Durch einem Ton, der langsam, wird das Hertz Mit Ruhe, Traurigkeit, und langer Weil' erfüllet: Geschwinde Tön' hingegen würcken Schertz, Vergnügen, Freude, Zorn. Nachdem die Drücke nun Durch unterschiedne Tön, an den Gedancken hafften, Und unterschiedne Würckungen verüben, Nach dem sind unsre Seelen auch getrieben Zu unterschiednen Leidenschafften.
Ein solch Empfinden nun geschicht Jn den getroffnen Ohren nicht, Auch nicht in den bewegten Sehnen, Nicht im Gehirn, wohin die Regungen sich dehnen. Nein, in der Seele zeigets sich, Die sich beschäfftigt, innerlich, Durch die Bewegungen, die von der Lufft geschehn, Und äusserlich entstehn.
Die Hitze wird im Blut gelindert und erreget: Gleichwie ein Cörper Kräffte heget, Daß er den andern hemmt, und auch beweget. Also erregt die Laute, die die Hand Des Meisters künstlich greifft, ein solch Erschüttern Jm Blut', das sich zu langsam regt: Sie füllt mit einem regen Zittern Ein anders, dessen Lauff sich feuriger bewegt: Und unsre Seele fühlt die Eigenschafft so bald Von einer sanfteren und strengeren Gewalt.
Durch,
E e 5
Vom Gehoͤr.
Durch einem Ton, der langſam, wird das Hertz Mit Ruhe, Traurigkeit, und langer Weil’ erfuͤllet: Geſchwinde Toͤn’ hingegen wuͤrcken Schertz, Vergnuͤgen, Freude, Zorn. Nachdem die Druͤcke nun Durch unterſchiedne Toͤn, an den Gedancken hafften, Und unterſchiedne Wuͤrckungen veruͤben, Nach dem ſind unſre Seelen auch getrieben Zu unterſchiednen Leidenſchafften.
Ein ſolch Empfinden nun geſchicht Jn den getroffnen Ohren nicht, Auch nicht in den bewegten Sehnen, Nicht im Gehirn, wohin die Regungen ſich dehnen. Nein, in der Seele zeigets ſich, Die ſich beſchaͤfftigt, innerlich, Durch die Bewegungen, die von der Lufft geſchehn, Und aͤuſſerlich entſtehn.
Die Hitze wird im Blut gelindert und erreget: Gleichwie ein Coͤrper Kraͤffte heget, Daß er den andern hemmt, und auch beweget. Alſo erregt die Laute, die die Hand Des Meiſters kuͤnſtlich greifft, ein ſolch Erſchuͤttern Jm Blut’, das ſich zu langſam regt: Sie fuͤllt mit einem regen Zittern Ein anders, deſſen Lauff ſich feuriger bewegt: Und unſre Seele fuͤhlt die Eigenſchafft ſo bald Von einer ſanfteren und ſtrengeren Gewalt.
Durch,
E e 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0471"n="441"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vom Gehoͤr.</hi></fw><lb/><lgtype="poem"><l>Durch einem Ton, der langſam, wird das Hertz</l><lb/><l>Mit Ruhe, Traurigkeit, und langer Weil’ erfuͤllet:</l><lb/><l>Geſchwinde Toͤn’ hingegen wuͤrcken Schertz,</l><lb/><l>Vergnuͤgen, Freude, Zorn. Nachdem die Druͤcke nun</l><lb/><l>Durch unterſchiedne Toͤn, an den Gedancken hafften,</l><lb/><l>Und unterſchiedne Wuͤrckungen veruͤben,</l><lb/><l>Nach dem ſind unſre Seelen auch getrieben</l><lb/><l>Zu unterſchiednen Leidenſchafften.</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">E</hi>in ſolch Empfinden nun geſchicht</l><lb/><l>Jn den getroffnen Ohren nicht,</l><lb/><l>Auch nicht in den bewegten Sehnen,</l><lb/><l>Nicht im Gehirn, wohin die Regungen ſich dehnen.</l><lb/><l>Nein, in der Seele zeigets ſich,</l><lb/><l>Die ſich beſchaͤfftigt, innerlich,</l><lb/><l>Durch die Bewegungen, die von der Lufft geſchehn,</l><lb/><l>Und aͤuſſerlich entſtehn.</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">D</hi>ie Hitze wird im Blut gelindert und erreget:</l><lb/><l>Gleichwie ein Coͤrper Kraͤffte heget,</l><lb/><l>Daß er den andern hemmt, und auch beweget.</l><lb/><l>Alſo erregt die Laute, die die Hand</l><lb/><l>Des Meiſters kuͤnſtlich greifft, ein ſolch Erſchuͤttern</l><lb/><l>Jm Blut’, das ſich zu langſam regt:</l><lb/><l>Sie fuͤllt mit einem regen Zittern</l><lb/><l>Ein anders, deſſen Lauff ſich feuriger bewegt:</l><lb/><l>Und unſre Seele fuͤhlt die Eigenſchafft ſo bald</l><lb/><l>Von einer ſanfteren und ſtrengeren Gewalt.</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig">E e 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Durch,</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[441/0471]
Vom Gehoͤr.
Durch einem Ton, der langſam, wird das Hertz
Mit Ruhe, Traurigkeit, und langer Weil’ erfuͤllet:
Geſchwinde Toͤn’ hingegen wuͤrcken Schertz,
Vergnuͤgen, Freude, Zorn. Nachdem die Druͤcke nun
Durch unterſchiedne Toͤn, an den Gedancken hafften,
Und unterſchiedne Wuͤrckungen veruͤben,
Nach dem ſind unſre Seelen auch getrieben
Zu unterſchiednen Leidenſchafften.
Ein ſolch Empfinden nun geſchicht
Jn den getroffnen Ohren nicht,
Auch nicht in den bewegten Sehnen,
Nicht im Gehirn, wohin die Regungen ſich dehnen.
Nein, in der Seele zeigets ſich,
Die ſich beſchaͤfftigt, innerlich,
Durch die Bewegungen, die von der Lufft geſchehn,
Und aͤuſſerlich entſtehn.
Die Hitze wird im Blut gelindert und erreget:
Gleichwie ein Coͤrper Kraͤffte heget,
Daß er den andern hemmt, und auch beweget.
Alſo erregt die Laute, die die Hand
Des Meiſters kuͤnſtlich greifft, ein ſolch Erſchuͤttern
Jm Blut’, das ſich zu langſam regt:
Sie fuͤllt mit einem regen Zittern
Ein anders, deſſen Lauff ſich feuriger bewegt:
Und unſre Seele fuͤhlt die Eigenſchafft ſo bald
Von einer ſanfteren und ſtrengeren Gewalt.
Durch,
E e 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/471>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.