Ja wozu jenes ausersehn, Wovon nach so viel tausend Jahren Der Endzweck erstlich zu erfahren, Wo, sag' ich, wir an Wissenschaft so reich; So wär die Menschheit fast der Gottheit gleich.
Drum hüte dich, sey nicht ein and'rer Lucifer, Und wünsche nicht zu seyn wie GOtt der HErr! Dieß find' ich, wenn ich es mit Andacht überlege: Des Schöpfers Wege sind nicht uns're Wege. Kein' Eul und Fledermaus, kein Maulwurf ist so blind, Als wie wir, im Vergleich mit GOttes Weis heit, sind, Die allenthalben ist; die das, was dein Verstand Ergrübelt und erkennt, erkennt und längst erkannt, Das ew'ge Weis heits-Meer, worin der klüg'ste Geist, Ja aller Engel Witz, als wie ein Tröpfgen, treibet. Da nun im weiten Meer' ein Tröpfgen sich nicht streubet, Und anders fliessen will, als wie die Tiefe fleusst; Mit welchem Rechte denn kann unser Witz verlangen, Daß der gewalt'ge Lauf des Wirbels der Natur, Den GOtt allein beweg't, sich ändr' in seiner Spur, Daß alles anders geh', als es bisher gegangen? Weil aus Beqvemlichkeit er etwa lieber wollte, Daß es, wie GOtt will, nicht, nein anders, gehen sollte.
Ja denke ferner nach: was würd' aus dieser Erden, Sollt' es nach jedes Wünschen gehn, Für ein verwirrter Zustand werden! Unmöglich könnte sie bestehn. Ein jeder würde ja, wie du, geehret, reich, Jhr würdet all' einander gleich
An
Ja wozu jenes auserſehn, Wovon nach ſo viel tauſend Jahren Der Endzweck erſtlich zu erfahren, Wo, ſag’ ich, wir an Wiſſenſchaft ſo reich; So waͤr die Menſchheit faſt der Gottheit gleich.
Drum huͤte dich, ſey nicht ein and’rer Lucifer, Und wuͤnſche nicht zu ſeyn wie GOtt der HErr! Dieß find’ ich, wenn ich es mit Andacht uͤberlege: Des Schoͤpfers Wege ſind nicht unſ’re Wege. Kein’ Eul und Fledermaus, kein Maulwurf iſt ſo blind, Als wie wir, im Vergleich mit GOttes Weiſ heit, ſind, Die allenthalben iſt; die das, was dein Verſtand Ergruͤbelt und erkennt, erkennt und laͤngſt erkannt, Das ew’ge Weiſ heits-Meer, worin der kluͤg’ſte Geiſt, Ja aller Engel Witz, als wie ein Troͤpfgen, treibet. Da nun im weiten Meer’ ein Troͤpfgen ſich nicht ſtreubet, Und anders flieſſen will, als wie die Tiefe fleuſſt; Mit welchem Rechte denn kann unſer Witz verlangen, Daß der gewalt’ge Lauf des Wirbels der Natur, Den GOtt allein beweg’t, ſich aͤndr’ in ſeiner Spur, Daß alles anders geh’, als es bisher gegangen? Weil aus Beqvemlichkeit er etwa lieber wollte, Daß es, wie GOtt will, nicht, nein anders, gehen ſollte.
Ja denke ferner nach: was wuͤrd’ aus dieſer Erden, Sollt’ es nach jedes Wuͤnſchen gehn, Fuͤr ein verwirrter Zuſtand werden! Unmoͤglich koͤnnte ſie beſtehn. Ein jeder wuͤrde ja, wie du, geehret, reich, Jhr wuͤrdet all’ einander gleich
An
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Ja wozu jenes auserſehn,
Wovon nach ſo viel tauſend Jahren
Der Endzweck erſtlich zu erfahren,
Wo, ſag’ ich, wir an Wiſſenſchaft ſo reich;
So waͤr die Menſchheit faſt der Gottheit gleich.
Drum huͤte dich, ſey nicht ein and’rer Lucifer,
Und wuͤnſche nicht zu ſeyn wie GOtt der HErr!
Dieß find’ ich, wenn ich es mit Andacht uͤberlege:
Des Schoͤpfers Wege ſind nicht unſ’re Wege.
Kein’ Eul und Fledermaus, kein Maulwurf iſt ſo blind,
Als wie wir, im Vergleich mit GOttes Weiſ heit, ſind,
Die allenthalben iſt; die das, was dein Verſtand
Ergruͤbelt und erkennt, erkennt und laͤngſt erkannt,
Das ew’ge Weiſ heits-Meer, worin der kluͤg’ſte Geiſt,
Ja aller Engel Witz, als wie ein Troͤpfgen, treibet.
Da nun im weiten Meer’ ein Troͤpfgen ſich nicht ſtreubet,
Und anders flieſſen will, als wie die Tiefe fleuſſt;
Mit welchem Rechte denn kann unſer Witz verlangen,
Daß der gewalt’ge Lauf des Wirbels der Natur,
Den GOtt allein beweg’t, ſich aͤndr’ in ſeiner Spur,
Daß alles anders geh’, als es bisher gegangen?
Weil aus Beqvemlichkeit er etwa lieber wollte,
Daß es, wie GOtt will, nicht, nein anders, gehen ſollte.
Ja denke ferner nach: was wuͤrd’ aus dieſer Erden,
Sollt’ es nach jedes Wuͤnſchen gehn,
Fuͤr ein verwirrter Zuſtand werden!
Unmoͤglich koͤnnte ſie beſtehn.
Ein jeder wuͤrde ja, wie du, geehret, reich,
Jhr wuͤrdet all’ einander gleich
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/490>, abgerufen am 16.02.2025.
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