Es ist nicht in der Lufft der Ton, wie man vermeint, Und Cörper, welche klingen, Die haben nicht den Klang in ihnen, wie es scheint. Es mag ein laut Geheul' uns in die Ohren dringen Vom Walde, der gepeitscht durch wilder Winde Wuth; Man höre das Gebrüll der aufgebrachten Fluth. Der Ton ist nicht vermischt mit dem Bewegen: Er wird in uns gezeugt dadurch allein, Daß sich der Ohren Nerven regen.
Kommt es nicht offtermals, daß, mitten in der Stille, Man fühlet im verstopfften Kopff Ein Klingen, Tönen, ein Geklopff, Die ja von äusserlichen Dingen, Unstreitig nicht entstehen noch entspringen. Es lassen uns ein Heulen, ein Gebrülle, Durch ein Geknirsch' gewisse Anfäll' hören, Die uns mit Schmertz und Pein Zum öfftern jämmerlich beschweren, Und die doch bloß in uns erzeuget seyn.
Ein Krancker, den die Miltz-Beschwerung drückt, Hört offt, wie in der Lufft ein schön Concert erklinget; Es ist die Seel' in ihm erstaunet und entzückt, Durch liebliche Music, die in ihm selbst entspringet.
Es
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Vom Gehoͤr.
Es iſt nicht in der Lufft der Ton, wie man vermeint, Und Coͤrper, welche klingen, Die haben nicht den Klang in ihnen, wie es ſcheint. Es mag ein laut Geheul’ uns in die Ohren dringen Vom Walde, der gepeitſcht durch wilder Winde Wuth; Man hoͤre das Gebruͤll der aufgebrachten Fluth. Der Ton iſt nicht vermiſcht mit dem Bewegen: Er wird in uns gezeugt dadurch allein, Daß ſich der Ohren Nerven regen.
Kommt es nicht offtermals, daß, mitten in der Stille, Man fuͤhlet im verſtopfften Kopff Ein Klingen, Toͤnen, ein Geklopff, Die ja von aͤuſſerlichen Dingen, Unſtreitig nicht entſtehen noch entſpringen. Es laſſen uns ein Heulen, ein Gebruͤlle, Durch ein Geknirſch’ gewiſſe Anfaͤll’ hoͤren, Die uns mit Schmertz und Pein Zum oͤfftern jaͤmmerlich beſchweren, Und die doch bloß in uns erzeuget ſeyn.
Ein Krancker, den die Miltz-Beſchwerung druͤckt, Hoͤrt offt, wie in der Lufft ein ſchoͤn Concert erklinget; Es iſt die Seel’ in ihm erſtaunet und entzuͤckt, Durch liebliche Muſic, die in ihm ſelbſt entſpringet.
Es
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Vom Gehoͤr.
Es iſt nicht in der Lufft der Ton, wie man vermeint,
Und Coͤrper, welche klingen,
Die haben nicht den Klang in ihnen, wie es ſcheint.
Es mag ein laut Geheul’ uns in die Ohren dringen
Vom Walde, der gepeitſcht durch wilder Winde Wuth;
Man hoͤre das Gebruͤll der aufgebrachten Fluth.
Der Ton iſt nicht vermiſcht mit dem Bewegen:
Er wird in uns gezeugt dadurch allein,
Daß ſich der Ohren Nerven regen.
Kommt es nicht offtermals, daß, mitten in der Stille,
Man fuͤhlet im verſtopfften Kopff
Ein Klingen, Toͤnen, ein Geklopff,
Die ja von aͤuſſerlichen Dingen,
Unſtreitig nicht entſtehen noch entſpringen.
Es laſſen uns ein Heulen, ein Gebruͤlle,
Durch ein Geknirſch’ gewiſſe Anfaͤll’ hoͤren,
Die uns mit Schmertz und Pein
Zum oͤfftern jaͤmmerlich beſchweren,
Und die doch bloß in uns erzeuget ſeyn.
Ein Krancker, den die Miltz-Beſchwerung druͤckt,
Hoͤrt offt, wie in der Lufft ein ſchoͤn Concert erklinget;
Es iſt die Seel’ in ihm erſtaunet und entzuͤckt,
Durch liebliche Muſic, die in ihm ſelbſt entſpringet.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/467>, abgerufen am 22.11.2024.
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