Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Von den Elementen.


Ein Moschus, (er verdient, daß sein Ruhm ewig sey.)
Entwarff zuerst dies schöne Lehr-Gebäu.
Denn dem Phoenicier allein
Wird die Philosophie den ersten neuen Schein
Jn ihrer Wieg, unstreitig schuldig seyn.
Es werden ihm mit grössern Rechte
Die Sieges-Palmen zugehören,
Als denen, die die Kunst dem menschlichen Geschlechte
Eröffneten, das Meer mit Schiffen zu beschweren.
Als denen ebenfalls, die durch die Kunst zu schreiben,
Die Wörter unserm Blick vermochten vorzustellen.
Wenn jene sich bestrebt, als Herr'n von Wind und Wellen,
(Den steiffen Blick zum Pol-Stern hingekehrt,
Der durch ein stetes Licht uns sichre Wege lehrt)
Jhr Schiff an ein entlegnes Land zu treiben:
Erfunden die die Kunst, die wol unsterblich heist,
Wodurch sich der Vergänglichkeit
So manche Helden-That entreisst,
Wodurch zugleich, ob sie gleich noch so weit
Sich von einander trennen,
Die Handlung, Freundschafft, Treu und Pflicht,
Von allen Orten her sich unterhalten können;
Hat Dieser, da sein Geist die ungemessne Tieffe,
Worinn der Zeug der Welt für uns verstecket,
Mit einem scharffen Blick durchlieffe,
Der Cörper ungezählte Zahl
Zuallererst entdecket,
Die so verschiedentlich geformt, sich seltsam fügen,
Die ein geheimer Trieb beweget allemahl.
Durch
J 4
Von den Elementen.


Ein Moſchus, (er verdient, daß ſein Ruhm ewig ſey.)
Entwarff zuerſt dies ſchoͤne Lehr-Gebaͤu.
Denn dem Phoenicier allein
Wird die Philoſophie den erſten neuen Schein
Jn ihrer Wieg, unſtreitig ſchuldig ſeyn.
Es werden ihm mit groͤſſern Rechte
Die Sieges-Palmen zugehoͤren,
Als denen, die die Kunſt dem menſchlichen Geſchlechte
Eroͤffneten, das Meer mit Schiffen zu beſchweren.
Als denen ebenfalls, die durch die Kunſt zu ſchreiben,
Die Woͤrter unſerm Blick vermochten vorzuſtellen.
Wenn jene ſich beſtrebt, als Herr’n von Wind und Wellen,
(Den ſteiffen Blick zum Pol-Stern hingekehrt,
Der durch ein ſtetes Licht uns ſichre Wege lehrt)
Jhr Schiff an ein entlegnes Land zu treiben:
Erfunden die die Kunſt, die wol unſterblich heiſt,
Wodurch ſich der Vergaͤnglichkeit
So manche Helden-That entreiſſt,
Wodurch zugleich, ob ſie gleich noch ſo weit
Sich von einander trennen,
Die Handlung, Freundſchafft, Treu und Pflicht,
Von allen Orten her ſich unterhalten koͤnnen;
Hat Dieſer, da ſein Geiſt die ungemeſſne Tieffe,
Worinn der Zeug der Welt fuͤr uns verſtecket,
Mit einem ſcharffen Blick durchlieffe,
Der Coͤrper ungezaͤhlte Zahl
Zuallererſt entdecket,
Die ſo verſchiedentlich geformt, ſich ſeltſam fuͤgen,
Die ein geheimer Trieb beweget allemahl.
Durch
J 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0165" n="135"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von den Elementen.</hi> </fw><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">E</hi>in <hi rendition="#fr">Mo&#x017F;chus,</hi> (er verdient, daß &#x017F;ein Ruhm ewig &#x017F;ey.)</l><lb/>
                <l>Entwarff zuer&#x017F;t dies &#x017F;cho&#x0364;ne Lehr-Geba&#x0364;u.</l><lb/>
                <l>Denn dem Phoenicier allein</l><lb/>
                <l>Wird die Philo&#x017F;ophie den er&#x017F;ten neuen Schein</l><lb/>
                <l>Jn ihrer Wieg, un&#x017F;treitig &#x017F;chuldig &#x017F;eyn.</l><lb/>
                <l>Es werden ihm mit gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Rechte</l><lb/>
                <l>Die Sieges-Palmen zugeho&#x0364;ren,</l><lb/>
                <l>Als denen, die die Kun&#x017F;t dem men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechte</l><lb/>
                <l>Ero&#x0364;ffneten, das Meer mit Schiffen zu be&#x017F;chweren.</l><lb/>
                <l>Als denen ebenfalls, die durch die Kun&#x017F;t zu &#x017F;chreiben,</l><lb/>
                <l>Die Wo&#x0364;rter un&#x017F;erm Blick vermochten vorzu&#x017F;tellen.</l><lb/>
                <l>Wenn jene &#x017F;ich be&#x017F;trebt, als Herr&#x2019;n von Wind und Wellen,</l><lb/>
                <l>(Den &#x017F;teiffen Blick zum Pol-Stern hingekehrt,</l><lb/>
                <l>Der durch ein &#x017F;tetes Licht uns &#x017F;ichre Wege lehrt)</l><lb/>
                <l>Jhr Schiff an ein entlegnes Land zu treiben:</l><lb/>
                <l>Erfunden die die Kun&#x017F;t, die wol un&#x017F;terblich hei&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>Wodurch &#x017F;ich der Verga&#x0364;nglichkeit</l><lb/>
                <l>So manche Helden-That entrei&#x017F;&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>Wodurch zugleich, ob &#x017F;ie gleich noch &#x017F;o weit</l><lb/>
                <l>Sich von einander trennen,</l><lb/>
                <l>Die Handlung, Freund&#x017F;chafft, Treu und Pflicht,</l><lb/>
                <l>Von allen Orten her &#x017F;ich unterhalten ko&#x0364;nnen;</l><lb/>
                <l>Hat Die&#x017F;er, da &#x017F;ein Gei&#x017F;t die ungeme&#x017F;&#x017F;ne Tieffe,</l><lb/>
                <l>Worinn der Zeug der Welt fu&#x0364;r uns ver&#x017F;tecket,</l><lb/>
                <l>Mit einem &#x017F;charffen Blick durchlieffe,</l><lb/>
                <l>Der Co&#x0364;rper ungeza&#x0364;hlte Zahl</l><lb/>
                <l>Zuallerer&#x017F;t entdecket,</l><lb/>
                <l>Die &#x017F;o ver&#x017F;chiedentlich geformt, &#x017F;ich &#x017F;elt&#x017F;am fu&#x0364;gen,</l><lb/>
                <l>Die ein geheimer Trieb beweget allemahl.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">J 4</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Durch</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0165] Von den Elementen. Ein Moſchus, (er verdient, daß ſein Ruhm ewig ſey.) Entwarff zuerſt dies ſchoͤne Lehr-Gebaͤu. Denn dem Phoenicier allein Wird die Philoſophie den erſten neuen Schein Jn ihrer Wieg, unſtreitig ſchuldig ſeyn. Es werden ihm mit groͤſſern Rechte Die Sieges-Palmen zugehoͤren, Als denen, die die Kunſt dem menſchlichen Geſchlechte Eroͤffneten, das Meer mit Schiffen zu beſchweren. Als denen ebenfalls, die durch die Kunſt zu ſchreiben, Die Woͤrter unſerm Blick vermochten vorzuſtellen. Wenn jene ſich beſtrebt, als Herr’n von Wind und Wellen, (Den ſteiffen Blick zum Pol-Stern hingekehrt, Der durch ein ſtetes Licht uns ſichre Wege lehrt) Jhr Schiff an ein entlegnes Land zu treiben: Erfunden die die Kunſt, die wol unſterblich heiſt, Wodurch ſich der Vergaͤnglichkeit So manche Helden-That entreiſſt, Wodurch zugleich, ob ſie gleich noch ſo weit Sich von einander trennen, Die Handlung, Freundſchafft, Treu und Pflicht, Von allen Orten her ſich unterhalten koͤnnen; Hat Dieſer, da ſein Geiſt die ungemeſſne Tieffe, Worinn der Zeug der Welt fuͤr uns verſtecket, Mit einem ſcharffen Blick durchlieffe, Der Coͤrper ungezaͤhlte Zahl Zuallererſt entdecket, Die ſo verſchiedentlich geformt, ſich ſeltſam fuͤgen, Die ein geheimer Trieb beweget allemahl. Durch J 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/165
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/165>, abgerufen am 22.11.2024.