Die Röhren, die erfüllt von Flammen, Lufft und Wind: Dies ist was Epicur der Menschen Seelen nennet, Dies ist, was grösser wird, in Dünsten sich verdünnt, Und was mit unsrem Blut zugleich von hinnen rinnt.
Dies ist die Seele nicht, die man vernünfftig heisst, Ein unvergänglich Seyn, ein Geist. Wenn er untheilbar ist, wenn er uncörperlich; Jst er ohn Aendrung und unzerstöhrlich, Und folglich währt er unaufhörlich, Wie die unendliche, selbst-ständig' ew'ge Macht, Die ihn hervorgebracht.
Erzeiget man dem Geist noch mehr Verächtlichkeit? Der Leib, sein Werckzeug sey nicht richtig im Geschicke, Er sey von Dunst verwirrt, zernaget durch die Zeit; Sodann ist er ein Schiff ohn Seegel, sonder Stricke, Des sich der Steuermann Nicht mehr gebrauchen kan. Doch duldet unser Leib die Aenderung allein, Der Fäulniß muß der Leib nur unterwoffen seyn.
Kein schlechtes Jnstrument kan solchen Ton gewähren, Als man ihn sonsten würd' von guten Meister hören. Wär selber in Arions Hand Die Laut entzwey, die Saiten abgerissen; Würd' er darauf doch nicht zu spielen wissen, Jst ihm die Kunst gleich nach als vor bekannt, Die wir so offt bewundern müssen.
Die
Von Verein. u. Unterſch. Seel. u. Coͤrpers.
Die Roͤhren, die erfuͤllt von Flammen, Lufft und Wind: Dies iſt was Epicur der Menſchen Seelen nennet, Dies iſt, was groͤſſer wird, in Duͤnſten ſich verduͤnnt, Und was mit unſrem Blut zugleich von hinnen rinnt.
Dies iſt die Seele nicht, die man vernuͤnfftig heiſſt, Ein unvergaͤnglich Seyn, ein Geiſt. Wenn er untheilbar iſt, wenn er uncoͤrperlich; Jſt er ohn Aendrung und unzerſtoͤhrlich, Und folglich waͤhrt er unaufhoͤrlich, Wie die unendliche, ſelbſt-ſtaͤndig’ ew’ge Macht, Die ihn hervorgebracht.
Erzeiget man dem Geiſt noch mehr Veraͤchtlichkeit? Der Leib, ſein Werckzeug ſey nicht richtig im Geſchicke, Er ſey von Dunſt verwirrt, zernaget durch die Zeit; Sodann iſt er ein Schiff ohn Seegel, ſonder Stricke, Des ſich der Steuermann Nicht mehr gebrauchen kan. Doch duldet unſer Leib die Aenderung allein, Der Faͤulniß muß der Leib nur unterwoffen ſeyn.
Kein ſchlechtes Jnſtrument kan ſolchen Ton gewaͤhren, Als man ihn ſonſten wuͤrd’ von guten Meiſter hoͤren. Waͤr ſelber in Arions Hand Die Laut entzwey, die Saiten abgeriſſen; Wuͤrd’ er darauf doch nicht zu ſpielen wiſſen, Jſt ihm die Kunſt gleich nach als vor bekannt, Die wir ſo offt bewundern muͤſſen.
Die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0585"n="555"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von Verein. u. Unterſch. Seel. u. Coͤrpers.</hi></fw><lb/><lgtype="poem"><l>Die Roͤhren, die erfuͤllt von Flammen, Lufft und Wind:</l><lb/><l>Dies iſt was Epicur der Menſchen Seelen nennet,</l><lb/><l>Dies iſt, was groͤſſer wird, in Duͤnſten ſich verduͤnnt,</l><lb/><l>Und was mit unſrem Blut zugleich von hinnen rinnt.</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">D</hi>ies iſt die Seele nicht, die man vernuͤnfftig heiſſt,</l><lb/><l>Ein unvergaͤnglich Seyn, ein Geiſt.</l><lb/><l>Wenn er untheilbar iſt, wenn er uncoͤrperlich;</l><lb/><l>Jſt er ohn Aendrung und unzerſtoͤhrlich,</l><lb/><l>Und folglich waͤhrt er unaufhoͤrlich,</l><lb/><l>Wie die unendliche, ſelbſt-ſtaͤndig’ ew’ge Macht,</l><lb/><l>Die ihn hervorgebracht.</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">E</hi>rzeiget man dem Geiſt noch mehr Veraͤchtlichkeit?</l><lb/><l>Der Leib, ſein Werckzeug ſey nicht richtig im Geſchicke,</l><lb/><l>Er ſey von Dunſt verwirrt, zernaget durch die Zeit;</l><lb/><l>Sodann iſt er ein Schiff ohn Seegel, ſonder Stricke,</l><lb/><l>Des ſich der Steuermann</l><lb/><l>Nicht mehr gebrauchen kan.</l><lb/><l>Doch duldet unſer Leib die Aenderung allein,</l><lb/><l>Der Faͤulniß muß der Leib nur unterwoffen ſeyn.</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">K</hi>ein ſchlechtes Jnſtrument kan ſolchen Ton gewaͤhren,</l><lb/><l>Als man ihn ſonſten wuͤrd’ von guten Meiſter hoͤren.</l><lb/><l>Waͤr ſelber in Arions Hand</l><lb/><l>Die Laut entzwey, die Saiten abgeriſſen;</l><lb/><l>Wuͤrd’ er darauf doch nicht zu ſpielen wiſſen,</l><lb/><l>Jſt ihm die Kunſt gleich nach als vor bekannt,</l><lb/><l>Die wir ſo offt bewundern muͤſſen.</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Die</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[555/0585]
Von Verein. u. Unterſch. Seel. u. Coͤrpers.
Die Roͤhren, die erfuͤllt von Flammen, Lufft und Wind:
Dies iſt was Epicur der Menſchen Seelen nennet,
Dies iſt, was groͤſſer wird, in Duͤnſten ſich verduͤnnt,
Und was mit unſrem Blut zugleich von hinnen rinnt.
Dies iſt die Seele nicht, die man vernuͤnfftig heiſſt,
Ein unvergaͤnglich Seyn, ein Geiſt.
Wenn er untheilbar iſt, wenn er uncoͤrperlich;
Jſt er ohn Aendrung und unzerſtoͤhrlich,
Und folglich waͤhrt er unaufhoͤrlich,
Wie die unendliche, ſelbſt-ſtaͤndig’ ew’ge Macht,
Die ihn hervorgebracht.
Erzeiget man dem Geiſt noch mehr Veraͤchtlichkeit?
Der Leib, ſein Werckzeug ſey nicht richtig im Geſchicke,
Er ſey von Dunſt verwirrt, zernaget durch die Zeit;
Sodann iſt er ein Schiff ohn Seegel, ſonder Stricke,
Des ſich der Steuermann
Nicht mehr gebrauchen kan.
Doch duldet unſer Leib die Aenderung allein,
Der Faͤulniß muß der Leib nur unterwoffen ſeyn.
Kein ſchlechtes Jnſtrument kan ſolchen Ton gewaͤhren,
Als man ihn ſonſten wuͤrd’ von guten Meiſter hoͤren.
Waͤr ſelber in Arions Hand
Die Laut entzwey, die Saiten abgeriſſen;
Wuͤrd’ er darauf doch nicht zu ſpielen wiſſen,
Jſt ihm die Kunſt gleich nach als vor bekannt,
Die wir ſo offt bewundern muͤſſen.
Die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/585>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.