So drückt ihr Trieb sie stets in schneller Fahrt, Und ist ihr Lauff so dann von unterschiedner Art: Jm grossen Circkel-Creys sieht man sie fortgerissen, Da sie um ihre Ax zugleich sich drehen müssen.
Kan es wol anders seyn, daß unsre Erde, Jm Raum, der flüssig ist, getrieben und gewiegt, Wie andre Cörper auch, die so, wie sie, gefügt, Nicht auch wie sie, mit fortgeführet werde? Jndem des Himmels Trieb, der grössre Cörper träget, Sie ja mit weniger Gewalt beweget. Durch welche Ketten, welche Bande Erhielte sie sich doch in einem festen Stande? Ja, wie kan es doch nur den Schein der Wahrheit kriegen? Die Sonne, die ein solch unmeßbares Gefässe, Soll in so kurtzer Zeit des Creyses Rund durchfliegen Von ihres Wirbels Wunder-Grösse? Sie soll, sammt den gestirnten Creysen, (Ob ihren Raum kein Mensch gleich rechnen kan;) Auch der Planeten Heer, Saturn und Jupiter, Durch eine tägliche Bewegung nur allein Jn so gar wenigen Minuten um uns reisen? Wie? hat denn in der Welt die Erde, die so klein, Als wie ein Körnchen Sand, Jm Raum, der flüssig, einen Stand, Der unveränderlich, allein? Sie sieht, indem sie feste stehet, Daß die so grosse Welt um sie in Creyse gehet. Schliesst man denn nicht mit mehr Wahrscheinlichkeit, Daß sich die Erde allezeit Um ihre kleine Axe drehet?
Be
N 2
Von der Sonne, Planeten, Firmament.
So druͤckt ihr Trieb ſie ſtets in ſchneller Fahrt, Und iſt ihr Lauff ſo dann von unterſchiedner Art: Jm groſſen Circkel-Creys ſieht man ſie fortgeriſſen, Da ſie um ihre Ax zugleich ſich drehen muͤſſen.
Kan es wol anders ſeyn, daß unſre Erde, Jm Raum, der fluͤſſig iſt, getrieben und gewiegt, Wie andre Coͤrper auch, die ſo, wie ſie, gefuͤgt, Nicht auch wie ſie, mit fortgefuͤhret werde? Jndem des Himmels Trieb, der groͤſſre Coͤrper traͤget, Sie ja mit weniger Gewalt beweget. Durch welche Ketten, welche Bande Erhielte ſie ſich doch in einem feſten Stande? Ja, wie kan es doch nur den Schein der Wahrheit kriegen? Die Sonne, die ein ſolch unmeßbares Gefaͤſſe, Soll in ſo kurtzer Zeit des Creyſes Rund durchfliegen Von ihres Wirbels Wunder-Groͤſſe? Sie ſoll, ſammt den geſtirnten Creyſen, (Ob ihren Raum kein Menſch gleich rechnen kan;) Auch der Planeten Heer, Saturn und Jupiter, Durch eine taͤgliche Bewegung nur allein Jn ſo gar wenigen Minuten um uns reiſen? Wie? hat denn in der Welt die Erde, die ſo klein, Als wie ein Koͤrnchen Sand, Jm Raum, der fluͤſſig, einen Stand, Der unveraͤnderlich, allein? Sie ſieht, indem ſie feſte ſtehet, Daß die ſo groſſe Welt um ſie in Creyſe gehet. Schlieſſt man denn nicht mit mehr Wahrſcheinlichkeit, Daß ſich die Erde allezeit Um ihre kleine Axe drehet?
Be
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Von der Sonne, Planeten, Firmament.
So druͤckt ihr Trieb ſie ſtets in ſchneller Fahrt,
Und iſt ihr Lauff ſo dann von unterſchiedner Art:
Jm groſſen Circkel-Creys ſieht man ſie fortgeriſſen,
Da ſie um ihre Ax zugleich ſich drehen muͤſſen.
Kan es wol anders ſeyn, daß unſre Erde,
Jm Raum, der fluͤſſig iſt, getrieben und gewiegt,
Wie andre Coͤrper auch, die ſo, wie ſie, gefuͤgt,
Nicht auch wie ſie, mit fortgefuͤhret werde?
Jndem des Himmels Trieb, der groͤſſre Coͤrper traͤget,
Sie ja mit weniger Gewalt beweget.
Durch welche Ketten, welche Bande
Erhielte ſie ſich doch in einem feſten Stande?
Ja, wie kan es doch nur den Schein der Wahrheit kriegen?
Die Sonne, die ein ſolch unmeßbares Gefaͤſſe,
Soll in ſo kurtzer Zeit des Creyſes Rund durchfliegen
Von ihres Wirbels Wunder-Groͤſſe?
Sie ſoll, ſammt den geſtirnten Creyſen,
(Ob ihren Raum kein Menſch gleich rechnen kan;)
Auch der Planeten Heer,
Saturn und Jupiter,
Durch eine taͤgliche Bewegung nur allein
Jn ſo gar wenigen Minuten um uns reiſen?
Wie? hat denn in der Welt die Erde, die ſo klein,
Als wie ein Koͤrnchen Sand,
Jm Raum, der fluͤſſig, einen Stand,
Der unveraͤnderlich, allein?
Sie ſieht, indem ſie feſte ſtehet,
Daß die ſo groſſe Welt um ſie in Creyſe gehet.
Schlieſſt man denn nicht mit mehr Wahrſcheinlichkeit,
Daß ſich die Erde allezeit
Um ihre kleine Axe drehet?
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/225>, abgerufen am 18.07.2024.
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