Allein, Kan Zweifeln ohne Dencken seyn? Jch zweifle nun: so denck ich sicherlich. Jch denck, ob ich auch sey? Dies überführet mich; Jch muß ja seyn, indem ich dencken kan. Nun denck ich ja; so bin ich dann.
Dies ist, mit unleugbarer Klarheit, Der Menschen allererste Wahrheit; Wir dencken; und dadurch erhellet, daß wir seyn. Durch Zweifel nun befreyt von allem falschen Schein, Muß ich mich weiter noch, dies zu gestehen, lencken: Daß ich ein Wesen sey, das fähig, zu gedencken.
Der so geheime Grund, der mir mein Wesen weist, Jndem er sich von allen Dingen trennet, Wird alsobald erkennet: Und dieses Wesen, welches dencket, Und auf sich selbst sich wieder rückwerts lencket, Jst, was wir nennen, Seel und Geist.
Was für ein Jrrthum hat uns unsern Witz geraubet, Wenn wir, die Cörper erst zu kennen, fest geglaubet? Die Seele selbst war das, so sie zuerst verstand. Sie ist: es wird dieß Seyn von ihr erkannt, So bald als sie das Sinnliche verspüret, So sie berühret.
Allein
C
Vom Geiſt und Coͤrper.
Allein, Kan Zweifeln ohne Dencken ſeyn? Jch zweifle nun: ſo denck ich ſicherlich. Jch denck, ob ich auch ſey? Dies uͤberfuͤhret mich; Jch muß ja ſeyn, indem ich dencken kan. Nun denck ich ja; ſo bin ich dann.
Dies iſt, mit unleugbarer Klarheit, Der Menſchen allererſte Wahrheit; Wir dencken; und dadurch erhellet, daß wir ſeyn. Durch Zweifel nun befreyt von allem falſchen Schein, Muß ich mich weiter noch, dies zu geſtehen, lencken: Daß ich ein Weſen ſey, das faͤhig, zu gedencken.
Der ſo geheime Grund, der mir mein Weſen weiſt, Jndem er ſich von allen Dingen trennet, Wird alſobald erkennet: Und dieſes Weſen, welches dencket, Und auf ſich ſelbſt ſich wieder ruͤckwerts lencket, Jſt, was wir nennen, Seel und Geiſt.
Was fuͤr ein Jrrthum hat uns unſern Witz geraubet, Wenn wir, die Coͤrper erſt zu kennen, feſt geglaubet? Die Seele ſelbſt war das, ſo ſie zuerſt verſtand. Sie iſt: es wird dieß Seyn von ihr erkannt, So bald als ſie das Sinnliche verſpuͤret, So ſie beruͤhret.
Allein
C
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Vom Geiſt und Coͤrper.
Allein,
Kan Zweifeln ohne Dencken ſeyn?
Jch zweifle nun: ſo denck ich ſicherlich.
Jch denck, ob ich auch ſey? Dies uͤberfuͤhret mich;
Jch muß ja ſeyn, indem ich dencken kan.
Nun denck ich ja; ſo bin ich dann.
Dies iſt, mit unleugbarer Klarheit,
Der Menſchen allererſte Wahrheit;
Wir dencken; und dadurch erhellet, daß wir ſeyn.
Durch Zweifel nun befreyt von allem falſchen Schein,
Muß ich mich weiter noch, dies zu geſtehen, lencken:
Daß ich ein Weſen ſey, das faͤhig, zu gedencken.
Der ſo geheime Grund, der mir mein Weſen weiſt,
Jndem er ſich von allen Dingen trennet,
Wird alſobald erkennet:
Und dieſes Weſen, welches dencket,
Und auf ſich ſelbſt ſich wieder ruͤckwerts lencket,
Jſt, was wir nennen, Seel und Geiſt.
Was fuͤr ein Jrrthum hat uns unſern Witz geraubet,
Wenn wir, die Coͤrper erſt zu kennen, feſt geglaubet?
Die Seele ſelbſt war das, ſo ſie zuerſt verſtand.
Sie iſt: es wird dieß Seyn von ihr erkannt,
So bald als ſie das Sinnliche verſpuͤret,
So ſie beruͤhret.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/63>, abgerufen am 23.11.2024.
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