Es reitzt uns durch sich selbst ein Ton; Ein Ton verletzet Uns gleichfalls durch sich selbst. Wir werden offt sogleich Durch ihn betrübt, durch ihn ergötzet. Wenn aber er das Reich Der Wörter macht, formirt und gründet, Und mit demselben sich verbindet; Wenn Töne, welchen der Gebrauch Ein festes Zeichen giebet; Wenn unsre Seele hofft, verlanget, haßt und liebet Durchs Werckzeug des Gehörs, auf manche Dinge denckt; Sodann entdeckt ein Mensch dem andern, was er denckt. Man sieht, von jenem Geist mit diesem, den Verband; Und durch ein Wechselweis' getriebenes Erzehlen Eröffnen, theilen mit und geben sich die Seelen Einander glücklich den Verstand.
Man wird am kräfftigsten gerühret Durch Töne, so die Red-Kunst führet; Als die uns lencken und entzünden, Besänftigen, verbinden. Die Vergewisserung, Furcht, Freud und Traurigkeit, Besitzen in sich eine Macht, Durch deren Biegung allezeit Der Geist wird in Bewegung bracht. Ein recht gerührter Geist wird andre Geister rühren: Er macht ihn brennen und gefrieren, Erregt ihm seine Lust und seiner Triebe Krafft, Und zeugt in ihm sein' eigne Leidenschafft.
Wann
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Vom Gehoͤr.
Es reitzt uns durch ſich ſelbſt ein Ton; Ein Ton verletzet Uns gleichfalls durch ſich ſelbſt. Wir werden offt ſogleich Durch ihn betruͤbt, durch ihn ergoͤtzet. Wenn aber er das Reich Der Woͤrter macht, formirt und gruͤndet, Und mit demſelben ſich verbindet; Wenn Toͤne, welchen der Gebrauch Ein feſtes Zeichen giebet; Wenn unſre Seele hofft, verlanget, haßt und liebet Durchs Werckzeug des Gehoͤrs, auf manche Dinge denckt; Sodann entdeckt ein Menſch dem andern, was er denckt. Man ſieht, von jenem Geiſt mit dieſem, den Verband; Und durch ein Wechſelweiſ’ getriebenes Erzehlen Eroͤffnen, theilen mit und geben ſich die Seelen Einander gluͤcklich den Verſtand.
Man wird am kraͤfftigſten geruͤhret Durch Toͤne, ſo die Red-Kunſt fuͤhret; Als die uns lencken und entzuͤnden, Beſaͤnftigen, verbinden. Die Vergewiſſerung, Furcht, Freud und Traurigkeit, Beſitzen in ſich eine Macht, Durch deren Biegung allezeit Der Geiſt wird in Bewegung bracht. Ein recht geruͤhrter Geiſt wird andre Geiſter ruͤhren: Er macht ihn brennen und gefrieren, Erregt ihm ſeine Luſt und ſeiner Triebe Krafft, Und zeugt in ihm ſein’ eigne Leidenſchafft.
Wann
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Vom Gehoͤr.
Es reitzt uns durch ſich ſelbſt ein Ton; Ein Ton verletzet
Uns gleichfalls durch ſich ſelbſt. Wir werden offt ſogleich
Durch ihn betruͤbt, durch ihn ergoͤtzet.
Wenn aber er das Reich
Der Woͤrter macht, formirt und gruͤndet,
Und mit demſelben ſich verbindet;
Wenn Toͤne, welchen der Gebrauch
Ein feſtes Zeichen giebet;
Wenn unſre Seele hofft, verlanget, haßt und liebet
Durchs Werckzeug des Gehoͤrs, auf manche Dinge denckt;
Sodann entdeckt ein Menſch dem andern, was er denckt.
Man ſieht, von jenem Geiſt mit dieſem, den Verband;
Und durch ein Wechſelweiſ’ getriebenes Erzehlen
Eroͤffnen, theilen mit und geben ſich die Seelen
Einander gluͤcklich den Verſtand.
Man wird am kraͤfftigſten geruͤhret
Durch Toͤne, ſo die Red-Kunſt fuͤhret;
Als die uns lencken und entzuͤnden,
Beſaͤnftigen, verbinden.
Die Vergewiſſerung, Furcht, Freud und Traurigkeit,
Beſitzen in ſich eine Macht,
Durch deren Biegung allezeit
Der Geiſt wird in Bewegung bracht.
Ein recht geruͤhrter Geiſt wird andre Geiſter ruͤhren:
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Und zeugt in ihm ſein’ eigne Leidenſchafft.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/479>, abgerufen am 16.07.2024.
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