Man spreche nicht: es sey nur Frechheit, die den Geist Mit einer unfruchtbar-und falschen Hoffnung speist, Geheimniss' auszufinden, Die nie ein Mensch vermögend zu ergründen. Man spreche nicht: es such' ein' eitle Wissenschafft Durch falschen Köder uns zu täuschen, zu betrügen. Uns leitet die Vernunfft, sie reitzt durch ihre Krafft Zur Ewigen Vernunfft uns zu verfügen. Dies ist es eigentlich, was einen Menschen macht, Und was er wissen soll. Solch edeles-Vergnügen Soll billig einzig und allein So seine Pflicht, als Endzweck seyn.
Allein, wen werd ich mir zu einem Führer wehlen? Wer von der Weisen Zunfft, aus den begrauten Zeiten, Wird meinen bangen Fuß, so daß ich nicht mag fehlen, Zum Steig der Wahrheit leiten? Jch überlege die Geschichte Von Künsten und von Wissenschafften. Die Namen, welche das Gerüchte Verewigt, stell ich mir Von neuen in Gedancken für. Jch bringe von den alten Weisen Die ganze Zahl berühmter Greisen, Die von den Griechen stammen, Auf einen Hauffen hier zusammen; Wie der Apelles unsrer Zeit, Jn seiner Schul, (*) in solcher Treff lichkeit, Dieselbigen gewust uns darzustellen.
Sie
(*) Der Herr Abt hat hier seine Absicht auf ein vortreffliches Gemählde des Raphael gehabt, welches die Schule zu Athen genennet wird.
A 4
Von den Weltweiſen.
Man ſpreche nicht: es ſey nur Frechheit, die den Geiſt Mit einer unfruchtbar-und falſchen Hoffnung ſpeiſt, Geheimniſſ’ auszufinden, Die nie ein Menſch vermoͤgend zu ergruͤnden. Man ſpreche nicht: es ſuch’ ein’ eitle Wiſſenſchafft Durch falſchen Koͤder uns zu taͤuſchen, zu betruͤgen. Uns leitet die Vernunfft, ſie reitzt durch ihre Krafft Zur Ewigen Vernunfft uns zu verfuͤgen. Dies iſt es eigentlich, was einen Menſchen macht, Und was er wiſſen ſoll. Solch edeles-Vergnuͤgen Soll billig einzig und allein So ſeine Pflicht, als Endzweck ſeyn.
Allein, wen werd ich mir zu einem Fuͤhrer wehlen? Wer von der Weiſen Zunfft, aus den begrauten Zeiten, Wird meinen bangen Fuß, ſo daß ich nicht mag fehlen, Zum Steig der Wahrheit leiten? Jch uͤberlege die Geſchichte Von Kuͤnſten und von Wiſſenſchafften. Die Namen, welche das Geruͤchte Verewigt, ſtell ich mir Von neuen in Gedancken fuͤr. Jch bringe von den alten Weiſen Die ganze Zahl beruͤhmter Greiſen, Die von den Griechen ſtammen, Auf einen Hauffen hier zuſammen; Wie der Apelles unſrer Zeit, Jn ſeiner Schul, (*) in ſolcher Treff lichkeit, Dieſelbigen gewuſt uns darzuſtellen.
Sie
(*) Der Herr Abt hat hier ſeine Abſicht auf ein vortreffliches Gemaͤhlde des Raphael gehabt, welches die Schule zu Athen genennet wird.
A 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0037"n="7"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von den Weltweiſen.</hi></fw><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">M</hi>an ſpreche nicht: es ſey nur Frechheit, die den Geiſt</l><lb/><l>Mit einer unfruchtbar-und falſchen Hoffnung ſpeiſt,</l><lb/><l>Geheimniſſ’ auszufinden,</l><lb/><l>Die nie ein Menſch vermoͤgend zu ergruͤnden.</l><lb/><l>Man ſpreche nicht: es ſuch’ ein’ eitle Wiſſenſchafft</l><lb/><l>Durch falſchen Koͤder uns zu taͤuſchen, zu betruͤgen.</l><lb/><l>Uns leitet die Vernunfft, ſie reitzt durch ihre Krafft</l><lb/><l>Zur <hirendition="#fr">Ewigen Vernunfft</hi> uns zu verfuͤgen.</l><lb/><l>Dies iſt es eigentlich, was einen Menſchen macht,</l><lb/><l>Und was er wiſſen ſoll. Solch edeles-Vergnuͤgen</l><lb/><l>Soll billig einzig und allein</l><lb/><l>So ſeine Pflicht, als Endzweck ſeyn.</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">A</hi>llein, wen werd ich mir zu einem Fuͤhrer wehlen?</l><lb/><l>Wer von der Weiſen Zunfft, aus den begrauten Zeiten,</l><lb/><l>Wird meinen bangen Fuß, ſo daß ich nicht mag fehlen,</l><lb/><l>Zum Steig der Wahrheit leiten?</l><lb/><l>Jch uͤberlege die Geſchichte</l><lb/><l>Von Kuͤnſten und von Wiſſenſchafften.</l><lb/><l>Die Namen, welche das Geruͤchte</l><lb/><l>Verewigt, ſtell ich mir</l><lb/><l>Von neuen in Gedancken fuͤr.</l><lb/><l>Jch bringe von den alten Weiſen</l><lb/><l>Die ganze Zahl beruͤhmter Greiſen,</l><lb/><l>Die von den Griechen ſtammen,</l><lb/><l>Auf einen Hauffen hier zuſammen;</l><lb/><l>Wie der Apelles unſrer Zeit,</l><lb/><l>Jn ſeiner Schul, <noteplace="foot"n="(*)">Der Herr Abt hat hier ſeine Abſicht auf ein vortreffliches Gemaͤhlde des<lb/><hirendition="#fr">Raphael</hi> gehabt, welches <hirendition="#fr">die Schule zu Athen</hi> genennet wird.</note> in ſolcher Treff lichkeit,</l><lb/><l>Dieſelbigen gewuſt uns darzuſtellen.</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Sie</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[7/0037]
Von den Weltweiſen.
Man ſpreche nicht: es ſey nur Frechheit, die den Geiſt
Mit einer unfruchtbar-und falſchen Hoffnung ſpeiſt,
Geheimniſſ’ auszufinden,
Die nie ein Menſch vermoͤgend zu ergruͤnden.
Man ſpreche nicht: es ſuch’ ein’ eitle Wiſſenſchafft
Durch falſchen Koͤder uns zu taͤuſchen, zu betruͤgen.
Uns leitet die Vernunfft, ſie reitzt durch ihre Krafft
Zur Ewigen Vernunfft uns zu verfuͤgen.
Dies iſt es eigentlich, was einen Menſchen macht,
Und was er wiſſen ſoll. Solch edeles-Vergnuͤgen
Soll billig einzig und allein
So ſeine Pflicht, als Endzweck ſeyn.
Allein, wen werd ich mir zu einem Fuͤhrer wehlen?
Wer von der Weiſen Zunfft, aus den begrauten Zeiten,
Wird meinen bangen Fuß, ſo daß ich nicht mag fehlen,
Zum Steig der Wahrheit leiten?
Jch uͤberlege die Geſchichte
Von Kuͤnſten und von Wiſſenſchafften.
Die Namen, welche das Geruͤchte
Verewigt, ſtell ich mir
Von neuen in Gedancken fuͤr.
Jch bringe von den alten Weiſen
Die ganze Zahl beruͤhmter Greiſen,
Die von den Griechen ſtammen,
Auf einen Hauffen hier zuſammen;
Wie der Apelles unſrer Zeit,
Jn ſeiner Schul, (*) in ſolcher Treff lichkeit,
Dieſelbigen gewuſt uns darzuſtellen.
Sie
(*) Der Herr Abt hat hier ſeine Abſicht auf ein vortreffliches Gemaͤhlde des
Raphael gehabt, welches die Schule zu Athen genennet wird.
A 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/37>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.