Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Vom Gehör.
Durch einem Ton, der langsam, wird das Hertz
Mit Ruhe, Traurigkeit, und langer Weil' erfüllet:
Geschwinde Tön' hingegen würcken Schertz,
Vergnügen, Freude, Zorn. Nachdem die Drücke nun
Durch unterschiedne Tön, an den Gedancken hafften,
Und unterschiedne Würckungen verüben,
Nach dem sind unsre Seelen auch getrieben
Zu unterschiednen Leidenschafften.


Ein solch Empfinden nun geschicht
Jn den getroffnen Ohren nicht,
Auch nicht in den bewegten Sehnen,
Nicht im Gehirn, wohin die Regungen sich dehnen.
Nein, in der Seele zeigets sich,
Die sich beschäfftigt, innerlich,
Durch die Bewegungen, die von der Lufft geschehn,
Und äusserlich entstehn.


Die Hitze wird im Blut gelindert und erreget:
Gleichwie ein Cörper Kräffte heget,
Daß er den andern hemmt, und auch beweget.
Also erregt die Laute, die die Hand
Des Meisters künstlich greifft, ein solch Erschüttern
Jm Blut', das sich zu langsam regt:
Sie füllt mit einem regen Zittern
Ein anders, dessen Lauff sich feuriger bewegt:
Und unsre Seele fühlt die Eigenschafft so bald
Von einer sanfteren und strengeren Gewalt.
Durch,
E e 5
Vom Gehoͤr.
Durch einem Ton, der langſam, wird das Hertz
Mit Ruhe, Traurigkeit, und langer Weil’ erfuͤllet:
Geſchwinde Toͤn’ hingegen wuͤrcken Schertz,
Vergnuͤgen, Freude, Zorn. Nachdem die Druͤcke nun
Durch unterſchiedne Toͤn, an den Gedancken hafften,
Und unterſchiedne Wuͤrckungen veruͤben,
Nach dem ſind unſre Seelen auch getrieben
Zu unterſchiednen Leidenſchafften.


Ein ſolch Empfinden nun geſchicht
Jn den getroffnen Ohren nicht,
Auch nicht in den bewegten Sehnen,
Nicht im Gehirn, wohin die Regungen ſich dehnen.
Nein, in der Seele zeigets ſich,
Die ſich beſchaͤfftigt, innerlich,
Durch die Bewegungen, die von der Lufft geſchehn,
Und aͤuſſerlich entſtehn.


Die Hitze wird im Blut gelindert und erreget:
Gleichwie ein Coͤrper Kraͤffte heget,
Daß er den andern hemmt, und auch beweget.
Alſo erregt die Laute, die die Hand
Des Meiſters kuͤnſtlich greifft, ein ſolch Erſchuͤttern
Jm Blut’, das ſich zu langſam regt:
Sie fuͤllt mit einem regen Zittern
Ein anders, deſſen Lauff ſich feuriger bewegt:
Und unſre Seele fuͤhlt die Eigenſchafft ſo bald
Von einer ſanfteren und ſtrengeren Gewalt.
Durch,
E e 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0471" n="441"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vom Geho&#x0364;r.</hi> </fw><lb/>
              <lg type="poem">
                <l>Durch einem Ton, der lang&#x017F;am, wird das Hertz</l><lb/>
                <l>Mit Ruhe, Traurigkeit, und langer Weil&#x2019; erfu&#x0364;llet:</l><lb/>
                <l>Ge&#x017F;chwinde To&#x0364;n&#x2019; hingegen wu&#x0364;rcken Schertz,</l><lb/>
                <l>Vergnu&#x0364;gen, Freude, Zorn. Nachdem die Dru&#x0364;cke nun</l><lb/>
                <l>Durch unter&#x017F;chiedne To&#x0364;n, an den Gedancken hafften,</l><lb/>
                <l>Und unter&#x017F;chiedne Wu&#x0364;rckungen veru&#x0364;ben,</l><lb/>
                <l>Nach dem &#x017F;ind un&#x017F;re Seelen auch getrieben</l><lb/>
                <l>Zu unter&#x017F;chiednen Leiden&#x017F;chafften.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">E</hi>in &#x017F;olch Empfinden nun ge&#x017F;chicht</l><lb/>
                <l>Jn den getroffnen Ohren nicht,</l><lb/>
                <l>Auch nicht in den bewegten Sehnen,</l><lb/>
                <l>Nicht im Gehirn, wohin die Regungen &#x017F;ich dehnen.</l><lb/>
                <l>Nein, in der Seele zeigets &#x017F;ich,</l><lb/>
                <l>Die &#x017F;ich be&#x017F;cha&#x0364;fftigt, innerlich,</l><lb/>
                <l>Durch die Bewegungen, die von der Lufft ge&#x017F;chehn,</l><lb/>
                <l>Und a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich ent&#x017F;tehn.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Hitze wird im Blut gelindert und erreget:</l><lb/>
                <l>Gleichwie ein Co&#x0364;rper Kra&#x0364;ffte heget,</l><lb/>
                <l>Daß er den andern hemmt, und auch beweget.</l><lb/>
                <l>Al&#x017F;o erregt die Laute, die die Hand</l><lb/>
                <l>Des Mei&#x017F;ters ku&#x0364;n&#x017F;tlich greifft, ein &#x017F;olch Er&#x017F;chu&#x0364;ttern</l><lb/>
                <l>Jm Blut&#x2019;, das &#x017F;ich zu lang&#x017F;am regt:</l><lb/>
                <l>Sie fu&#x0364;llt mit einem regen Zittern</l><lb/>
                <l>Ein anders, de&#x017F;&#x017F;en Lauff &#x017F;ich feuriger bewegt:</l><lb/>
                <l>Und un&#x017F;re Seele fu&#x0364;hlt die Eigen&#x017F;chafft &#x017F;o bald</l><lb/>
                <l>Von einer &#x017F;anfteren und &#x017F;trengeren Gewalt.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">E e 5</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Durch,</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[441/0471] Vom Gehoͤr. Durch einem Ton, der langſam, wird das Hertz Mit Ruhe, Traurigkeit, und langer Weil’ erfuͤllet: Geſchwinde Toͤn’ hingegen wuͤrcken Schertz, Vergnuͤgen, Freude, Zorn. Nachdem die Druͤcke nun Durch unterſchiedne Toͤn, an den Gedancken hafften, Und unterſchiedne Wuͤrckungen veruͤben, Nach dem ſind unſre Seelen auch getrieben Zu unterſchiednen Leidenſchafften. Ein ſolch Empfinden nun geſchicht Jn den getroffnen Ohren nicht, Auch nicht in den bewegten Sehnen, Nicht im Gehirn, wohin die Regungen ſich dehnen. Nein, in der Seele zeigets ſich, Die ſich beſchaͤfftigt, innerlich, Durch die Bewegungen, die von der Lufft geſchehn, Und aͤuſſerlich entſtehn. Die Hitze wird im Blut gelindert und erreget: Gleichwie ein Coͤrper Kraͤffte heget, Daß er den andern hemmt, und auch beweget. Alſo erregt die Laute, die die Hand Des Meiſters kuͤnſtlich greifft, ein ſolch Erſchuͤttern Jm Blut’, das ſich zu langſam regt: Sie fuͤllt mit einem regen Zittern Ein anders, deſſen Lauff ſich feuriger bewegt: Und unſre Seele fuͤhlt die Eigenſchafft ſo bald Von einer ſanfteren und ſtrengeren Gewalt. Durch, E e 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/471
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/471>, abgerufen am 22.11.2024.