltern pflegen, Dahin, verſchwunden und vergangen, Da ſie nunmehr die Ehren-Kron empfangen, Und alſo ſicher ſind, ſie nimmer zu verlieren. Welch ein entzuͤckend Feur der Anmuth muß ſie ruͤhren! Welch ein verwunderndes und froͤliches Bewegen Muß ſich im gantzen Weſen regen! Welch uͤberſchwengliches und innerlichs Ergetzen Muß ſie von ſuͤſſer Lieb in frohe Brunſt verſetzen! Wie groß allein iſt nicht das Gluͤck, von Kummer, Leiden, Von Noth, Verdrießlichkeit, von Schmertzen, Plag und Pein, Auf einmal frey, erloͤſ’t, ja gar in ew’gen Freuden, Ohn End’ und ewiglich verſetzt zu ſeyn! Es iſt nicht nur Furcht, Zweifel, Angſt und Quaͤlen, Sammt allen Widrigen, was ſie auf Erden nagte, Und allen Schroͤcklichen, was ſie auf Erden plagte, Sodann als wie ein Dunſt, verſchwunden und dahin; Verſpottung, Tyranney, Beſchimpffung, Zanck und Neid, Verfolgung, Laͤſterung, Verleumdung, Haß und Streit Zerfoltern ferner nicht dem immer heitern Sinn. Von dem nichtswerthem Theil der Menſchen ſind ſie nun, Umringt von ſeel’ger Ruh, erfuͤllt mit ew’gen Frieden, Durch eine groſſe Klufft geſchieden: Mit niemand haben ſie nunmehr zu thun, Als bloß allein mit ſolchen Seelen, Die auch, wie ſie, befreyt von allen Quaͤlen, Mit ihnen einen Zweck und eine Neigung hegen. Die Unſrigen, die wir Mit groſſer Zaͤrtlichkeit allhier Geliebet, wird man dort, Nach einem langen Scheiden, Mit
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0670" n="640"/> <l>Die ſie bisher gar offt zu foltern pflegen,</l><lb/> <l>Dahin, verſchwunden und vergangen,</l><lb/> <l>Da ſie nunmehr die Ehren-Kron empfangen,</l><lb/> <l>Und alſo ſicher ſind, ſie nimmer zu verlieren.</l><lb/> <l>Welch ein entzuͤckend Feur der Anmuth muß ſie ruͤhren!</l><lb/> <l>Welch ein verwunderndes und froͤliches Bewegen</l><lb/> <l>Muß ſich im gantzen Weſen regen!</l><lb/> <l>Welch uͤberſchwengliches und innerlichs Ergetzen</l><lb/> <l>Muß ſie von ſuͤſſer Lieb in frohe Brunſt verſetzen!</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <l>Wie groß allein iſt nicht das Gluͤck, von Kummer, Leiden,</l><lb/> <l>Von Noth, Verdrießlichkeit, von Schmertzen, Plag und Pein,</l><lb/> <l>Auf einmal frey, erloͤſ’t, ja gar in ew’gen Freuden,</l><lb/> <l>Ohn End’ und ewiglich verſetzt zu ſeyn!</l><lb/> <l>Es iſt nicht nur Furcht, Zweifel, Angſt und Quaͤlen,</l><lb/> <l>Sammt allen Widrigen, was ſie auf Erden nagte,</l><lb/> <l>Und allen Schroͤcklichen, was ſie auf Erden plagte,</l><lb/> <l>Sodann als wie ein Dunſt, verſchwunden und dahin;</l><lb/> <l>Verſpottung, Tyranney, Beſchimpffung, Zanck und Neid,</l><lb/> <l>Verfolgung, Laͤſterung, Verleumdung, Haß und Streit</l><lb/> <l>Zerfoltern ferner nicht dem immer heitern Sinn.</l><lb/> <l>Von dem nichtswerthem Theil der Menſchen ſind ſie nun,</l><lb/> <l>Umringt von ſeel’ger Ruh, erfuͤllt mit ew’gen Frieden,</l><lb/> <l>Durch eine groſſe Klufft geſchieden:</l><lb/> <l>Mit niemand haben ſie nunmehr zu thun,</l><lb/> <l>Als bloß allein mit ſolchen Seelen,</l><lb/> <l>Die auch, wie ſie, befreyt von allen Quaͤlen,</l><lb/> <l>Mit ihnen einen Zweck und eine Neigung hegen.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <l>Die Unſrigen, die wir</l><lb/> <l>Mit groſſer Zaͤrtlichkeit allhier</l><lb/> <l>Geliebet, wird man dort,</l><lb/> <l>Nach einem langen Scheiden,</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Mit</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [640/0670]
Die ſie bisher gar offt zu foltern pflegen,
Dahin, verſchwunden und vergangen,
Da ſie nunmehr die Ehren-Kron empfangen,
Und alſo ſicher ſind, ſie nimmer zu verlieren.
Welch ein entzuͤckend Feur der Anmuth muß ſie ruͤhren!
Welch ein verwunderndes und froͤliches Bewegen
Muß ſich im gantzen Weſen regen!
Welch uͤberſchwengliches und innerlichs Ergetzen
Muß ſie von ſuͤſſer Lieb in frohe Brunſt verſetzen!
Wie groß allein iſt nicht das Gluͤck, von Kummer, Leiden,
Von Noth, Verdrießlichkeit, von Schmertzen, Plag und Pein,
Auf einmal frey, erloͤſ’t, ja gar in ew’gen Freuden,
Ohn End’ und ewiglich verſetzt zu ſeyn!
Es iſt nicht nur Furcht, Zweifel, Angſt und Quaͤlen,
Sammt allen Widrigen, was ſie auf Erden nagte,
Und allen Schroͤcklichen, was ſie auf Erden plagte,
Sodann als wie ein Dunſt, verſchwunden und dahin;
Verſpottung, Tyranney, Beſchimpffung, Zanck und Neid,
Verfolgung, Laͤſterung, Verleumdung, Haß und Streit
Zerfoltern ferner nicht dem immer heitern Sinn.
Von dem nichtswerthem Theil der Menſchen ſind ſie nun,
Umringt von ſeel’ger Ruh, erfuͤllt mit ew’gen Frieden,
Durch eine groſſe Klufft geſchieden:
Mit niemand haben ſie nunmehr zu thun,
Als bloß allein mit ſolchen Seelen,
Die auch, wie ſie, befreyt von allen Quaͤlen,
Mit ihnen einen Zweck und eine Neigung hegen.
Die Unſrigen, die wir
Mit groſſer Zaͤrtlichkeit allhier
Geliebet, wird man dort,
Nach einem langen Scheiden,
Mit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |