Die Seel' ist in dem Leib so lang er Athem führt: Doch, ist das Jnstrument, der Cörper, erst versehret, Von Geistern ausgeleert, verwirret und zerstöhret; So werden sie von ihr nicht mehr regiert. Wenn sie nicht würcken kan im Cörper, der vergeht, Ohn' ihren Untergang zugleich mit zu empfinden; Sucht sie zuletzt sich zu entbinden Von einem Jnstrument, das ferner nicht besteht.
Ein plötzlich Uebel würckt ein Ohnmacht offtermahlen: Dann lässet es, als wären tausend Strahlen Von der Vernunfft, die wir von oben haben, Jm Schutt des Cörpers mit vergraben. Jedoch verlieret sie ihr wahres Wesen nicht, Und gleicht so dann des Himmels Licht, Wenn schwartzer Wolcken Dufft es unsern Augen raubet. Wie, wenn der wilde Nord entsetzlich schnaubet, Und unter schwartzen Dunst den lichten Tag begräbt; Wenn aus des Meeres Schooß und schlipffrichten Morästen, Ein dicker Nebel sich erhebt, Und daß der gantze Kreis der Vesten Voll dicker Finsternissen schwebt, Der fast die Schrecken-Grufft der Höllen Scheint vorzustellen, Und aller Dinge Form vermischt, verwirrt, verschrenckt, Und sie in einen Chaos senckt; Spricht jemand wol mit Recht deswegen; Die Sonne selber ist nicht mehr zugegen?
Wenn
Von Verein. u. Unterſch. Seel. u. Coͤrpers.
Die Seel’ iſt in dem Leib ſo lang er Athem fuͤhrt: Doch, iſt das Jnſtrument, der Coͤrper, erſt verſehret, Von Geiſtern ausgeleert, verwirret und zerſtoͤhret; So werden ſie von ihr nicht mehr regiert. Wenn ſie nicht wuͤrcken kan im Coͤrper, der vergeht, Ohn’ ihren Untergang zugleich mit zu empfinden; Sucht ſie zuletzt ſich zu entbinden Von einem Jnſtrument, das ferner nicht beſteht.
Ein ploͤtzlich Uebel wuͤrckt ein Ohnmacht offtermahlen: Dann laͤſſet es, als waͤren tauſend Strahlen Von der Vernunfft, die wir von oben haben, Jm Schutt des Coͤrpers mit vergraben. Jedoch verlieret ſie ihr wahres Weſen nicht, Und gleicht ſo dann des Himmels Licht, Wenn ſchwartzer Wolcken Dufft es unſern Augen raubet. Wie, wenn der wilde Nord entſetzlich ſchnaubet, Und unter ſchwartzen Dunſt den lichten Tag begraͤbt; Wenn aus des Meeres Schooß und ſchlipffrichten Moraͤſten, Ein dicker Nebel ſich erhebt, Und daß der gantze Kreis der Veſten Voll dicker Finſterniſſen ſchwebt, Der faſt die Schrecken-Grufft der Hoͤllen Scheint vorzuſtellen, Und aller Dinge Form vermiſcht, verwirrt, verſchrenckt, Und ſie in einen Chaos ſenckt; Spricht jemand wol mit Recht deswegen; Die Sonne ſelber iſt nicht mehr zugegen?
Wenn
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Von Verein. u. Unterſch. Seel. u. Coͤrpers.
Die Seel’ iſt in dem Leib ſo lang er Athem fuͤhrt:
Doch, iſt das Jnſtrument, der Coͤrper, erſt verſehret,
Von Geiſtern ausgeleert, verwirret und zerſtoͤhret;
So werden ſie von ihr nicht mehr regiert.
Wenn ſie nicht wuͤrcken kan im Coͤrper, der vergeht,
Ohn’ ihren Untergang zugleich mit zu empfinden;
Sucht ſie zuletzt ſich zu entbinden
Von einem Jnſtrument, das ferner nicht beſteht.
Ein ploͤtzlich Uebel wuͤrckt ein Ohnmacht offtermahlen:
Dann laͤſſet es, als waͤren tauſend Strahlen
Von der Vernunfft, die wir von oben haben,
Jm Schutt des Coͤrpers mit vergraben.
Jedoch verlieret ſie ihr wahres Weſen nicht,
Und gleicht ſo dann des Himmels Licht,
Wenn ſchwartzer Wolcken Dufft es unſern Augen raubet.
Wie, wenn der wilde Nord entſetzlich ſchnaubet,
Und unter ſchwartzen Dunſt den lichten Tag begraͤbt;
Wenn aus des Meeres Schooß und ſchlipffrichten Moraͤſten,
Ein dicker Nebel ſich erhebt,
Und daß der gantze Kreis der Veſten
Voll dicker Finſterniſſen ſchwebt,
Der faſt die Schrecken-Grufft der Hoͤllen
Scheint vorzuſtellen,
Und aller Dinge Form vermiſcht, verwirrt, verſchrenckt,
Und ſie in einen Chaos ſenckt;
Spricht jemand wol mit Recht deswegen;
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/587>, abgerufen am 16.02.2025.
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