Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.Frühlings-Betrachtung. DJe Zweige, die noch gestern leer, Die scheinen itzo recht, als ob in einer Nacht Der jungen Blätter grüne Pracht Vom Himmel drauf geregnet wär'. Auf andern liegt es voll, als wären weisse Ballen Vom zarten Schnee darauf gefallen. Hier scheint der Blühte Schnee die Blätter zu verstecken, Dort scheint das grüne Laub der Blühte Schnee zu decken. Es war das junge Laub so klar, Und zeiget' ein so lieblich Grün, Zumalen wenn die Sonn' auf dessen Seite schien, Daß alles, was man sah, so gar Durchsichtig und durchleuchtig war. Durchleuchtig ist das Laub, durchleuchtig ist die Blühte, Durchleuchtig Gras und Kraut. Daher bezaubert itzt fast alles, was man schaut, Das menschliche Gemüte. Es scheint, ob woll' auf allen Zweigen Kein irdisches, so gar ein geistigs, Grün sich zeigen. Man sieht durch die belaubt- doch noch geseh'nen Aeste Den glänzenden Sapphir der Feste. Die Klarheit der durchstral'ten Blätter Jst das was uns bey heiterm Wetter An der aufs neu belaubten Welt So sehr ergetzt, so wol gefällt. Die Ursach' ist leicht zu ergründen, Da auf dem zarten Laub selbst mit des Himmels Licht Die ird'schen Farben sich verbinden, So, daß ein jedes Blat, wodurch die Sonne stral't, Den Augen gröss're Lust verschafft, Als B 3
Fruͤhlings-Betrachtung. DJe Zweige, die noch geſtern leer, Die ſcheinen itzo recht, als ob in einer Nacht Der jungen Blaͤtter gruͤne Pracht Vom Himmel drauf geregnet waͤr’. Auf andern liegt es voll, als waͤren weiſſe Ballen Vom zarten Schnee darauf gefallen. Hier ſcheint der Bluͤhte Schnee die Blaͤtter zu verſtecken, Dort ſcheint das gruͤne Laub der Bluͤhte Schnee zu decken. Es war das junge Laub ſo klar, Und zeiget’ ein ſo lieblich Gruͤn, Zumalen wenn die Sonn’ auf deſſen Seite ſchien, Daß alles, was man ſah, ſo gar Durchſichtig und durchleuchtig war. Durchleuchtig iſt das Laub, durchleuchtig iſt die Bluͤhte, Durchleuchtig Gras und Kraut. Daher bezaubert itzt faſt alles, was man ſchaut, Das menſchliche Gemuͤte. Es ſcheint, ob woll’ auf allen Zweigen Kein irdiſches, ſo gar ein geiſtigs, Gruͤn ſich zeigen. Man ſieht durch die belaubt- doch noch geſeh’nen Aeſte Den glaͤnzenden Sapphir der Feſte. Die Klarheit der durchſtral’ten Blaͤtter Jſt das was uns bey heiterm Wetter An der aufs neu belaubten Welt So ſehr ergetzt, ſo wol gefaͤllt. Die Urſach’ iſt leicht zu ergruͤnden, Da auf dem zarten Laub ſelbſt mit des Himmels Licht Die ird’ſchen Farben ſich verbinden, So, daß ein jedes Blat, wodurch die Sonne ſtral’t, Den Augen groͤſſ’re Luſt verſchafft, Als B 3
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Fruͤhlings-Betrachtung.
DJe Zweige, die noch geſtern leer,
Die ſcheinen itzo recht, als ob in einer Nacht
Der jungen Blaͤtter gruͤne Pracht
Vom Himmel drauf geregnet waͤr’.
Auf andern liegt es voll, als waͤren weiſſe Ballen
Vom zarten Schnee darauf gefallen.
Hier ſcheint der Bluͤhte Schnee die Blaͤtter zu verſtecken,
Dort ſcheint das gruͤne Laub der Bluͤhte Schnee zu decken.
Es war das junge Laub ſo klar,
Und zeiget’ ein ſo lieblich Gruͤn,
Zumalen wenn die Sonn’ auf deſſen Seite ſchien,
Daß alles, was man ſah, ſo gar
Durchſichtig und durchleuchtig war.
Durchleuchtig iſt das Laub, durchleuchtig iſt die Bluͤhte,
Durchleuchtig Gras und Kraut.
Daher bezaubert itzt faſt alles, was man ſchaut,
Das menſchliche Gemuͤte.
Es ſcheint, ob woll’ auf allen Zweigen
Kein irdiſches, ſo gar ein geiſtigs, Gruͤn ſich zeigen.
Man ſieht durch die belaubt- doch noch geſeh’nen Aeſte
Den glaͤnzenden Sapphir der Feſte.
Die Klarheit der durchſtral’ten Blaͤtter
Jſt das was uns bey heiterm Wetter
An der aufs neu belaubten Welt
So ſehr ergetzt, ſo wol gefaͤllt.
Die Urſach’ iſt leicht zu ergruͤnden,
Da auf dem zarten Laub ſelbſt mit des Himmels Licht
Die ird’ſchen Farben ſich verbinden,
So, daß ein jedes Blat, wodurch die Sonne ſtral’t,
Den Augen groͤſſ’re Luſt verſchafft,
Als
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