Sind blos die äussre Fläch der Cörper, welche sich Rings um dieselbe legen: Woraus man billig schliesst, Wenn wir es recht erwegen, Daß alles angefüllt. Und eben hieraus fliesst, Daß, wenn der Geist gedenckt auf eine Weite, Die unermäßlich ist; er anders nichts gedencke, Als daß blos die Materie Ohn' End ins unermäßliche Sich dehne, senck und lencke, Und aller Orten sich verbreite.
Von Unermäßlichkeit, Unendlichkeit, Muß billig nur mit Schen gesprochen seyn. Die Ehre, die Beschaffenheit, Gebührt der GOTTHEIT blos allein. Doch müssen sich die Wörter brauchen lassen Jn Dingen, welche wir nicht fassen. Cartesius lässt uns in seinen weisen Lehren Ein Wort, das unbegräntzt heisst, hören; Hiedurch wird aller Stolz verbannt. Denn endlich muß doch unser Geist bekennen: Daß man die Welt mit Recht nicht eingeschränckt kan nennen. Wird sie von uns nun sonder Gräntz' erkannt; Sinckt unsre Schwach-und Unvollkommenheit So gleich in die Unendlichkeit. Von welchen beyden Schlüssen: Wir beyde doch vermeiden müssen.
Wir
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Von den Eigenſchafften der Materie.
Sind blos die aͤuſſre Flaͤch der Coͤrper, welche ſich Rings um dieſelbe legen: Woraus man billig ſchlieſſt, Wenn wir es recht erwegen, Daß alles angefuͤllt. Und eben hieraus flieſſt, Daß, wenn der Geiſt gedenckt auf eine Weite, Die unermaͤßlich iſt; er anders nichts gedencke, Als daß blos die Materie Ohn’ End ins unermaͤßliche Sich dehne, ſenck und lencke, Und aller Orten ſich verbreite.
Von Unermaͤßlichkeit, Unendlichkeit, Muß billig nur mit Schen geſprochen ſeyn. Die Ehre, die Beſchaffenheit, Gebuͤhrt der GOTTHEIT blos allein. Doch muͤſſen ſich die Woͤrter brauchen laſſen Jn Dingen, welche wir nicht faſſen. Carteſius laͤſſt uns in ſeinen weiſen Lehren Ein Wort, das unbegraͤntzt heiſſt, hoͤren; Hiedurch wird aller Stolz verbannt. Denn endlich muß doch unſer Geiſt bekennen: Daß man die Welt mit Recht nicht eingeſchraͤnckt kan nennen. Wird ſie von uns nun ſonder Graͤntz’ erkannt; Sinckt unſre Schwach-und Unvollkommenheit So gleich in die Unendlichkeit. Von welchen beyden Schluͤſſen: Wir beyde doch vermeiden muͤſſen.
Wir
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Von den Eigenſchafften der Materie.
Sind blos die aͤuſſre Flaͤch der Coͤrper, welche ſich
Rings um dieſelbe legen:
Woraus man billig ſchlieſſt,
Wenn wir es recht erwegen,
Daß alles angefuͤllt. Und eben hieraus flieſſt,
Daß, wenn der Geiſt gedenckt auf eine Weite,
Die unermaͤßlich iſt; er anders nichts gedencke,
Als daß blos die Materie
Ohn’ End ins unermaͤßliche
Sich dehne, ſenck und lencke,
Und aller Orten ſich verbreite.
Von Unermaͤßlichkeit, Unendlichkeit,
Muß billig nur mit Schen geſprochen ſeyn.
Die Ehre, die Beſchaffenheit,
Gebuͤhrt der GOTTHEIT blos allein.
Doch muͤſſen ſich die Woͤrter brauchen laſſen
Jn Dingen, welche wir nicht faſſen.
Carteſius laͤſſt uns in ſeinen weiſen Lehren
Ein Wort, das unbegraͤntzt heiſſt, hoͤren;
Hiedurch wird aller Stolz verbannt.
Denn endlich muß doch unſer Geiſt bekennen:
Daß man die Welt mit Recht nicht eingeſchraͤnckt kan nennen.
Wird ſie von uns nun ſonder Graͤntz’ erkannt;
Sinckt unſre Schwach-und Unvollkommenheit
So gleich in die Unendlichkeit.
Von welchen beyden Schluͤſſen:
Wir beyde doch vermeiden muͤſſen.
Wir
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/115>, abgerufen am 23.11.2024.
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