Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Von Verein. u. Untersch. Seel. u. Cörpers. Ein reger Stoff, der sich in kleine Theilchen bricht, Formirt der Weisheit ewigs Licht, Will, daß die Eigenschafft des Geists ihm eigen werde, Begreiffet was geheim im Himmel, auf der Erde. So werden Frücht' und Kräuter müssen, Zusammt dem Wasser aus den Flüssen, Wenn sie in unserm Magen nur Gekocht, gemischt, verdaut, und die Natur Vom Fleisch und Blut und Geistern angenommen, Dadurch daß sie stets mehr gesiebt, verkleint, zerrieben, Dieselbe Zartheit überkommen, Die man bisher, mit Recht, der Seelen zugeschrieben. Es folgt, daß die Materie sich gantz Von ihrem vorgen Wesen trenne, Daß sie so gar der Weisheit Glantz Empfang', und auf einmal verstehn und fühlen könne. Allein, man lehre mich, An welchem Ort, auf welcher Stelle sich Die Handlung endiget, die blos nur cörperlich, Und, wenn der Leiblichen ihr Ziel bestimmet, Wo dann die Geistige den Anfang nimmt? Auf welche Weis' ein Wesen, das vorhin Ein Stoff war, ohn Gefühl und sonder Sinn; Jm Augenblick kan fühlen und gedencken: Wird auch ein eitler Geist, verführt durch falschen Schein, Aus diesem Abgrund sich zu retten mächtig seyn? Jndeß M m 4
Von Verein. u. Unterſch. Seel. u. Coͤrpers. Ein reger Stoff, der ſich in kleine Theilchen bricht, Formirt der Weisheit ewigs Licht, Will, daß die Eigenſchafft des Geiſts ihm eigen werde, Begreiffet was geheim im Himmel, auf der Erde. So werden Fruͤcht’ und Kraͤuter muͤſſen, Zuſammt dem Waſſer aus den Fluͤſſen, Wenn ſie in unſerm Magen nur Gekocht, gemiſcht, verdaut, und die Natur Vom Fleiſch und Blut und Geiſtern angenommen, Dadurch daß ſie ſtets mehr geſiebt, verkleint, zerrieben, Dieſelbe Zartheit uͤberkommen, Die man bisher, mit Recht, der Seelen zugeſchrieben. Es folgt, daß die Materie ſich gantz Von ihrem vorgen Weſen trenne, Daß ſie ſo gar der Weisheit Glantz Empfang’, und auf einmal verſtehn und fuͤhlen koͤnne. Allein, man lehre mich, An welchem Ort, auf welcher Stelle ſich Die Handlung endiget, die blos nur coͤrperlich, Und, wenn der Leiblichen ihr Ziel beſtimmet, Wo dann die Geiſtige den Anfang nimmt? Auf welche Weiſ’ ein Weſen, das vorhin Ein Stoff war, ohn Gefuͤhl und ſonder Sinn; Jm Augenblick kan fuͤhlen und gedencken: Wird auch ein eitler Geiſt, verfuͤhrt durch falſchen Schein, Aus dieſem Abgrund ſich zu retten maͤchtig ſeyn? Jndeß M m 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0581" n="551"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von Verein. u. Unterſch. Seel. u. Coͤrpers.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <l>Ein reger Stoff, der ſich in kleine Theilchen bricht,</l><lb/> <l>Formirt der Weisheit ewigs Licht,</l><lb/> <l>Will, daß die Eigenſchafft des Geiſts ihm eigen werde,</l><lb/> <l>Begreiffet was geheim im Himmel, auf der Erde.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">S</hi>o werden Fruͤcht’ und Kraͤuter muͤſſen,</l><lb/> <l>Zuſammt dem Waſſer aus den Fluͤſſen,</l><lb/> <l>Wenn ſie in unſerm Magen nur</l><lb/> <l>Gekocht, gemiſcht, verdaut, und die Natur</l><lb/> <l>Vom Fleiſch und Blut und Geiſtern angenommen,</l><lb/> <l>Dadurch daß ſie ſtets mehr geſiebt, verkleint, zerrieben,</l><lb/> <l>Dieſelbe Zartheit uͤberkommen,</l><lb/> <l>Die man bisher, mit Recht, der Seelen zugeſchrieben.</l><lb/> <l>Es folgt, daß die Materie ſich gantz</l><lb/> <l>Von ihrem vorgen Weſen trenne,</l><lb/> <l>Daß ſie ſo gar der Weisheit Glantz</l><lb/> <l>Empfang’, und auf einmal verſtehn und fuͤhlen koͤnne.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">A</hi>llein, man lehre mich,</l><lb/> <l>An welchem Ort, auf welcher Stelle ſich</l><lb/> <l>Die Handlung endiget, die blos nur coͤrperlich,</l><lb/> <l>Und, wenn der Leiblichen ihr Ziel beſtimmet,</l><lb/> <l>Wo dann die Geiſtige den Anfang nimmt?</l><lb/> <l>Auf welche Weiſ’ ein Weſen, das vorhin</l><lb/> <l>Ein Stoff war, ohn Gefuͤhl und ſonder Sinn;</l><lb/> <l>Jm Augenblick kan fuͤhlen und gedencken:</l><lb/> <l>Wird auch ein eitler Geiſt, verfuͤhrt durch falſchen Schein,</l><lb/> <l>Aus dieſem Abgrund ſich zu retten maͤchtig ſeyn?</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">M m 4</fw> <fw place="bottom" type="catch">Jndeß</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [551/0581]
Von Verein. u. Unterſch. Seel. u. Coͤrpers.
Ein reger Stoff, der ſich in kleine Theilchen bricht,
Formirt der Weisheit ewigs Licht,
Will, daß die Eigenſchafft des Geiſts ihm eigen werde,
Begreiffet was geheim im Himmel, auf der Erde.
So werden Fruͤcht’ und Kraͤuter muͤſſen,
Zuſammt dem Waſſer aus den Fluͤſſen,
Wenn ſie in unſerm Magen nur
Gekocht, gemiſcht, verdaut, und die Natur
Vom Fleiſch und Blut und Geiſtern angenommen,
Dadurch daß ſie ſtets mehr geſiebt, verkleint, zerrieben,
Dieſelbe Zartheit uͤberkommen,
Die man bisher, mit Recht, der Seelen zugeſchrieben.
Es folgt, daß die Materie ſich gantz
Von ihrem vorgen Weſen trenne,
Daß ſie ſo gar der Weisheit Glantz
Empfang’, und auf einmal verſtehn und fuͤhlen koͤnne.
Allein, man lehre mich,
An welchem Ort, auf welcher Stelle ſich
Die Handlung endiget, die blos nur coͤrperlich,
Und, wenn der Leiblichen ihr Ziel beſtimmet,
Wo dann die Geiſtige den Anfang nimmt?
Auf welche Weiſ’ ein Weſen, das vorhin
Ein Stoff war, ohn Gefuͤhl und ſonder Sinn;
Jm Augenblick kan fuͤhlen und gedencken:
Wird auch ein eitler Geiſt, verfuͤhrt durch falſchen Schein,
Aus dieſem Abgrund ſich zu retten maͤchtig ſeyn?
Jndeß
M m 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |