Was wird für Lust (wenn es die Ohren trifft,) Durch abgemessenen Zusammenklang, Durch Abstand und Zusammenhang Jn Seelen, die harmonisch, nicht gestifft? Wenn sonderlich ein Hendel moduliret Und seine Töne moderiret, Jn lieblichen Gesängen, die man hört, Ja immer mehr die Wunder noch vermehrt, Und uns fast glauben macht, Ob nicht ein holder Geist den Klang vom Himmel bracht.
Doch mitten in der schönsten Melodey, Die mächtig, uns die Sinnen zu entführen, Kan dieses uns am kräfftigsten probiren, Daß unsre Seele doch allein nur Meister sey. Sie kan sich selbst von der Betrachtung lencken, Sie kan auf etwas anders dencken. Durch eben den Gesang, der durch die Munterkeit Auch Lust und Munterkeit in ihr erregt, Wird sie zur anderen, auf andre Art bewegt. Der Ton, der einmal uns gefiel, kan uns mißfallen. Lässt eine Frau, lässt eine Mutter Klagen Bey des Geliebten Sarg erschallen; So mehrt die frölichste Music derselben Plagen: Sodann kan nichts als Schluchzen, Seuffzen, Heulen Derselben Trost ertheilen.
Um uns noch mehr zu überführen, Es könne nicht das Werckzeug seyn, Und es sey bloß der Geist allein Geschickt und mächtig uns zu rührrn.
Wenn
Vom Gehoͤr.
Was wird fuͤr Luſt (wenn es die Ohren trifft,) Durch abgemeſſenen Zuſammenklang, Durch Abſtand und Zuſammenhang Jn Seelen, die harmoniſch, nicht geſtifft? Wenn ſonderlich ein Hendel moduliret Und ſeine Toͤne moderiret, Jn lieblichen Geſaͤngen, die man hoͤrt, Ja immer mehr die Wunder noch vermehrt, Und uns faſt glauben macht, Ob nicht ein holder Geiſt den Klang vom Himmel bracht.
Doch mitten in der ſchoͤnſten Melodey, Die maͤchtig, uns die Sinnen zu entfuͤhren, Kan dieſes uns am kraͤfftigſten probiren, Daß unſre Seele doch allein nur Meiſter ſey. Sie kan ſich ſelbſt von der Betrachtung lencken, Sie kan auf etwas anders dencken. Durch eben den Geſang, der durch die Munterkeit Auch Luſt und Munterkeit in ihr erregt, Wird ſie zur anderen, auf andre Art bewegt. Der Ton, der einmal uns gefiel, kan uns mißfallen. Laͤſſt eine Frau, laͤſſt eine Mutter Klagen Bey des Geliebten Sarg erſchallen; So mehrt die froͤlichſte Muſic derſelben Plagen: Sodann kan nichts als Schluchzen, Seuffzen, Heulen Derſelben Troſt ertheilen.
Um uns noch mehr zu uͤberfuͤhren, Es koͤnne nicht das Werckzeug ſeyn, Und es ſey bloß der Geiſt allein Geſchickt und maͤchtig uns zu ruͤhrrn.
Wenn
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Vom Gehoͤr.
Was wird fuͤr Luſt (wenn es die Ohren trifft,)
Durch abgemeſſenen Zuſammenklang,
Durch Abſtand und Zuſammenhang
Jn Seelen, die harmoniſch, nicht geſtifft?
Wenn ſonderlich ein Hendel moduliret
Und ſeine Toͤne moderiret,
Jn lieblichen Geſaͤngen, die man hoͤrt,
Ja immer mehr die Wunder noch vermehrt,
Und uns faſt glauben macht,
Ob nicht ein holder Geiſt den Klang vom Himmel bracht.
Doch mitten in der ſchoͤnſten Melodey,
Die maͤchtig, uns die Sinnen zu entfuͤhren,
Kan dieſes uns am kraͤfftigſten probiren,
Daß unſre Seele doch allein nur Meiſter ſey.
Sie kan ſich ſelbſt von der Betrachtung lencken,
Sie kan auf etwas anders dencken.
Durch eben den Geſang, der durch die Munterkeit
Auch Luſt und Munterkeit in ihr erregt,
Wird ſie zur anderen, auf andre Art bewegt.
Der Ton, der einmal uns gefiel, kan uns mißfallen.
Laͤſſt eine Frau, laͤſſt eine Mutter Klagen
Bey des Geliebten Sarg erſchallen;
So mehrt die froͤlichſte Muſic derſelben Plagen:
Sodann kan nichts als Schluchzen, Seuffzen, Heulen
Derſelben Troſt ertheilen.
Um uns noch mehr zu uͤberfuͤhren,
Es koͤnne nicht das Werckzeug ſeyn,
Und es ſey bloß der Geiſt allein
Geſchickt und maͤchtig uns zu ruͤhrrn.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/475>, abgerufen am 16.07.2024.
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