Will ich, geliebter Freund, dich selber fragen, Und du wirst, ohne Zank und Streit, Schon offenherzig g'nug mir deine Meynung sagen. Was bist du, lieber Mensch? Du sprichst in deinem Sinn: Jch bin das herrlichste Geschöpf, ein Herr der Erden, Der Creaturen Fürst und ihr Monarch. Jch bin Das vollenkommenste, so die Natur ließ werden. Jndem in meinem Geist, der gut und böses kennet, Die Fackel der Vernunft in hellen Stralen brennet; Beleucht' ich alle Ding': Jch unterscheid', erwäge, Verbessre, rechne, schreib', erfind' und überlege, Was nütz- und schädlich sey. Jch bilde, schmücke, ziere, Jch male, messe, bau', ich zwinge, leit' und führe Die Elemente selbst. Gewiß, dieß klinget schön, Und wenn wirs recht besehn; Bild'st du dir von dir selbst dieß alles würklich ein: Es fel't nicht viel, du gläub'st ein kleiner Gott zu seyn. Doch, worauf fussest du so übermüt'ge Schlüsse, Daß alles, was du denk'st, sich so verhalten müsse? Erlaube, daß ich dich ein wenig in der Nähe, Was du denn eigentlich doch seyst, mit Ernst besehe! Du wirst gebohren, leb'st und stirbst. So auch ein Thier; Ja viele gehn dir noch an Daur und Leben für. Du issest, trinkst und schläf'st. Ein Thier so wol als du Jsst, trinket und geniesst des Nachts der sanften Ruh. Du zierest deinen Leib mit manchem schönen Kleide. Sie sind oft schöner noch, als du, gezieret. Schau Des Tiegers bunten Pelz, schau den so schönen Pfau! Zudem so geben dir die Thiere Woll' und Seide.
Mit
Will ich, geliebter Freund, dich ſelber fragen, Und du wirſt, ohne Zank und Streit, Schon offenherzig g’nug mir deine Meynung ſagen. Was biſt du, lieber Menſch? Du ſprichſt in deinem Sinn: Jch bin das herrlichſte Geſchoͤpf, ein Herr der Erden, Der Creaturen Fuͤrſt und ihr Monarch. Jch bin Das vollenkommenſte, ſo die Natur ließ werden. Jndem in meinem Geiſt, der gut und boͤſes kennet, Die Fackel der Vernunft in hellen Stralen brennet; Beleucht’ ich alle Ding’: Jch unterſcheid’, erwaͤge, Verbeſſre, rechne, ſchreib’, erfind’ und uͤberlege, Was nuͤtz- und ſchaͤdlich ſey. Jch bilde, ſchmuͤcke, ziere, Jch male, meſſe, bau’, ich zwinge, leit’ und fuͤhre Die Elemente ſelbſt. Gewiß, dieß klinget ſchoͤn, Und wenn wirs recht beſehn; Bild’ſt du dir von dir ſelbſt dieß alles wuͤrklich ein: Es fel’t nicht viel, du glaͤub’ſt ein kleiner Gott zu ſeyn. Doch, worauf fuſſeſt du ſo uͤbermuͤt’ge Schluͤſſe, Daß alles, was du denk’ſt, ſich ſo verhalten muͤſſe? Erlaube, daß ich dich ein wenig in der Naͤhe, Was du denn eigentlich doch ſeyſt, mit Ernſt beſehe! Du wirſt gebohren, leb’ſt und ſtirbſt. So auch ein Thier; Ja viele gehn dir noch an Daur und Leben fuͤr. Du iſſeſt, trinkſt und ſchlaͤf’ſt. Ein Thier ſo wol als du Jſſt, trinket und genieſſt des Nachts der ſanften Ruh. Du ziereſt deinen Leib mit manchem ſchoͤnen Kleide. Sie ſind oft ſchoͤner noch, als du, gezieret. Schau Des Tiegers bunten Pelz, ſchau den ſo ſchoͤnen Pfau! Zudem ſo geben dir die Thiere Woll’ und Seide.
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Will ich, geliebter Freund, dich ſelber fragen,
Und du wirſt, ohne Zank und Streit,
Schon offenherzig g’nug mir deine Meynung ſagen.
Was biſt du, lieber Menſch? Du ſprichſt in deinem Sinn:
Jch bin das herrlichſte Geſchoͤpf, ein Herr der Erden,
Der Creaturen Fuͤrſt und ihr Monarch. Jch bin
Das vollenkommenſte, ſo die Natur ließ werden.
Jndem in meinem Geiſt, der gut und boͤſes kennet,
Die Fackel der Vernunft in hellen Stralen brennet;
Beleucht’ ich alle Ding’: Jch unterſcheid’, erwaͤge,
Verbeſſre, rechne, ſchreib’, erfind’ und uͤberlege,
Was nuͤtz- und ſchaͤdlich ſey. Jch bilde, ſchmuͤcke, ziere,
Jch male, meſſe, bau’, ich zwinge, leit’ und fuͤhre
Die Elemente ſelbſt. Gewiß, dieß klinget ſchoͤn,
Und wenn wirs recht beſehn;
Bild’ſt du dir von dir ſelbſt dieß alles wuͤrklich ein:
Es fel’t nicht viel, du glaͤub’ſt ein kleiner Gott zu ſeyn.
Doch, worauf fuſſeſt du ſo uͤbermuͤt’ge Schluͤſſe,
Daß alles, was du denk’ſt, ſich ſo verhalten muͤſſe?
Erlaube, daß ich dich ein wenig in der Naͤhe,
Was du denn eigentlich doch ſeyſt, mit Ernſt beſehe!
Du wirſt gebohren, leb’ſt und ſtirbſt. So auch ein Thier;
Ja viele gehn dir noch an Daur und Leben fuͤr.
Du iſſeſt, trinkſt und ſchlaͤf’ſt. Ein Thier ſo wol als du
Jſſt, trinket und genieſſt des Nachts der ſanften Ruh.
Du ziereſt deinen Leib mit manchem ſchoͤnen Kleide.
Sie ſind oft ſchoͤner noch, als du, gezieret. Schau
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/481>, abgerufen am 25.11.2024.
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