Sah' er, so voller Kunst, den schönen Bau der Welt; Hat er sich ihn, als wenn er lebte, Und durch den Himmels-Stoff beseelt sey, vorgestellt. Doch sonder so gar weit zu gehen, Kan man von diesem Stoff so| viel gewiß verstehen, Er sey an jedem Ort. Durch die stets rege Gluht Entwickelt er die Pflantzen, senckt ihr Bluht, Den fruchtbarn Nahrungs-Safft, in ihren Schooß; Es wird der Keim durch ihn bloß fruchtbar, reg und groß. Er wirckt in unserm Leib' den wurtzelichten Safft, Der unsre Geister treibt, wodurch das Bluht So flüßig wird, und nimmer ruht: Die gäntzliche Natur verspühret seine Krafft.
Er nimmt, indem er sich da, wo es leer ist, sencket; Stets allerley Gestalten an, Durchdringt das festeste, weil nichts ihn| hemmen kan. Der Lufft, der Himmels-Lufft geheime Federn lencket, Sein' immerflüßige Beschaffenheit, Die sich so leicht, so fertig reget: Sein Druck der würckenden Geschwindigkeit Fängt die Bewegung an, die alle Welt beweget.
Von
Q 3
Von der Subtilen Materie.
Sah’ er, ſo voller Kunſt, den ſchoͤnen Bau der Welt; Hat er ſich ihn, als wenn er lebte, Und durch den Himmels-Stoff beſeelt ſey, vorgeſtellt. Doch ſonder ſo gar weit zu gehen, Kan man von dieſem Stoff ſo| viel gewiß verſtehen, Er ſey an jedem Ort. Durch die ſtets rege Gluht Entwickelt er die Pflantzen, ſenckt ihr Bluht, Den fruchtbarn Nahrungs-Safft, in ihren Schooß; Es wird der Keim durch ihn bloß fruchtbar, reg und groß. Er wirckt in unſerm Leib’ den wurtzelichten Safft, Der unſre Geiſter treibt, wodurch das Bluht So fluͤßig wird, und nimmer ruht: Die gaͤntzliche Natur verſpuͤhret ſeine Krafft.
Er nimmt, indem er ſich da, wo es leer iſt, ſencket; Stets allerley Geſtalten an, Durchdringt das feſteſte, weil nichts ihn| hemmen kan. Der Lufft, der Himmels-Lufft geheime Federn lencket, Sein’ immerfluͤßige Beſchaffenheit, Die ſich ſo leicht, ſo fertig reget: Sein Druck der wuͤrckenden Geſchwindigkeit Faͤngt die Bewegung an, die alle Welt beweget.
Von
Q 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0275"n="245"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von der Subtilen Materie.</hi></fw><lb/><lgtype="poem"><l>Sah’ er, ſo voller Kunſt, den ſchoͤnen Bau der Welt;</l><lb/><l>Hat er ſich ihn, als wenn er lebte,</l><lb/><l>Und durch den Himmels-Stoff beſeelt ſey, vorgeſtellt.</l><lb/><l>Doch ſonder ſo gar weit zu gehen,</l><lb/><l>Kan man von dieſem Stoff ſo| viel gewiß verſtehen,</l><lb/><l>Er ſey an jedem Ort. Durch die ſtets rege Gluht</l><lb/><l>Entwickelt er die Pflantzen, ſenckt ihr Bluht,</l><lb/><l>Den fruchtbarn Nahrungs-Safft, in ihren Schooß;</l><lb/><l>Es wird der Keim durch ihn bloß fruchtbar, reg und groß.</l><lb/><l>Er wirckt in unſerm Leib’ den wurtzelichten Safft,</l><lb/><l>Der unſre Geiſter treibt, wodurch das Bluht</l><lb/><l>So fluͤßig wird, und nimmer ruht:</l><lb/><l>Die gaͤntzliche Natur verſpuͤhret ſeine Krafft.</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">E</hi>r nimmt, indem er ſich da, wo es leer iſt, ſencket;</l><lb/><l>Stets allerley Geſtalten an,</l><lb/><l>Durchdringt das feſteſte, weil nichts ihn| hemmen kan.</l><lb/><l>Der Lufft, der Himmels-Lufft geheime Federn lencket,</l><lb/><l>Sein’ immerfluͤßige Beſchaffenheit,</l><lb/><l>Die ſich ſo leicht, ſo fertig reget:</l><lb/><l>Sein Druck der wuͤrckenden Geſchwindigkeit</l><lb/><l>Faͤngt die Bewegung an, die alle Welt beweget.</l></lg></div><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q 3</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Von</hi></fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[245/0275]
Von der Subtilen Materie.
Sah’ er, ſo voller Kunſt, den ſchoͤnen Bau der Welt;
Hat er ſich ihn, als wenn er lebte,
Und durch den Himmels-Stoff beſeelt ſey, vorgeſtellt.
Doch ſonder ſo gar weit zu gehen,
Kan man von dieſem Stoff ſo| viel gewiß verſtehen,
Er ſey an jedem Ort. Durch die ſtets rege Gluht
Entwickelt er die Pflantzen, ſenckt ihr Bluht,
Den fruchtbarn Nahrungs-Safft, in ihren Schooß;
Es wird der Keim durch ihn bloß fruchtbar, reg und groß.
Er wirckt in unſerm Leib’ den wurtzelichten Safft,
Der unſre Geiſter treibt, wodurch das Bluht
So fluͤßig wird, und nimmer ruht:
Die gaͤntzliche Natur verſpuͤhret ſeine Krafft.
Er nimmt, indem er ſich da, wo es leer iſt, ſencket;
Stets allerley Geſtalten an,
Durchdringt das feſteſte, weil nichts ihn| hemmen kan.
Der Lufft, der Himmels-Lufft geheime Federn lencket,
Sein’ immerfluͤßige Beſchaffenheit,
Die ſich ſo leicht, ſo fertig reget:
Sein Druck der wuͤrckenden Geſchwindigkeit
Faͤngt die Bewegung an, die alle Welt beweget.
Von
Q 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/275>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.