Wird die Religion uns dennoch unterscheiden. Sprich: haben denn die Thier' auch einen Gottesdienst? Nein: dennoch ehren sie die Gottheit nach der Weise, Die ihnen eingepflanzt, ohn' allen Zank und Streit, Verfolgung, Ketzerey. Sie leben, Jhr zum Preise, Jn Einfalt und Gelassenheit.
Bis hieher geht jedoch, was ich mir vorgenommen, Zu zeigen den Vergleich mit dir und Thieren, nur, Und wünsch' ich, daß du doch dadurch magst auf die Spur Zur wahren Ehr' und Ruh, durch wahre Demut, kommen. Du wirst erkennen können, Da du so wenig taugst, da du so wenig bist, Daß du auch nichts verdienst, daß, was dir GOtt zu gönnen Dich noch gewürdigt hat, nur bloß ein Merkmal ist Von Dessen Lieb' und Huld, Der weiser, besser, Unendlich herrlicher und grösser, Als du mit Sel' und Leib: daß du ja tausendmal Noch unglückseliger, zernag't von gröss'rer Qval Mit Recht noch könntest seyn. Jst GOtt dir etwas schuldig? Es kömmt ja dir Nicht einmal ungerecht, nein unanstössig, für, Ob du gleich glaubst, daß der Verdammten Pein Wird ewig und unleidlich seyn: Hier aber auf der Welt, So bald dir etwan Ehr' und Geld, Wie oder sonst was felet, So bald ein kurzer Schmerz dich etwa qvälet; Vermeynest du, daß dir zu nah geschehe, Ob du dich gleich nicht hier wirst ohne Sünde nennen,
Auch
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Wird die Religion uns dennoch unterſcheiden. Sprich: haben denn die Thier’ auch einen Gottesdienſt? Nein: dennoch ehren ſie die Gottheit nach der Weiſe, Die ihnen eingepflanzt, ohn’ allen Zank und Streit, Verfolgung, Ketzerey. Sie leben, Jhr zum Preiſe, Jn Einfalt und Gelaſſenheit.
Bis hieher geht jedoch, was ich mir vorgenommen, Zu zeigen den Vergleich mit dir und Thieren, nur, Und wuͤnſch’ ich, daß du doch dadurch magſt auf die Spur Zur wahren Ehr’ und Ruh, durch wahre Demut, kommen. Du wirſt erkennen koͤnnen, Da du ſo wenig taugſt, da du ſo wenig biſt, Daß du auch nichts verdienſt, daß, was dir GOtt zu goͤnnen Dich noch gewuͤrdigt hat, nur bloß ein Merkmal iſt Von Deſſen Lieb’ und Huld, Der weiſer, beſſer, Unendlich herrlicher und groͤſſer, Als du mit Sel’ und Leib: daß du ja tauſendmal Noch ungluͤckſeliger, zernag’t von groͤſſ’rer Qval Mit Recht noch koͤnnteſt ſeyn. Jſt GOtt dir etwas ſchuldig? Es koͤmmt ja dir Nicht einmal ungerecht, nein unanſtoͤſſig, fuͤr, Ob du gleich glaubſt, daß der Verdammten Pein Wird ewig und unleidlich ſeyn: Hier aber auf der Welt, So bald dir etwan Ehr’ und Geld, Wie oder ſonſt was felet, So bald ein kurzer Schmerz dich etwa qvaͤlet; Vermeyneſt du, daß dir zu nah geſchehe, Ob du dich gleich nicht hier wirſt ohne Suͤnde nennen,
Auch
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Wird die Religion uns dennoch unterſcheiden.
Sprich: haben denn die Thier’ auch einen Gottesdienſt?
Nein: dennoch ehren ſie die Gottheit nach der Weiſe,
Die ihnen eingepflanzt, ohn’ allen Zank und Streit,
Verfolgung, Ketzerey. Sie leben, Jhr zum Preiſe,
Jn Einfalt und Gelaſſenheit.
Bis hieher geht jedoch, was ich mir vorgenommen,
Zu zeigen den Vergleich mit dir und Thieren, nur,
Und wuͤnſch’ ich, daß du doch dadurch magſt auf die Spur
Zur wahren Ehr’ und Ruh, durch wahre Demut, kommen.
Du wirſt erkennen koͤnnen,
Da du ſo wenig taugſt, da du ſo wenig biſt,
Daß du auch nichts verdienſt, daß, was dir GOtt zu goͤnnen
Dich noch gewuͤrdigt hat, nur bloß ein Merkmal iſt
Von Deſſen Lieb’ und Huld, Der weiſer, beſſer,
Unendlich herrlicher und groͤſſer,
Als du mit Sel’ und Leib: daß du ja tauſendmal
Noch ungluͤckſeliger, zernag’t von groͤſſ’rer Qval
Mit Recht noch koͤnnteſt ſeyn. Jſt GOtt dir etwas ſchuldig?
Es koͤmmt ja dir
Nicht einmal ungerecht, nein unanſtoͤſſig, fuͤr,
Ob du gleich glaubſt, daß der Verdammten Pein
Wird ewig und unleidlich ſeyn:
Hier aber auf der Welt,
So bald dir etwan Ehr’ und Geld,
Wie oder ſonſt was felet,
So bald ein kurzer Schmerz dich etwa qvaͤlet;
Vermeyneſt du, daß dir zu nah geſchehe,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/487>, abgerufen am 28.07.2024.
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