Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.Am allerschön'sten schmücken. Man seh den Samen an, wodurch die Pflanze sich Für ihrem Untergang beschirmen kann; Ob selber nicht gemeiniglich Jn einer schönen Bluhme stecke! Es scheint, daß die Natur ihr grosses Werk verdecke, Und daß sie emsig sey, damit die Erde Ein lieblich Ansehn hab', und schön geschmücket werde: Jnzwischen, daß sie ins geheim bemüht, Jhr Haupt-Werk herrlich auszuführen, Jn welchem sie auf ihr' Erhaltung sieht. Man kann am Ackersmann von ihr ein Beyspiel spüren, Als welcher, da er pflüg't und gräb't, Mit vieler Mühe sich bestreb't, Recht wie ein Garten-Feld den Acker auszuzieren, Ob er gleich in der That Die Erndte bloß zu seinem Endzweck hat. Man kann noch ferner seh'n, Daß, wie es die Erfahrung weis't, Der grosse Schöpfer unsern Geist Auf solche Weise bilden wollen, Daß auch selbst schroffe Klippen, Wüsten Mit fremden und geheimen Lüsten Jhn rühren und erfüllen sollen. Unstreitig ist es ja, da GOtt die Kraft Jn Seine Creatur geleget, Daß jede Sinnlichkeit und Leidenschaft Durch Farben, Töne, Kält' und Wärm' in uns erreget; Daß es nur bloß darum geschehen sey, Damit der Mensch durch süsse Sinnlichkeiten Derselben sich erfreu. Mit einem Wort': es ist die Welt Ein Schau-Platz voller Seltenheiten, Die uns Verwund'rung, Lust und Zeit-Vertreib bereiten. Ach
Am allerſchoͤn’ſten ſchmuͤcken. Man ſeh den Samen an, wodurch die Pflanze ſich Fuͤr ihrem Untergang beſchirmen kann; Ob ſelber nicht gemeiniglich Jn einer ſchoͤnen Bluhme ſtecke! Es ſcheint, daß die Natur ihr groſſes Werk verdecke, Und daß ſie emſig ſey, damit die Erde Ein lieblich Anſehn hab’, und ſchoͤn geſchmuͤcket werde: Jnzwiſchen, daß ſie ins geheim bemuͤht, Jhr Haupt-Werk herrlich auszufuͤhren, Jn welchem ſie auf ihr’ Erhaltung ſieht. Man kann am Ackersmann von ihr ein Beyſpiel ſpuͤren, Als welcher, da er pfluͤg’t und graͤb’t, Mit vieler Muͤhe ſich beſtreb’t, Recht wie ein Garten-Feld den Acker auszuzieren, Ob er gleich in der That Die Erndte bloß zu ſeinem Endzweck hat. Man kann noch ferner ſeh’n, Daß, wie es die Erfahrung weiſ’t, Der groſſe Schoͤpfer unſern Geiſt Auf ſolche Weiſe bilden wollen, Daß auch ſelbſt ſchroffe Klippen, Wuͤſten Mit fremden und geheimen Luͤſten Jhn ruͤhren und erfuͤllen ſollen. Unſtreitig iſt es ja, da GOtt die Kraft Jn Seine Creatur geleget, Daß jede Sinnlichkeit und Leidenſchaft Durch Farben, Toͤne, Kaͤlt’ und Waͤrm’ in uns erreget; Daß es nur bloß darum geſchehen ſey, Damit der Menſch durch ſuͤſſe Sinnlichkeiten Derſelben ſich erfreu. Mit einem Wort’: es iſt die Welt Ein Schau-Platz voller Seltenheiten, Die uns Verwund’rung, Luſt und Zeit-Vertreib bereiten. Ach
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Am allerſchoͤn’ſten ſchmuͤcken.
Man ſeh den Samen an, wodurch die Pflanze ſich
Fuͤr ihrem Untergang beſchirmen kann;
Ob ſelber nicht gemeiniglich
Jn einer ſchoͤnen Bluhme ſtecke!
Es ſcheint, daß die Natur ihr groſſes Werk verdecke,
Und daß ſie emſig ſey, damit die Erde
Ein lieblich Anſehn hab’, und ſchoͤn geſchmuͤcket werde:
Jnzwiſchen, daß ſie ins geheim bemuͤht,
Jhr Haupt-Werk herrlich auszufuͤhren,
Jn welchem ſie auf ihr’ Erhaltung ſieht.
Man kann am Ackersmann von ihr ein Beyſpiel ſpuͤren,
Als welcher, da er pfluͤg’t und graͤb’t,
Mit vieler Muͤhe ſich beſtreb’t,
Recht wie ein Garten-Feld den Acker auszuzieren,
Ob er gleich in der That
Die Erndte bloß zu ſeinem Endzweck hat.
Man kann noch ferner ſeh’n,
Daß, wie es die Erfahrung weiſ’t,
Der groſſe Schoͤpfer unſern Geiſt
Auf ſolche Weiſe bilden wollen,
Daß auch ſelbſt ſchroffe Klippen, Wuͤſten
Mit fremden und geheimen Luͤſten
Jhn ruͤhren und erfuͤllen ſollen.
Unſtreitig iſt es ja, da GOtt die Kraft
Jn Seine Creatur geleget,
Daß jede Sinnlichkeit und Leidenſchaft
Durch Farben, Toͤne, Kaͤlt’ und Waͤrm’ in uns erreget;
Daß es nur bloß darum geſchehen ſey,
Damit der Menſch durch ſuͤſſe Sinnlichkeiten
Derſelben ſich erfreu.
Mit einem Wort’: es iſt die Welt
Ein Schau-Platz voller Seltenheiten,
Die uns Verwund’rung, Luſt und Zeit-Vertreib bereiten.
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