Die Lüste, die mir bald ein Berg gab, bald ein Thal. Mein Surland, dessen Geist nicht Seines gleichen kennet, Ward, wie er neben mir so manche Schönheit spür't, Die GOtt allein durchs Aug' uns auf der Erde gönnet, Nicht weniger, als ich, gerühr't.
Vor andern fuhren wir an einem heitern Tage Durch einen Tannen-Wald, deß nie verwelkend Grün Den Sommer vorzustellen schien Selbst in dem streng'sten Frost. Das Thal, worin er lage, War überaus vergnüglich anzusehn. Die grünen teils, und teils die weissen Höh'n Erhuben Wechsel-weis' ihr Licht und schattigt Grün Durch ihren Gegen-Satz. Jn einer weiten Länge (Jndem der weisse Schnee sehr hell von weiten schien) Erblickte man noch eine gröss're Menge Von Stämmen, als man sonst erblicket, Wenn ein fast allgemeines Grün Den dick-begras'ten Boden schmücket.
Wann ich (fing Surland an) die so gerade Höhe Der rischen Tannen-Bäume sehe, Und merke, wie sie sich bey Zeiten Hoch in die Höh zu gehn dadurch bereiten, Daß jeder solche Zweig' und Aest' Jm Anfang alsbald fallen lässt, Die seinen Wachstum sonst vermindern, Gen Himmel an zu steigen sehr verhindern, Und ihn nur über nied're Hürden Sich auszubreiten zwingen würden; So deucht mich, daß er uns zum Beyspiel dienen wolle,
Daß
Die Luͤſte, die mir bald ein Berg gab, bald ein Thal. Mein Surland, deſſen Geiſt nicht Seines gleichen kennet, Ward, wie er neben mir ſo manche Schoͤnheit ſpuͤr’t, Die GOtt allein durchs Aug’ uns auf der Erde goͤnnet, Nicht weniger, als ich, geruͤhr’t.
Vor andern fuhren wir an einem heitern Tage Durch einen Tannen-Wald, deß nie verwelkend Gruͤn Den Sommer vorzuſtellen ſchien Selbſt in dem ſtreng’ſten Froſt. Das Thal, worin er lage, War uͤberaus vergnuͤglich anzuſehn. Die gruͤnen teils, und teils die weiſſen Hoͤh’n Erhuben Wechſel-weiſ’ ihr Licht und ſchattigt Gruͤn Durch ihren Gegen-Satz. Jn einer weiten Laͤnge (Jndem der weiſſe Schnee ſehr hell von weiten ſchien) Erblickte man noch eine groͤſſ’re Menge Von Staͤmmen, als man ſonſt erblicket, Wenn ein faſt allgemeines Gruͤn Den dick-begraſ’ten Boden ſchmuͤcket.
Wann ich (fing Surland an) die ſo gerade Hoͤhe Der riſchen Tannen-Baͤume ſehe, Und merke, wie ſie ſich bey Zeiten Hoch in die Hoͤh zu gehn dadurch bereiten, Daß jeder ſolche Zweig’ und Aeſt’ Jm Anfang alsbald fallen laͤſſt, Die ſeinen Wachstum ſonſt vermindern, Gen Himmel an zu ſteigen ſehr verhindern, Und ihn nur uͤber nied’re Huͤrden Sich auszubreiten zwingen wuͤrden; So deucht mich, daß er uns zum Beyſpiel dienen wolle,
Daß
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Die Luͤſte, die mir bald ein Berg gab, bald ein Thal.
Mein Surland, deſſen Geiſt nicht Seines gleichen kennet,
Ward, wie er neben mir ſo manche Schoͤnheit ſpuͤr’t,
Die GOtt allein durchs Aug’ uns auf der Erde goͤnnet,
Nicht weniger, als ich, geruͤhr’t.
Vor andern fuhren wir an einem heitern Tage
Durch einen Tannen-Wald, deß nie verwelkend Gruͤn
Den Sommer vorzuſtellen ſchien
Selbſt in dem ſtreng’ſten Froſt. Das Thal, worin er lage,
War uͤberaus vergnuͤglich anzuſehn.
Die gruͤnen teils, und teils die weiſſen Hoͤh’n
Erhuben Wechſel-weiſ’ ihr Licht und ſchattigt Gruͤn
Durch ihren Gegen-Satz. Jn einer weiten Laͤnge
(Jndem der weiſſe Schnee ſehr hell von weiten ſchien)
Erblickte man noch eine groͤſſ’re Menge
Von Staͤmmen, als man ſonſt erblicket,
Wenn ein faſt allgemeines Gruͤn
Den dick-begraſ’ten Boden ſchmuͤcket.
Wann ich (fing Surland an) die ſo gerade Hoͤhe
Der riſchen Tannen-Baͤume ſehe,
Und merke, wie ſie ſich bey Zeiten
Hoch in die Hoͤh zu gehn dadurch bereiten,
Daß jeder ſolche Zweig’ und Aeſt’
Jm Anfang alsbald fallen laͤſſt,
Die ſeinen Wachstum ſonſt vermindern,
Gen Himmel an zu ſteigen ſehr verhindern,
Und ihn nur uͤber nied’re Huͤrden
Sich auszubreiten zwingen wuͤrden;
So deucht mich, daß er uns zum Beyſpiel dienen wolle,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/452>, abgerufen am 16.02.2025.
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