Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Von den Farben. Hätt' ihn von Jugend an die Kranckheit eingenommen; So wär ihm alles gelb auf Erden vorgekommen: Und wir, die wir gesund, da von der Jugend an Die Farben bloß bey uns beurtheilt seyn, So stimmen wir darin mit niemand überein. Der Werckzeug Unterscheid erregt bey jedermann Die Mannigfaltigkeit, die man kaum zählen kan. Jn Farben hat uns nichts vereinen können, Als daß wir sie auf eine Weise nennen. Die Menschen werden wol auf Erden Jn diesen Punct nicht leicht vereinigt werden: Ob sie sich gleich bestreben und befleissen Die Dinge blau, gelb, roth und grün zu heissen. Jndessen muß man doch gestehn, Daß Schildereyen, Blüht' und eine Lufft, die schön, Ja endlich alle Ding geschickt sind zu erregen Das unterschiedliche Bewegen, Woraus bey uns die Farb' entspriesset. Aus dem Licht, Das auf den Flächen sich verändert, theilt und bricht, Entspringen und entstehen Der Farben Meng' und Zahl, durch welche wir sie sehen. Die Striche, blos durchs Licht verändert, die ich schau, Formiren roth und grün, und schwartz, und weiß, und blau. Verändern sich die Flächen; werden schnell Die Farben alsobald mehr dunckel, und mehr hell. Bald sind sie durch den Druck der Lufft zertrennet, Durchs Feuer sind sie auch zerstöhret und verbrennet. Auf B b 4
Von den Farben. Haͤtt’ ihn von Jugend an die Kranckheit eingenommen; So waͤr ihm alles gelb auf Erden vorgekommen: Und wir, die wir geſund, da von der Jugend an Die Farben bloß bey uns beurtheilt ſeyn, So ſtimmen wir darin mit niemand uͤberein. Der Werckzeug Unterſcheid erregt bey jedermann Die Mannigfaltigkeit, die man kaum zaͤhlen kan. Jn Farben hat uns nichts vereinen koͤnnen, Als daß wir ſie auf eine Weiſe nennen. Die Menſchen werden wol auf Erden Jn dieſen Punct nicht leicht vereinigt werden: Ob ſie ſich gleich beſtreben und befleiſſen Die Dinge blau, gelb, roth und gruͤn zu heiſſen. Jndeſſen muß man doch geſtehn, Daß Schildereyen, Bluͤht’ und eine Lufft, die ſchoͤn, Ja endlich alle Ding geſchickt ſind zu erregen Das unterſchiedliche Bewegen, Woraus bey uns die Farb’ entſprieſſet. Aus dem Licht, Das auf den Flaͤchen ſich veraͤndert, theilt und bricht, Entſpringen und entſtehen Der Farben Meng’ und Zahl, durch welche wir ſie ſehen. Die Striche, blos durchs Licht veraͤndert, die ich ſchau, Formiren roth und gruͤn, und ſchwartz, und weiß, und blau. Veraͤndern ſich die Flaͤchen; werden ſchnell Die Farben alſobald mehr dunckel, und mehr hell. Bald ſind ſie durch den Druck der Lufft zertrennet, Durchs Feuer ſind ſie auch zerſtoͤhret und verbrennet. Auf B b 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0421" n="391"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von den Farben.</hi> </fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">H</hi>aͤtt’ ihn von Jugend an die Kranckheit eingenommen;</l><lb/> <l>So waͤr ihm alles gelb auf Erden vorgekommen:</l><lb/> <l>Und wir, die wir geſund, da von der Jugend an</l><lb/> <l>Die Farben bloß bey uns beurtheilt ſeyn,</l><lb/> <l>So ſtimmen wir darin mit niemand uͤberein.</l><lb/> <l>Der Werckzeug Unterſcheid erregt bey jedermann</l><lb/> <l>Die Mannigfaltigkeit, die man kaum zaͤhlen kan.</l><lb/> <l>Jn Farben hat uns nichts vereinen koͤnnen,</l><lb/> <l>Als daß wir ſie auf eine Weiſe nennen.</l><lb/> <l>Die Menſchen werden wol auf Erden</l><lb/> <l>Jn dieſen Punct nicht leicht vereinigt werden:</l><lb/> <l>Ob ſie ſich gleich beſtreben und befleiſſen</l><lb/> <l>Die Dinge <hi rendition="#fr">blau, gelb, roth</hi> und <hi rendition="#fr">gruͤn</hi> zu heiſſen.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">J</hi>ndeſſen muß man doch geſtehn,</l><lb/> <l>Daß Schildereyen, Bluͤht’ und eine Lufft, die ſchoͤn,</l><lb/> <l>Ja endlich alle Ding geſchickt ſind zu erregen</l><lb/> <l>Das unterſchiedliche Bewegen,</l><lb/> <l>Woraus bey uns die Farb’ entſprieſſet. Aus dem Licht,</l><lb/> <l>Das auf den Flaͤchen ſich veraͤndert, theilt und bricht,</l><lb/> <l>Entſpringen und entſtehen</l><lb/> <l>Der Farben Meng’ und Zahl, durch welche wir ſie ſehen.</l><lb/> <l>Die Striche, blos durchs Licht veraͤndert, die ich ſchau,</l><lb/> <l>Formiren <hi rendition="#fr">roth</hi> und <hi rendition="#fr">gruͤn,</hi> und <hi rendition="#fr">ſchwartz,</hi> und <hi rendition="#fr">weiß,</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#et">und <hi rendition="#fr">blau.</hi></hi> </l><lb/> <l>Veraͤndern ſich die Flaͤchen; werden ſchnell</l><lb/> <l>Die Farben alſobald mehr dunckel, und mehr hell.</l><lb/> <l>Bald ſind ſie durch den Druck der Lufft zertrennet,</l><lb/> <l>Durchs Feuer ſind ſie auch zerſtoͤhret und verbrennet.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">B b 4</fw> <fw place="bottom" type="catch">Auf</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [391/0421]
Von den Farben.
Haͤtt’ ihn von Jugend an die Kranckheit eingenommen;
So waͤr ihm alles gelb auf Erden vorgekommen:
Und wir, die wir geſund, da von der Jugend an
Die Farben bloß bey uns beurtheilt ſeyn,
So ſtimmen wir darin mit niemand uͤberein.
Der Werckzeug Unterſcheid erregt bey jedermann
Die Mannigfaltigkeit, die man kaum zaͤhlen kan.
Jn Farben hat uns nichts vereinen koͤnnen,
Als daß wir ſie auf eine Weiſe nennen.
Die Menſchen werden wol auf Erden
Jn dieſen Punct nicht leicht vereinigt werden:
Ob ſie ſich gleich beſtreben und befleiſſen
Die Dinge blau, gelb, roth und gruͤn zu heiſſen.
Jndeſſen muß man doch geſtehn,
Daß Schildereyen, Bluͤht’ und eine Lufft, die ſchoͤn,
Ja endlich alle Ding geſchickt ſind zu erregen
Das unterſchiedliche Bewegen,
Woraus bey uns die Farb’ entſprieſſet. Aus dem Licht,
Das auf den Flaͤchen ſich veraͤndert, theilt und bricht,
Entſpringen und entſtehen
Der Farben Meng’ und Zahl, durch welche wir ſie ſehen.
Die Striche, blos durchs Licht veraͤndert, die ich ſchau,
Formiren roth und gruͤn, und ſchwartz, und weiß,
und blau.
Veraͤndern ſich die Flaͤchen; werden ſchnell
Die Farben alſobald mehr dunckel, und mehr hell.
Bald ſind ſie durch den Druck der Lufft zertrennet,
Durchs Feuer ſind ſie auch zerſtoͤhret und verbrennet.
Auf
B b 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |