Beredet man sich selbst, daß, da die Augen, Jn solchem grossen Raum, solch' eine Menge Züge, Dadurch sie ausgedruckt zu sehen taugen, Sich unsere Vernunfft betrüge; Stimmt sie mit dieser Meinung ein: Daß alle Ding' in uns beschlossen seyn.
Hat man der Träume dann vergessen, Erinnert man sich nicht der holden Lügen, Die, sammt der weiten Lufft, so nicht zu messen, Auch Berge, nebst des Meeres Wellen, Auch Ufer, die beblühmt, von hellen Flüssen, Jn solcher Deutlichkeit uns vorzustellen, Bey gantz geschloßnen Augen, wissen. Des trügerischen Traums so liebe Zauberey Zeigt viele Gegenwürff mit solchen starcken Zügen, Bald nah' und bald entfernt mit Farben, mancherley, Ohn daß von allen diesen Dingen, Um selbige hervor zu bringen, Von aussen etwas würcklich sey.
Jn diesen leichten Bildern nun, Den uns ein Traum formirt, laßt uns die Spur Von der geheimen Kunst der würckenden Natur, Besehen und erwegen. Thun Seel und Cörper gleich zusammen, was sie thun; Lasst uns die Regeln doch besonders überlegen. Jndem sie Winckel macht, Und Linien formiret
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Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.
Beredet man ſich ſelbſt, daß, da die Augen, Jn ſolchem groſſen Raum, ſolch’ eine Menge Zuͤge, Dadurch ſie ausgedruckt zu ſehen taugen, Sich unſere Vernunfft betruͤge; Stimmt ſie mit dieſer Meinung ein: Daß alle Ding’ in uns beſchloſſen ſeyn.
Hat man der Traͤume dann vergeſſen, Erinnert man ſich nicht der holden Luͤgen, Die, ſammt der weiten Lufft, ſo nicht zu meſſen, Auch Berge, nebſt des Meeres Wellen, Auch Ufer, die bebluͤhmt, von hellen Fluͤſſen, Jn ſolcher Deutlichkeit uns vorzuſtellen, Bey gantz geſchloßnen Augen, wiſſen. Des truͤgeriſchen Traums ſo liebe Zauberey Zeigt viele Gegenwuͤrff mit ſolchen ſtarcken Zuͤgen, Bald nah’ und bald entfernt mit Farben, mancherley, Ohn daß von allen dieſen Dingen, Um ſelbige hervor zu bringen, Von auſſen etwas wuͤrcklich ſey.
Jn dieſen leichten Bildern nun, Den uns ein Traum formirt, laßt uns die Spur Von der geheimen Kunſt der wuͤrckenden Natur, Beſehen und erwegen. Thun Seel und Coͤrper gleich zuſammen, was ſie thun; Laſſt uns die Regeln doch beſonders uͤberlegen. Jndem ſie Winckel macht, Und Linien formiret
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[513/0543]
Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.
Beredet man ſich ſelbſt, daß, da die Augen,
Jn ſolchem groſſen Raum, ſolch’ eine Menge Zuͤge,
Dadurch ſie ausgedruckt zu ſehen taugen,
Sich unſere Vernunfft betruͤge;
Stimmt ſie mit dieſer Meinung ein:
Daß alle Ding’ in uns beſchloſſen ſeyn.
Hat man der Traͤume dann vergeſſen,
Erinnert man ſich nicht der holden Luͤgen,
Die, ſammt der weiten Lufft, ſo nicht zu meſſen,
Auch Berge, nebſt des Meeres Wellen,
Auch Ufer, die bebluͤhmt, von hellen Fluͤſſen,
Jn ſolcher Deutlichkeit uns vorzuſtellen,
Bey gantz geſchloßnen Augen, wiſſen.
Des truͤgeriſchen Traums ſo liebe Zauberey
Zeigt viele Gegenwuͤrff mit ſolchen ſtarcken Zuͤgen,
Bald nah’ und bald entfernt mit Farben, mancherley,
Ohn daß von allen dieſen Dingen,
Um ſelbige hervor zu bringen,
Von auſſen etwas wuͤrcklich ſey.
Jn dieſen leichten Bildern nun,
Den uns ein Traum formirt, laßt uns die Spur
Von der geheimen Kunſt der wuͤrckenden Natur,
Beſehen und erwegen.
Thun Seel und Coͤrper gleich zuſammen, was ſie thun;
Laſſt uns die Regeln doch beſonders uͤberlegen.
Jndem ſie Winckel macht,
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/543>, abgerufen am 16.02.2025.
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