Es zeigen uns durch Kunst geschliffne Gläser an, Wie man die Blödigkeit der Augen bessern, Entfernte Vorwürff' nah, und zu uns ziehen kan, Und solche Cörper starck vergrössern, Die durch die Kleinheit nicht zu sehn. Sie geben, was sich sonst verbarg, uns zu verstehn.
Doch lasset uns noch überlegen, Wie Augen, voll von fremden Feuchtigkeiten, Die Seele manchesmal verleiten. Wie sich in einer trüben Lufft, Beschwert mit einem dicken Dufft, Figuren bilden, durch verändertes Bewegen. Man muß mit Ernst besehn, durch welche Mittel-Dinge, Dergleichen Vorwurff sich in unser Auge dringe. Wir müssen die verschiedne Flächen Von unterschiednen Gläsern sehn; So findet man, wenn sich die Strahlen brechen, Daß hell und klar, Auf einen Spiegel-Glas entstehn Gemählde, welche bald nicht wahr sind, und bald wahr.
Derselben Würckung nun, was das Gesicht angeht, Jst, daß ihr Grund dem Strahl des Lichtes widersteht, Daß dieser Strahl im Punct, woselbst er rückwerts springet, Denselben Winckel macht, mit dem, der in ihn dringet. Jm platten Spiegel bleibt ein Vorwurff, wie er ist.
Die
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Von Spiegeln und Fern-Glaͤſern.
Es zeigen uns durch Kunſt geſchliffne Glaͤſer an, Wie man die Bloͤdigkeit der Augen beſſern, Entfernte Vorwuͤrff’ nah, und zu uns ziehen kan, Und ſolche Coͤrper ſtarck vergroͤſſern, Die durch die Kleinheit nicht zu ſehn. Sie geben, was ſich ſonſt verbarg, uns zu verſtehn.
Doch laſſet uns noch uͤberlegen, Wie Augen, voll von fremden Feuchtigkeiten, Die Seele manchesmal verleiten. Wie ſich in einer truͤben Lufft, Beſchwert mit einem dicken Dufft, Figuren bilden, durch veraͤndertes Bewegen. Man muß mit Ernſt beſehn, durch welche Mittel-Dinge, Dergleichen Vorwurff ſich in unſer Auge dringe. Wir muͤſſen die verſchiedne Flaͤchen Von unterſchiednen Glaͤſern ſehn; So findet man, wenn ſich die Strahlen brechen, Daß hell und klar, Auf einen Spiegel-Glas entſtehn Gemaͤhlde, welche bald nicht wahr ſind, und bald wahr.
Derſelben Wuͤrckung nun, was das Geſicht angeht, Jſt, daß ihr Grund dem Strahl des Lichtes widerſteht, Daß dieſer Strahl im Punct, woſelbſt er ruͤckwerts ſpringet, Denſelben Winckel macht, mit dem, der in ihn dringet. Jm platten Spiegel bleibt ein Vorwurff, wie er iſt.
Die
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Von Spiegeln und Fern-Glaͤſern.
Es zeigen uns durch Kunſt geſchliffne Glaͤſer an,
Wie man die Bloͤdigkeit der Augen beſſern,
Entfernte Vorwuͤrff’ nah, und zu uns ziehen kan,
Und ſolche Coͤrper ſtarck vergroͤſſern,
Die durch die Kleinheit nicht zu ſehn.
Sie geben, was ſich ſonſt verbarg, uns zu verſtehn.
Doch laſſet uns noch uͤberlegen,
Wie Augen, voll von fremden Feuchtigkeiten,
Die Seele manchesmal verleiten.
Wie ſich in einer truͤben Lufft,
Beſchwert mit einem dicken Dufft,
Figuren bilden, durch veraͤndertes Bewegen.
Man muß mit Ernſt beſehn, durch welche Mittel-Dinge,
Dergleichen Vorwurff ſich in unſer Auge dringe.
Wir muͤſſen die verſchiedne Flaͤchen
Von unterſchiednen Glaͤſern ſehn;
So findet man, wenn ſich die Strahlen brechen,
Daß hell und klar,
Auf einen Spiegel-Glas entſtehn
Gemaͤhlde, welche bald nicht wahr ſind, und bald wahr.
Derſelben Wuͤrckung nun, was das Geſicht angeht,
Jſt, daß ihr Grund dem Strahl des Lichtes widerſteht,
Daß dieſer Strahl im Punct, woſelbſt er ruͤckwerts ſpringet,
Denſelben Winckel macht, mit dem, der in ihn dringet.
Jm platten Spiegel bleibt ein Vorwurff, wie er iſt.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/515>, abgerufen am 16.02.2025.
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