Mir träumte diese Nacht, daß, aus der Welt'gerafft, Bey einem Armen ich mich eingescharret fül'te, Und daß ich, voll Verdruß ob seiner Nachbarschaft, Als ein verstorb'ner Herr ihm diese Rede hielte: Geh, packe dich, du Schurk! verfaule weit von hier! Dir kommts durchaus nicht zu, daß du so nah bey mir. Du Schurk? Sprach er darauf recht grob und freventlich, Such deine Schurken sonst, Schurk, der du selber bist. Hier sind wir alle gleich; ich schier mich nichts um dich. Jch bin auf meinem, so wie du auf deinem, Mist.
Der unvernünftige Zweifel.
GOTT, der Himmel und die Hölle sind vielleicht nur eit'le Grillen. Jst es möglich, daß ein Mensch bey dem Zweifel ruhig bleibt? Untersuch's! Sonst wird zu spät, wenn sie deinen Wahn vertreibt, Die nur gar zu grause Wahrheit dich mit Angst und Qual erfüllen.
Regi-
Der Traum.
Mir traͤumte dieſe Nacht, daß, aus der Welt’gerafft, Bey einem Armen ich mich eingeſcharret fuͤl’te, Und daß ich, voll Verdruß ob ſeiner Nachbarſchaft, Als ein verſtorb’ner Herr ihm dieſe Rede hielte: Geh, packe dich, du Schurk! verfaule weit von hier! Dir kommts durchaus nicht zu, daß du ſo nah bey mir. Du Schurk? Sprach er darauf recht grob und freventlich, Such deine Schurken ſonſt, Schurk, der du ſelber biſt. Hier ſind wir alle gleich; ich ſchier mich nichts um dich. Jch bin auf meinem, ſo wie du auf deinem, Miſt.
Der unvernuͤnftige Zweifel.
GOTT, der Himmel und die Hoͤlle ſind vielleicht nur eit’le Grillen. Jſt es moͤglich, daß ein Menſch bey dem Zweifel ruhig bleibt? Unterſuch’s! Sonſt wird zu ſpaͤt, wenn ſie deinen Wahn vertreibt, Die nur gar zu grauſe Wahrheit dich mit Angſt und Qual erfuͤllen.
Regi-
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Der Traum.
Mir traͤumte dieſe Nacht, daß, aus der Welt’gerafft,
Bey einem Armen ich mich eingeſcharret fuͤl’te,
Und daß ich, voll Verdruß ob ſeiner Nachbarſchaft,
Als ein verſtorb’ner Herr ihm dieſe Rede hielte:
Geh, packe dich, du Schurk! verfaule weit von hier!
Dir kommts durchaus nicht zu, daß du ſo nah bey mir.
Du Schurk? Sprach er darauf recht grob und freventlich,
Such deine Schurken ſonſt, Schurk, der du ſelber biſt.
Hier ſind wir alle gleich; ich ſchier mich nichts um dich.
Jch bin auf meinem, ſo wie du auf deinem, Miſt.
Der unvernuͤnftige Zweifel.
GOTT, der Himmel und die Hoͤlle ſind vielleicht nur
eit’le Grillen.
Jſt es moͤglich, daß ein Menſch bey dem Zweifel ruhig bleibt?
Unterſuch’s! Sonſt wird zu ſpaͤt, wenn ſie deinen Wahn
vertreibt,
Die nur gar zu grauſe Wahrheit dich mit Angſt und Qual
erfuͤllen.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/593>, abgerufen am 25.11.2024.
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