Wir aber, die der Sinn verführet, Die wir gewohnt zu sehn, von Jugend auf Daß sich ein Cörper nicht mehr rühret: Wir schliessen: daß er selbst den Lauff Und die Bewegung hemm' und daß zur Ruh allein Die Kräffte, die er zeigt, von ihm gebrauchet seyn. Wir sollten aber billig dencken, Daß sich der Cörper Lauff nicht selber unterbreche, Daß er sich selber nie verringere noch schwäche, Wofern ihm nichts im Wege stünde Und er nicht seine Krafft dadurch verringert fünde. Man muß hiebey zugleich auch dies erwegen: Es muß ein jedes Ding in seinem Stande bleiben, Wofern ihn andre nicht aus selben treiben. Es kan ja die Natur selbst keinem auferlegen Daß es sich selbst durch sich zerstöhre. Und folgt dahero ganz gewis, Daß eine fremde Hindernis, Die jedes ändere, dazu gehöre.
Dies kan uns die Erfahrung lehren: Was uns umgiebt, ohn' daß mans fühlt, die Lufft, Ein feuchter Dufft, Die Fluht, die dichter noch, als jene zwey, verwehren Der fortgestossnen Cörper regen, Und machen, daß nach kurtzer Zeit, Da sie sich ferner nicht bewegen, Man sie in Ruh erblickt Und zwar, nachdem mit mehr und mindrer Hefftigkeit, Das Mittelste sie hemmet und sie drückt.
Wenn
Von den Geſetzen der Bewegung.
Wir aber, die der Sinn verfuͤhret, Die wir gewohnt zu ſehn, von Jugend auf Daß ſich ein Coͤrper nicht mehr ruͤhret: Wir ſchlieſſen: daß er ſelbſt den Lauff Und die Bewegung hemm’ und daß zur Ruh allein Die Kraͤffte, die er zeigt, von ihm gebrauchet ſeyn. Wir ſollten aber billig dencken, Daß ſich der Coͤrper Lauff nicht ſelber unterbreche, Daß er ſich ſelber nie verringere noch ſchwaͤche, Wofern ihm nichts im Wege ſtuͤnde Und er nicht ſeine Krafft dadurch verringert fuͤnde. Man muß hiebey zugleich auch dies erwegen: Es muß ein jedes Ding in ſeinem Stande bleiben, Wofern ihn andre nicht aus ſelben treiben. Es kan ja die Natur ſelbſt keinem auferlegen Daß es ſich ſelbſt durch ſich zerſtoͤhre. Und folgt dahero ganz gewis, Daß eine fremde Hindernis, Die jedes aͤndere, dazu gehoͤre.
Dies kan uns die Erfahrung lehren: Was uns umgiebt, ohn’ daß mans fuͤhlt, die Lufft, Ein feuchter Dufft, Die Fluht, die dichter noch, als jene zwey, verwehren Der fortgeſtoſſnen Coͤrper regen, Und machen, daß nach kurtzer Zeit, Da ſie ſich ferner nicht bewegen, Man ſie in Ruh erblickt Und zwar, nachdem mit mehr und mindrer Hefftigkeit, Das Mittelſte ſie hemmet und ſie druͤckt.
Wenn
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[109/0139]
Von den Geſetzen der Bewegung.
Wir aber, die der Sinn verfuͤhret,
Die wir gewohnt zu ſehn, von Jugend auf
Daß ſich ein Coͤrper nicht mehr ruͤhret:
Wir ſchlieſſen: daß er ſelbſt den Lauff
Und die Bewegung hemm’ und daß zur Ruh allein
Die Kraͤffte, die er zeigt, von ihm gebrauchet ſeyn.
Wir ſollten aber billig dencken,
Daß ſich der Coͤrper Lauff nicht ſelber unterbreche,
Daß er ſich ſelber nie verringere noch ſchwaͤche,
Wofern ihm nichts im Wege ſtuͤnde
Und er nicht ſeine Krafft dadurch verringert fuͤnde.
Man muß hiebey zugleich auch dies erwegen:
Es muß ein jedes Ding in ſeinem Stande bleiben,
Wofern ihn andre nicht aus ſelben treiben.
Es kan ja die Natur ſelbſt keinem auferlegen
Daß es ſich ſelbſt durch ſich zerſtoͤhre.
Und folgt dahero ganz gewis,
Daß eine fremde Hindernis,
Die jedes aͤndere, dazu gehoͤre.
Dies kan uns die Erfahrung lehren:
Was uns umgiebt, ohn’ daß mans fuͤhlt, die Lufft,
Ein feuchter Dufft,
Die Fluht, die dichter noch, als jene zwey, verwehren
Der fortgeſtoſſnen Coͤrper regen,
Und machen, daß nach kurtzer Zeit,
Da ſie ſich ferner nicht bewegen,
Man ſie in Ruh erblickt
Und zwar, nachdem mit mehr und mindrer Hefftigkeit,
Das Mittelſte ſie hemmet und ſie druͤckt.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/139>, abgerufen am 17.02.2025.
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