Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Von dem Gesicht.
Sie sprechen, daß ein Vorwurff, den man sieht,
Ein unempfindlich Bild in näh're Lufft formiret,
Das Staffelweise sich gemählig aufwärts führet,
Bis es sich in den Grund von unserm Auge zieht.


Dis sind die frevelhafften Lehren,
So wir in Schulen hören.
Man schmiedet uns Gespenster, nach Gefallen
Und Bilder, welche schwebend wallen,
Die ihrem Urbild ähnlich seyn,
Die mitten in der Lufft sich unsern Augen
Zu nähern taugen.
Ein Grillen-Heer, erdichte Bilderlein
Von Cörpern, bloß im Schein,
Von Form und Farben Auszüg', die im Reisen
Von ihren Vorwurff sich so klug, so treu erweisen:
Sie hören all', in ihrem gantzen Lauff,
Sich zu verkleinern niemals auf,
Bis sie in unser Auge gehn,
Wodurch denn ins Gehirn, von Vorwurff, der sie schickt,
Sich eine Schilderey und Bildniß drückt.


Dis herrliche Gemähld' kan wohl verglichen seyn
Mit Epicurens Bilderlein.
Er will, daß von den Cörpern, die uns rühren,
Sich dünne Cörper abwerts führen,
Die von den Cörpern, die Gestalten,
Aus welchen sie entstehn, behalten.
Als
Von dem Geſicht.
Sie ſprechen, daß ein Vorwurff, den man ſieht,
Ein unempfindlich Bild in naͤh’re Lufft formiret,
Das Staffelweiſe ſich gemaͤhlig aufwaͤrts fuͤhret,
Bis es ſich in den Grund von unſerm Auge zieht.


Dis ſind die frevelhafften Lehren,
So wir in Schulen hoͤren.
Man ſchmiedet uns Geſpenſter, nach Gefallen
Und Bilder, welche ſchwebend wallen,
Die ihrem Urbild aͤhnlich ſeyn,
Die mitten in der Lufft ſich unſern Augen
Zu naͤhern taugen.
Ein Grillen-Heer, erdichte Bilderlein
Von Coͤrpern, bloß im Schein,
Von Form und Farben Auszuͤg’, die im Reiſen
Von ihren Vorwurff ſich ſo klug, ſo treu erweiſen:
Sie hoͤren all’, in ihrem gantzen Lauff,
Sich zu verkleinern niemals auf,
Bis ſie in unſer Auge gehn,
Wodurch denn ins Gehirn, von Vorwurff, der ſie ſchickt,
Sich eine Schilderey und Bildniß druͤckt.


Dis herrliche Gemaͤhld’ kan wohl verglichen ſeyn
Mit Epicurens Bilderlein.
Er will, daß von den Coͤrpern, die uns ruͤhren,
Sich duͤnne Coͤrper abwerts fuͤhren,
Die von den Coͤrpern, die Geſtalten,
Aus welchen ſie entſtehn, behalten.
Als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0491" n="461"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von dem Ge&#x017F;icht.</hi> </fw><lb/>
              <lg type="poem">
                <l>Sie &#x017F;prechen, daß ein Vorwurff, den man &#x017F;ieht,</l><lb/>
                <l>Ein unempfindlich Bild in na&#x0364;h&#x2019;re Lufft formiret,</l><lb/>
                <l>Das Staffelwei&#x017F;e &#x017F;ich gema&#x0364;hlig aufwa&#x0364;rts fu&#x0364;hret,</l><lb/>
                <l>Bis es &#x017F;ich in den Grund von un&#x017F;erm Auge zieht.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">D</hi>is &#x017F;ind die frevelhafften Lehren,</l><lb/>
                <l>So wir in Schulen ho&#x0364;ren.</l><lb/>
                <l>Man &#x017F;chmiedet uns Ge&#x017F;pen&#x017F;ter, nach Gefallen</l><lb/>
                <l>Und Bilder, welche &#x017F;chwebend wallen,</l><lb/>
                <l>Die ihrem Urbild a&#x0364;hnlich &#x017F;eyn,</l><lb/>
                <l>Die mitten in der Lufft &#x017F;ich un&#x017F;ern Augen</l><lb/>
                <l>Zu na&#x0364;hern taugen.</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr">Ein Grillen-Heer, erdichte Bilderlein</hi> </l><lb/>
                <l>Von Co&#x0364;rpern, bloß im Schein,</l><lb/>
                <l>Von Form und Farben Auszu&#x0364;g&#x2019;, die im Rei&#x017F;en</l><lb/>
                <l>Von ihren Vorwurff &#x017F;ich &#x017F;o klug, &#x017F;o treu erwei&#x017F;en:</l><lb/>
                <l>Sie ho&#x0364;ren all&#x2019;, in ihrem gantzen Lauff,</l><lb/>
                <l>Sich zu verkleinern niemals auf,</l><lb/>
                <l>Bis &#x017F;ie in un&#x017F;er Auge gehn,</l><lb/>
                <l>Wodurch denn ins Gehirn, von Vorwurff, der &#x017F;ie &#x017F;chickt,</l><lb/>
                <l>Sich eine Schilderey und Bildniß dru&#x0364;ckt.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">D</hi>is herrliche Gema&#x0364;hld&#x2019; kan wohl verglichen &#x017F;eyn</l><lb/>
                <l>Mit Epicurens Bilderlein.</l><lb/>
                <l>Er will, daß von den Co&#x0364;rpern, die uns ru&#x0364;hren,</l><lb/>
                <l>Sich du&#x0364;nne Co&#x0364;rper abwerts fu&#x0364;hren,</l><lb/>
                <l>Die von den Co&#x0364;rpern, die Ge&#x017F;talten,</l><lb/>
                <l>Aus welchen &#x017F;ie ent&#x017F;tehn, behalten.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Als</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[461/0491] Von dem Geſicht. Sie ſprechen, daß ein Vorwurff, den man ſieht, Ein unempfindlich Bild in naͤh’re Lufft formiret, Das Staffelweiſe ſich gemaͤhlig aufwaͤrts fuͤhret, Bis es ſich in den Grund von unſerm Auge zieht. Dis ſind die frevelhafften Lehren, So wir in Schulen hoͤren. Man ſchmiedet uns Geſpenſter, nach Gefallen Und Bilder, welche ſchwebend wallen, Die ihrem Urbild aͤhnlich ſeyn, Die mitten in der Lufft ſich unſern Augen Zu naͤhern taugen. Ein Grillen-Heer, erdichte Bilderlein Von Coͤrpern, bloß im Schein, Von Form und Farben Auszuͤg’, die im Reiſen Von ihren Vorwurff ſich ſo klug, ſo treu erweiſen: Sie hoͤren all’, in ihrem gantzen Lauff, Sich zu verkleinern niemals auf, Bis ſie in unſer Auge gehn, Wodurch denn ins Gehirn, von Vorwurff, der ſie ſchickt, Sich eine Schilderey und Bildniß druͤckt. Dis herrliche Gemaͤhld’ kan wohl verglichen ſeyn Mit Epicurens Bilderlein. Er will, daß von den Coͤrpern, die uns ruͤhren, Sich duͤnne Coͤrper abwerts fuͤhren, Die von den Coͤrpern, die Geſtalten, Aus welchen ſie entſtehn, behalten. Als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/491
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/491>, abgerufen am 16.07.2024.