Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Von der Schwere, Leichte, Fluht, Ebbe. Es übersteigt die Lufft durch seinen Schwall: Allein Wenn unser Blick das weite Reich der Wellen Betrachtet; wird es uns gar leicht begreifflich seyn: Die sonst gepresste Lufft erreg' ein solches Schwellen. Bemerckt man, daß die Ebb' und Fluht des Mondes Lauff Beständig folge; hört bald die Bewundrung auf. Man nimmt an beyden fast denselben Gaug in Acht, So uns denn muthiger zur Untersuchung macht. Der Zeug, der flüßig ist, worinn die Erde geht, Wird in ovalem Creis in höchster Eil gedreht. Der Mond, der auch darinn sich reget, Wird dennoch nicht so schnell beweget, Beym kleinsten Durchschnitt nun, wo sich der Weg verengt, Jst, durch die Festigkeit des Mondes, dieser Fluß Gehemmet und gedrängt: Durch welchen Stoß die Erde dann, gerücket, Aus ihrer Lag' in etwas weichen muß. Dahin, wo dieser Weg dadurch zugleich gedrücket, Macht, daß der Lufft-Fluß auch daselbst gepresset wird. Die Wasser, so allda, beym doppeln Punct der Erden, Gedrücket und gedränget werden; Sind an dem Ort, woselbst der Circkel ist gezogen, Der Tag und Nacht gleich macht, gebogen, Und in der Mitten gleichsam hol: Wodurch im Gegentheil bey einem jeden Pol Die Fluhten sich erhöhn, Und über ihre Ufer gehn. Und P 5
Von der Schwere, Leichte, Fluht, Ebbe. Es uͤberſteigt die Lufft durch ſeinen Schwall: Allein Wenn unſer Blick das weite Reich der Wellen Betrachtet; wird es uns gar leicht begreifflich ſeyn: Die ſonſt gepreſſte Lufft erreg’ ein ſolches Schwellen. Bemerckt man, daß die Ebb’ und Fluht des Mondes Lauff Beſtaͤndig folge; hoͤrt bald die Bewundrung auf. Man nimmt an beyden faſt denſelben Gaug in Acht, So uns denn muthiger zur Unterſuchung macht. Der Zeug, der fluͤßig iſt, worinn die Erde geht, Wird in ovalem Creis in hoͤchſter Eil gedreht. Der Mond, der auch darinn ſich reget, Wird dennoch nicht ſo ſchnell beweget, Beym kleinſten Durchſchnitt nun, wo ſich der Weg verengt, Jſt, durch die Feſtigkeit des Mondes, dieſer Fluß Gehemmet und gedraͤngt: Durch welchen Stoß die Erde dann, geruͤcket, Aus ihrer Lag’ in etwas weichen muß. Dahin, wo dieſer Weg dadurch zugleich gedruͤcket, Macht, daß der Lufft-Fluß auch daſelbſt gepreſſet wird. Die Waſſer, ſo allda, beym doppeln Punct der Erden, Gedruͤcket und gedraͤnget werden; Sind an dem Ort, woſelbſt der Circkel iſt gezogen, Der Tag und Nacht gleich macht, gebogen, Und in der Mitten gleichſam hol: Wodurch im Gegentheil bey einem jeden Pol Die Fluhten ſich erhoͤhn, Und uͤber ihre Ufer gehn. Und P 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0263" n="233"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von der Schwere, Leichte, Fluht, Ebbe.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <l>Es uͤberſteigt die Lufft durch ſeinen Schwall: Allein</l><lb/> <l>Wenn unſer Blick das weite Reich der Wellen</l><lb/> <l>Betrachtet; wird es uns gar leicht begreifflich ſeyn:</l><lb/> <l>Die ſonſt gepreſſte Lufft erreg’ ein ſolches Schwellen.</l><lb/> <l>Bemerckt man, daß die Ebb’ und Fluht des Mondes Lauff</l><lb/> <l>Beſtaͤndig folge; hoͤrt bald die Bewundrung auf.</l><lb/> <l>Man nimmt an beyden faſt denſelben Gaug in Acht,</l><lb/> <l>So uns denn muthiger zur Unterſuchung macht.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">D</hi>er Zeug, der fluͤßig iſt, worinn die Erde geht,</l><lb/> <l>Wird in ovalem Creis in hoͤchſter Eil gedreht.</l><lb/> <l>Der Mond, der auch darinn ſich reget,</l><lb/> <l>Wird dennoch nicht ſo ſchnell beweget,</l><lb/> <l>Beym kleinſten Durchſchnitt nun, wo ſich der Weg verengt,</l><lb/> <l>Jſt, durch die Feſtigkeit des Mondes, dieſer Fluß</l><lb/> <l>Gehemmet und gedraͤngt:</l><lb/> <l>Durch welchen Stoß die Erde dann, geruͤcket,</l><lb/> <l>Aus ihrer Lag’ in etwas weichen muß.</l><lb/> <l>Dahin, wo dieſer Weg dadurch zugleich gedruͤcket,</l><lb/> <l>Macht, daß der Lufft-Fluß auch daſelbſt gepreſſet wird.</l><lb/> <l>Die Waſſer, ſo allda, beym doppeln Punct der Erden,</l><lb/> <l>Gedruͤcket und gedraͤnget werden;</l><lb/> <l>Sind an dem Ort, woſelbſt der Circkel iſt gezogen,</l><lb/> <l>Der Tag und Nacht gleich macht, gebogen,</l><lb/> <l>Und in der Mitten gleichſam hol:</l><lb/> <l>Wodurch im Gegentheil bey einem jeden Pol</l><lb/> <l>Die Fluhten ſich erhoͤhn,</l><lb/> <l>Und uͤber ihre Ufer gehn.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">P 5</fw> <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [233/0263]
Von der Schwere, Leichte, Fluht, Ebbe.
Es uͤberſteigt die Lufft durch ſeinen Schwall: Allein
Wenn unſer Blick das weite Reich der Wellen
Betrachtet; wird es uns gar leicht begreifflich ſeyn:
Die ſonſt gepreſſte Lufft erreg’ ein ſolches Schwellen.
Bemerckt man, daß die Ebb’ und Fluht des Mondes Lauff
Beſtaͤndig folge; hoͤrt bald die Bewundrung auf.
Man nimmt an beyden faſt denſelben Gaug in Acht,
So uns denn muthiger zur Unterſuchung macht.
Der Zeug, der fluͤßig iſt, worinn die Erde geht,
Wird in ovalem Creis in hoͤchſter Eil gedreht.
Der Mond, der auch darinn ſich reget,
Wird dennoch nicht ſo ſchnell beweget,
Beym kleinſten Durchſchnitt nun, wo ſich der Weg verengt,
Jſt, durch die Feſtigkeit des Mondes, dieſer Fluß
Gehemmet und gedraͤngt:
Durch welchen Stoß die Erde dann, geruͤcket,
Aus ihrer Lag’ in etwas weichen muß.
Dahin, wo dieſer Weg dadurch zugleich gedruͤcket,
Macht, daß der Lufft-Fluß auch daſelbſt gepreſſet wird.
Die Waſſer, ſo allda, beym doppeln Punct der Erden,
Gedruͤcket und gedraͤnget werden;
Sind an dem Ort, woſelbſt der Circkel iſt gezogen,
Der Tag und Nacht gleich macht, gebogen,
Und in der Mitten gleichſam hol:
Wodurch im Gegentheil bey einem jeden Pol
Die Fluhten ſich erhoͤhn,
Und uͤber ihre Ufer gehn.
Und
P 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |